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Heidelberger Journal (46) — 1852

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Beilage-Blätter Nr. 1-13; 15-18: 20-22; 24-60; 62-157
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https://doi.org/10.11588/diglit.66017#1492
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und ſchrieen mit abgewandtem Kopfe in der
Sprache des Landes „e8 wird Nacht!“ und
dabei Frachte das grobe Geſchütz zu wiederhol-
ten Malen. Als dieſe Gefundheit, fowie die,
welche unſer Reiſender Seitens des Königs von
Frankreich auf feinen koͤniglichen Wirth aus-
brachte, zu Ende war erhob ſich das Volk
wieder und rief: „es wird Zag!" Zu bemer-

ken iſt noch, daß bei jeder Geſundheit zwei
Gläſer getrunken werden mußten, indem Se,
Majeſtät behauptete, daß man nicht auf einem
Fuße gehen koͤnne. Der König leerte diesmal,
mo e8 dem Wohl ſo hoher Perfonen galt, feine
Gläſer vollkommen, gewoͤhnlich benetzt er aber
nur die Lippen und läßt das Uebrige von ſei-
nen Vertrauten austrinken.

Was eine Muller leiden kann.
Fortſetzung.)

2

In einem Zimmer des Hauſes, vor welchem
die menſchenfreundliche Jungfrau ſtehen geblie-
ben war, wohnte eine unglückliche Familie.
Vier nackte Wände waren hier die ſtummen
und einzigen Zeugen von Gram und Leiden,
und der Anblick des ſchmerzlichen Schauſpiels,
das ſich dort zeigte, erfüllte das Herz nicht nur
mit Betrübniß ſondern auch mit einem gewiſ-
ſen Gefühl der Bitterkeit gegen das gefellfchaft-
liche Leben. Die Luft war ſo kalt wie auf
der Straße und eine dumpfe Feuchtigkelt drang
durch die Kleider derjenigen, die ſtch in der
Stube befanden. Im Kamin brannte ein klei-
nes Feuer, das mit Stücken von zerbrochenen
Möbeln unterhalten wurde und nur von Zeit
zu Zeit einige ſparſame Flammen zeigte. In
einem Bett, das in der Mitte des Zimmers
ftand, Iag ein krankes Kind, das nicht über
ein Jahr alt ſein konnte! ſein gelbes Geſicht-
chen, feine mageren Aermchen nnd ſeine tief-
liegenden Aeugelchen ließen nicht ohne Grund
erwarten, daß das unſchuldige Knäbchen bald
eine Stelle auf Stutvenburg*) erhalten werde.
Auf einem großen Stein neben dem Bett faß
eine noch junge Frau, die Hände vor den Au-
gen. Ihre Kleidung obgleich zuſammengeſetzt
aus Stoffen, deren Farben durch die Länge
der Zeit ausgegangen waren, trug nicht die
Kennzeichen derjenigen Armuth, welche die
Hülfe anderer öffentlich anſpricht; man konnte
im Gegentheil ‚an der Zierlichkeit und an den
vielen aber beinahe unſichtbaren Nähten er-
kennen, mit welcher Sergfalt die-Frau bemüht
geweſen war, ſie zu verbergen.

Von Zeit zu Zeit ſtieg ein halbunterdrückter
Seufzer aus ihrem Buſen auf, ‚und einige
hellblinkende Troͤpfchen drangen verrätheriſch
durch ihre Finger, womit ſte ihr Geſicht bedeckt
hielt! Bei der geringſten Bewegung des kran-
ken Kindes hob fie jedoch bebend den Koßf,
betrachtete ſchluchzend und mit Grauen feine
welken Wangen ſchloß das duͤnne Deckbetichen
feſter um ſeine kalten Glieder und ſank dann
wieder verzweifelnd und weinend auf den Stein
zurück.

Die tiefſte Stille herrſchte in diefer Stube
des Jammers; nur der hagelartige Schnee ſchlug
praſſelnd gegen die Fenſter und der Wind heulte
durch den Schornſtein.

Einige Zeit hindurch mar die Frau wie
{chlafend auf dem Stein ſitzen geblieben, das
kranke Kind hatte ſich nicht bewegt und ſie hatte
das Haupt nicht erhoben; ja, fie ſchien nicht
einmal mehr zu weinen, denn keine Thräne
drans mehr durch ihre Finger. Es war in
dem Zimmer wie in einem Grab, das von
** bewohnt wird und ſich nie wieder oͤffnen
oll.

*) Begrähnißplatz bei Antwerpen.

Plotzlich erſcholl vom Kamin her eine ſchwache
Stimme. Mutter, liebe Mutter, mich hungert!
— Derjenige, von dem diefe Klage ausging,
mar ein kleiner Knabe von fünf oder ſechs
Jahren, der ſich an einer Ecke des Heerdes
befand und ſich fo zuſammengekauert hatte,
daß man ihn nur mit Mühe entdeckt haben
würde. Er zitterte und bebte, als ob das Fie-

bet ſeinen Körper ergriffen hätte, und bei ei-
niger Aufmerkſamkeit konnte man deutlich das
Klappern ſeiner Zähne hören.

Hatte nun die Frau ſeinen klagenden Zuruf
nicht vernommen oder befand ſie ſich in der
Unmoͤglichkeit ſeinem Verlangen zu genügen:
genug, ſie antwortete nicht und blieb bewegungs
los ſitzen. Darauf tret wieder ein Augenblick
waͤhrer Todtenſtille ein, bis der Knabe wieder
aufs neue ſeine Stimme erhob und rief: Lieb
Mütterchen, ich habe Hunger. Adı, gib mir
doch nur ein kleines Stückchen Brod! — Dies-
mal erhob die Frau das Haupt, denn die
Stimme des Kleinen war ſo durchdringend,
daß ſte ihr gewiß wie ein Meſſerſtich durch
das Mutterherz gegangen war. Ein düſteres
Feuer glimmte in ihren Augen, aus denen
ſichtbar die Verzweiflung ſprach. Sie antwor-
tete unter heftigen Thränen: Liebes Hänschen,
um Gotteswillen, ſei ſtill! Ich ſterbe ja ſelbft
ver Hunger, mein aruies Kind, — es iſt nichts
mehr im Hauſe! — Ach, Mutter, mir iſt im
Magen fo weh. Nur ein einziges Stückchen
Brod! — Das Autlitz des Knaben war in
dieſein Augenblick fo flehend, der Hunger war
mit ſeiner erdfahlen Farbe ſo tief darauf ein-
gedrückt, daß die verwirrte Mutter aufſprang,
als ob ſie eine verzweiflungsvolle That begehen
wollte! Mit bebender Haft griff ſie unter das
Deckbett, zog ein kleines Brödchen für einen
halben Stüber hervor und ging zu dem Kind
mit den Worten: Da, Hänschen, das haͤbe
ich noch aufbewahrt, um Bret für dein armes,
krankes Schweſterchen zu kochen; aber ach, das
unſchuldige Würuchen wird es wohl nicht mehr
nöthig haben! — Die Stimme verſagte ihr,
denn ihr Maͤtterherz quoll über von Schinerz
und Qual. Sobald Hänoͤchen das Brod wie
einen Glücksſtern vor ſeine Augen treten ſah,
floß ihm vor Eßbegierde der Speichel in Fäden
von ſeinen Lippen; die Muskeln ſeiner Wangen
begannen zu zuckenz er ſprang auf und ergriff
mit beiden Händen zugleich das kleine Bröd-
chen ſo gierig, wie ein Wolf, der auf feine
Beute zuſtürzt.

Die Frau kehrte zu ihrem kranken Kind zu-
rück, das fie noch einmal mit ſchmerzlichen
Blicken betrachtete, und ſank dann erſchöpft und
kraftlos wieder auf den Stein.


brachte der Knabe das Btoͤdchen an ſeinen
Mund und biß einigemal haſtig hinein, bis er
etwas mehr als die Hälfte davon verzehrt hatte.
Dann hielt er plötzlich inne, beſah das übrig-
gebliebene Stuck mehr als einmal mit heftiger
Begierde, ſetzte es mehr als einmal wieder an
ſeinen Mund, bezwang ſich aber und aß nicht
das Geringſte mehr davon. Endlich erhob er
ſich, ging langfam auf ſeine trauernde Mutter
zu, rüttelte fie am Arm, um fle aug dem!
Schlaf zu wecken, in den ſie gänzlich verfunken
ſchien, reichte iht den Reſt des Brödchens und
ſagte mit ſüßer Stimme: Nimm, lieb Mütter-
chen, ich habe für unſer Mieken ein Stück-
chen übrig gelaffen. Ich habe wohl noch gro-
ßen Hunger, aber nicht wahr, wenn Vater
nach Hauſe kommt, bekomme ich ja ein Butter-
brod! — Die unglückliche Frau ſchlang ihre
beiden Arme um das gute Kind und drückte
es liebevoll an ihre Bruſt. Einen Augenblick
darauf ließ ſie es gefühllos von ihren Knieen
hinabgleiten und verſank in ihre frühere Nie-
dergeſchlagenheit. Haͤnschen trat leiſe und vor-
ſichtig an das kleine Bettchen, küßte die ma-

geren Wangen feines kraͤnken Schweſterchens,

ſagte dabel! ſchlafe nur ruhig fort, liebes
Mieken, und ging ſodann zum Kamin zurück,
wo er wieder zuſammenkauerte und ſchweigend
auf der Erde fitzen blieb.

(Fortſetzung folgt.)

Buntes.

In einem Hotel zu Antwerpen fand im
Auguft d. S, ein ſchreckiicher Unfall ſtatt, der zur
Jorſicht mahnen mag. Ein Deutſcher Hatte die
Uuvarſichtigkeit, eine noch brennende Cigarre in
den AÄbtritt zu werfen, in welchem ſich viel Schwe-
felwaſſerſtoff⸗ Has angefammelt hatte. Das Gas
zündete und der ganze Abtritt flog in die Luft.
Man eilte herbet und fand den Fremden furcht-
bar verwundet unter den Trümmern.

.. Eine ſelſame Grotte, bis jetzt von 800
Fuß Länge und 70 Fuß Weite, mit Stalactiten
und Stalagmiten (Tropfſtein und rundem Tropf-
fein) von den manchfaltigſten nnd phantaſtiſchſen
Bildungen, auf deren Schöpfungen Jahrhunderte
vergangen ſein müſſen, reich ineruſtirt, iſt ganz
Fürzlich zu Montecatine in Toskana entdeckt worden,
welcher Ort durch feine kräftigen Mineralquellen
berühmt iſt. Ein ſehr ſonderbarex Umftand hängt
mit dieſer Grotte zufammen, nämlich, daß ihte
Temperatur fortwährend auf 96 SGrad Fahrenheit
ſteht, was hei der verſchloſſenen Luft es unmöglich
macht, ſich hier aufzuhalten, wenn man nicht ganz
nackt ift, und ſelbſt dann iſt ſtarker Schweiß un
vermeidlich Das allenthalben Iangfam hereinſet-
hende Woſſer hat drinnen eine Art See gebildet,
den man jetzt mit einem unten platten Boot ver-
ſehen hat zur Bequemlichkeit der Befucher. Die
Groͤtte iſt btsher aur bis zu der oben angegebenen
Ausdehnung erforſcht worden, man hält e aber
für ausgemacht, daß ſie ſich in großen Aeſten wei-
— wovon ſchon Spuren aufgefunden
ſind.

.. Dem Türkifdhen Cabinette liegt das Pro-
ject einer Eiſenbahn vor, welde die ganze Türkel
von Belgrad über Niſib, Sophia, Philippoyolis
und Konſtantinopel durchſchneiden ſoll, dann Kletn-
aſien in der Nichtung naͤch Bombay. Eine englis
ſche Geſellſchaft hat dieſes Rieſen-Project und mäct
ſich für die Aufbringung der 15 Mill. Pf., vie es
koſten foll, ſtark.

Ein antiquarifiifcber Fund von Sachen aug
heidnifchen uud fpäteren. Zeiten ward beim Weg-
räumen der Sberflaͤche für die Eifenbahn am Ein-
gang der Stadt Chriftionia auf dem Fleck, wo


1624 durch Feuer zerftörte Dauptſtadt Norwegens,
ſtand, gemadcht, nämlich außer einer Goldmünze
Johanns IM. von Portugal vom Jahre 1557 und
einer andern portugieſiſchen ©olbmünze, deren In-
ichrift ungefähr erlofchen iſt, ein Goldring, ein
goldenes mit verſchiedenen Gottheiten der Edda
verziertes Armband und ein fehr großer ſilberner
Vöffel, deffen Stiel mit noch nicht entzifferten Ru-
neninſchriften bedeckt iſt! Die Regierung :hat fer-
nere Auggrabungen an diefer Stelle verordnet.

.. Wie rieſig die Verhättniſſe eines Lintenſchlffes


Das Schiff iſt 235 bis 240 Fuß lang 60 Fuß breit
und 50 bis 54 Fuß hoch. Zum Baut ſind erforder-
lich: 3500 Eichen oder 116,000 Kubikfuß verſchie-
denes Hohz 140,000 Pfo. Eifenz 94,000 Pfd. Kut-
pfer3 8000 Bfd. Bleiz Yech, Eheer und Farben
54,000 Pfd. Das Thaumwerk der Takelage wiegt
250,000 Bfo.3; zu ſämmtlichen Segeln ſind 50,000
Ellen Tuch nöthig; zur Hauptflagge allein 400 EN.
Die 6 Ankertaue wiegen an 60,000 Pfd., und je«
des hat oben 25 Zoll im Durchmeffer. Der Haußt-
maſt hat eine Länge von 120 bis 122 und unten
eine Dicke von 5% Fuß und iſt aus 3 bis 6 Stücen
zufammengefeßt. Das Gewicht eines Dreideckers


Proviant auf ein Jahr beträgt 18 Mill. Pfo. Die
Koſten für ein volltändig ausgerüßetes Linienſchiff
belaufen ſich in England durchſchnittlich auf 1000
Pfo. St für jede Kanone oder auf 3 Mill. Fr.
für ein einziges Schiff von 120 Kanonen. (Die
engliſche Marine zählt 64 Linienſchiffe von 80 bis
120, außerdem 191 tleinere Krtegéſchiffe von 24
bis 78 Kanonen, alle zufammen mit 15,543 Ka=-
nonen. Dann noch 165 Sloops (Bombenfchiffe)
und andere kleine Schiffe von 2 bis 22 Kanonen,
zuſammen Kanonen; endlih 125 Kriegs-
dampfſchiffe. Während des Krieges von 1813 hatte
die britiſche Seemacht die impofante Macht von
1044 Segeln mit 26,900 Kanonem und 145,000
Matroſen)
Ein parifer Portier, der die five Jvee hatte.
er koͤnne fliegen, hat fich von dem Stock feines
Hauſes herabgeſtürzt; er ſtarb auf der Stelle.

Reyigirt unter Verantwortltchkett von G. Keichard.

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