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1

Mittwoch, den 6. October


Fraukreich.

+ Paris, 30. Sept.
in dem Ausdruck ſeiner Geſinnungen für
den Prinz⸗Präſidenten nicht zurückbleibe, hat
der Generalgouverneur eine Deputatton
nach Maͤrſeille abgeſendet; die dort im Na-
men der Colonie Ludwig Napoleon beglück-
wünſchen ſoll.

Paris, I. Oet. Auch Air hat es nir-
gends an Kaiſervipats, fehlen laſſen. Ge-
ern Nachmittag iſt Ludwig Napoleon in
Nimes eingetroffen. Die Einwohnerſchaft
und die von allen Seiten herzugeſtroͤmten
Bevoͤlkerungen des Garde⸗Departements em-
pfingen ihn mit begeiſtertem Vive l’Empe-
reur! und Vive Napolcon III. Heute fruh
iſt er von dort abgereiſt, und, naͤchdem ihm
in Lunel und von allen Landgemeinden an
ſeinem Wege mannigfache Ovaͤtionen derei-
iet waren, dieſen Mittag gegen 1 Uhr in
Montpellier angekommen. — Der „Voni-
leur“ veröffentlicht heute früh den officiel-
len Wortlaut der vom Prinz-Präſidenten
bei der Grundſteinlegung der Kathedrale in
Marſeille gehaltenen Rede. Sie iſt darum
nicht ohne Bedeutung, weil ſie die Fröm-
migkeit Ludwig Napoleons bekundet, der
einen beſondern Rachdruck darauf legt: mit
Stolz koͤnne er ſagen, daß feine Regierung
die einzige fet, welche die Religion um ih-
rer ſelbſt willen ſtütze und förderez ſie ſtütze
dieſelbe nicht als eın politiſches Werkzeug,
nicht um einer Partei zu gefallen, ſondern
allein aus Ueberzeugung und aus Liebe
- zum Guten, welches die Religion eingebe,
und zu den Wahrheiten, die ſie lehre. —
Aus dem Marnedepartement haben bis heute
300 Gemeinden Petitionen um Herſtellung
des Kaiſerreichs eingeſchickt, Rheims nicht
mitgezaͤhlt, welches ſeine Geſuche eben erfi
zur ünterzeichnung in Umlauf ſetzt. Auch
in dem Ober⸗Saonedepartement petitioniren
eine Menge von Gemeinden um das Kai-
ſerreich; 80 Geſuche ſind bereits bei der
Präfeetur eingegangen.

Paris, 2. Set. Eine telegraphiſche De-
peſche a. Nimes von geſtern früh meldet
den begeiſterten Empfang des Prinz-Präſt
denten in dieſer Stadt. Geſtern Abend
war die Rue de Seze in der Nähe der
Magdalenenkirche der Schauplatz einer
ſchauderhaften Unthat. Herr Morton., der
ſtaͤndige Correſpondent der „Daily News“,
iſt um halb 12 Uhr in dem Haufe eines
andern engliſchen Correſpondenten, deſſen
Namen man noch nicht nennen will, ermor-
det worden; er erhielt einen Dolchſtoß in
den Rücken. Die Behörde hat eine Unter-
ſuchung über dieſen geheimnißvollen Fall
bereits angeordnet.

E Paris, 3. Oetbr. Louis Napoleon iſt
geftern über Beziers nach Narbonne, und
heute von Narbonne nach Carcaſſone ab-
gereiſt. Ueberall ungeheure Begeiſterung u.
lauſendſtimmiges vive l’Empereur !

Der „Moniteur“ enthält heute eine halb-
amtliche Aeußerung, wodurch die Bedeutung
der Marleiller Verſchwörung bedeutend ver-
ringert wird. Sie lautet:

Ber Prinz-Präſident iſt von den zahl-
reichen Zeichen der Sympaͤthie tief gerührt
die er in Folge der Entdeckung des Mar-
ſeiller Complotts erhält. ‚Man darf jedoch
die Gefahr nicht übertreiben, der der Priuz
ausgeſetzt war. Die Vorſehung wachte über
ihn und hat es gewollt, daß dieſe übrigens
ſehr mangelhafte Maſchine vor der Ankunft


des Präſidenten in Marſeille entdeckt wurde.
Fraukreich möge mit ſeiner Verachtung die
nichtswürdigen Plane einiger Elenden be-


ſtiz an.
Eualand.

London/ 30. Sept, Geſtern früh haben
ſich die Mitglieder der verſchiedenen Cor-
porationen in Guildhall verſammelt, um
den Lordmayor der City von London für
nächſtes Jahr zu wählen. Gottesdienſt und
Predigt ging voraus, Der Alderman Chal-
lis welcher Finsburh im Unterhauſe reprä-
ſentirte, und Alderman Sydney wurden dem
Lordmayor und Hof der Aldermen als Can-
didaten vorgeſchlagen! Ihre Wahl entſchied
ſich für den Erſtagenannten und Alderman
Challis wurde voͤn der Verſammlung mit
Acelamationen begrüßt. Der neue Lord-
mayor dankte, worauf: man wieder ausein-


zufolge mürde die Seſſion des Parlaments
am 23., nach andern Angaben ſchon am
21. October ihren Anfang nehmen,

* Qondon, 2 ODctbr. Zimes und Globe
machen heut Betrachtungen über die Stel-
lung Belgiens, die ihnen ſehr gefährdet
ſcheint. Times geht fogar ſo weit, bereits
die ſtrategiſchen Mittel zu erörtern, mit
welchen ein Angriff des franzöſiſchen Adlers
wirkſam zurückzuweiſen ſei.

Schweiz.

Von der Grenze, 30. Sept. In dem
ſchauerlichen Felſenpaß der Viamala, in
Graubünden/ iſt es in den letzten Tagen
zu einer blutigen Reibung zwiſchen Tyro-
lern und Bündnern gekommen. Einige der
letztern, von Sils im Engadin, am Abend
nach dieſem bedauerlichen Juftritt nach Thu-
ſis zurückkehrend, vermißten einen der Ihri-
gen! Erſt am 2% Morgens wurde ſeine
Leiche ganz zerſchlagen am Rhein gefunden.
Der Ungluͤckliche ſcheint vom Wege in den
Abgrund geſtürzt worden zu ſein! — Ge-
ſtern hat die Thätigkeit des Telegraphen
zwiſchen St! Gallen und Chur beßonnen.
— Der letzte Sturm auf dem Bodenſee
hat an deſſen ſüdweſtlichem Ufer nicht un-
erheblichen Schaden angerichtet.

Cuba.

Aus der Havana wird von einem Erd-
beben berichtet, durch das am 20. Aug, faſt
die ganze Stadt Santjago de Cuba ver-
nichtet worden! Die Einwoͤhner flüchteten
auf das offene Feld und auf die Schiffe
im Hafen.
das gleiche Loos getroffen.

Feuilleton.

Ein Liebesbote neuer Art.

Die erfindungsrelchſten Leute find und blei-
ben die Verliebten! Dies bewies neuereings
wieder ein Liebespärchen in M. Ein hübſches
junges Mädchen da klagte eines Tages gegen
Abend über unerträgliches Kopfweh und legte
ſich in {br Bett. Die Maͤtter war fehr beforgt
unDd febte ſich an das Bett der geliebten Toch-
ter waͤs auch dieſe that, um ſte zu beruhigen
und zu entfernen. Die Mutter nahm ein Buch
und las; nichts ſtörte die Stille m Zimmer,
bi8 nach einiger Zeit ein Klappen ſich hören
ließ ... Was wır das? fragte die Muͤtter
und da dies Tochter nicht antwortete, ſtand ſſie
auf, um nachzufehen . . . In einer Ecke, wohl


verſteckt, ſtand eine zierliche Mausfalle, deren
Klappe eben zugefallen war. Es hatte ſich ein
Mäuschen gefangen, aber keins der gewöhnlt-
chen, deren es nur zu viele gibt, fondern ein
ſchneewelßes Müäuschen, das an einem roͤthen
Bändchen ein Papierröllchen um den Hals
trug. Die Mutter war neugterig und obgleich
die kranke Tochter ihr zuredete, einer Maus
wegen ſich nicht zu incommodiren und das
Thier in der Faͤlle zu laſſen, holte fie die Ge-
fangene hervor und fand damit zugleich den
Grund der Krankheit ihrer Tochter. Das Maͤus-
chen war eine Liebesboͤtin! welche durch ein
zweckmäßig in die die beiden Nachbarhäufer
trennende Wand angebraͤchtes Löchlein herüber
und hinüber in eine ſtets mit leckern Bischen
geſpickte Falle wanderte und jedes Mal ein
Briefchen herüber und hinüber befoͤrderte. , Die
Mutter zürnte anfangs, da aber doch „Liche
kein Verbrechen iſt“ und der junge Herr, wel-
cher ſich um das Mädchen In ſo eigenthümli-
cher Weiſe bewarb, eine wohl annehmbare Partie
war, beruhigte ſie ſich und verfprach, die Sache
zu einem guͤten Ende zu führen.

Wohlfeile Heizung.

Der Gazette de Liaͤge wird aus Seraing
geſchrieben, daß dort in fogenannten Terrisses,
verlaſſenen Stollen, wo früher auf Steinkohlen
gebaut wurde immerfort Feuer brenne. Un-
ier Anderem in dem Hofe eines Gärtners Do-
wans deſſen Gebäude, Rue St. Eloi, auf
einer ſolchen Terrisse evrichtet, brauche man
nur einen Fuß tief mit dem Stode in den
Grund zu bohren und der Oeffnung ein an-
gezündentes Schwefelhölzchen nahe zu bringen,
um die ſchönſte blaue Flamme zu haben.
Macht man eine größere Oeffnung und fegt
ein Rohr darauf, ſo hat man eine 6 Fuß
hohe Feuergarbe Dowans hat dieſe Erſchei-
nung zu ſeinem Bedarf benutzt: er heizt mit
dem Gas ſeine Treibhä ufer, ſeine Küche und
Wohnzimmer, indem er daͤſſelbe durch einfaͤche,
von Ziegeln gemachte Canaͤle hinleitet, wo er
es haben will. Die Bewohner der umliegen-
den Häuſer haben auf dem Hofe ganz einfache
Kochherde angelegt über in den Boden gegras
benen Oeffnungen! Man ſteht dort im Tage
ganze Bataillone Kochtöpfe ſchmoren und bro-
veln, ohne daß man die Flamme gewahrt.
Man glaubt, die Töpfe ſtänden da, um abe
gekühlt zu werden, und nicht, um zu kochen!
Seit drei Jahren ſind die Küchen ſchon in voll-
ſter Thätigkeit.

was eine Mutter leiden kann.
(Sortfeßung.) =

2

Auf dem Freitagsmarkt, nach der Seite des
Falkengaͤßchens zu, ſtand unter einigen andern
Gegenſtänden ein kleiner Wagen mit zwei Rä-
dern, an Form jenen Handkarren gleich, die
man in Autwerpen Muſchelkaſten nennt, weil
ſie in der Regel zur Fortſchaffung von Muſcheln
dienen! Nicht weit davon entfernt befand ſich
ein Mann, der ungemein ntedergeſchlagen aus-
fah. Die Arme über die Bruſt gekreuzt, rich-
tete er ſeine feuchten Augen beſtändig von dem
Schubkarren ‚auf den Ausrufer, der ein wenig
weithin mit dem Verkauf anderer Gegenſtände
beſchäftigt war! Von Zeit zu Zeit ſtampfte
der troſtloſe Mann mit dem Fuß auf den Bo-
den, al8 ob ſchuierzliche Gehanken ſich feiner
bemächtigt hätten; doch verfiel er jedesmal in
vetzweiflungszollen Trübfinn, wenn er auf den
Karren blickte, der bis jetzt für ihn das Mittel
 
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