Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
geweſen war, um als ebrlicher Arbeitsmann
ſein tägliches Grod zu verdienen

Während er fo in Troſtloſigkeit verfunken
war, kamen zwei Jungfrauen mit haͤſtigen
Schritten über den Freitagsmarkt! Eine von
ihnen mußte wohl den ſchmerzlichen Ausdruck
in dem Geſicht des Arbeitsmannes erkannt haͤ—
hen, denn ſie hielt ihre Gefährtin an der Ecke
des Falkengaͤßchens auf und fragte ſte! Haſt
Du gefehen, Adela, welche Betruͤbniß auf vdem
Geſicht jenes Mannes zu leſen it? — Welches
Mannes, Liebe? — Dort; ſieh wie er mit
dem Fuße ſtamvft, wie er feine Arme an fich
zieht.. Gemwiß, Adela er ift ein Unglücklicher,
Vielleicht, Anna! Wer weiß aber, ob e8s
nicht auch der bloße Ausdruck des Zornes iſt.
— Nein, Avela, das kenne ich nur zu gut.
Der Ausdruck des wahren Unglücks trägt einen
unverfennbaren Stempel,, Cr zieht gefühlvolle
Herzen an und ſtimmteſie zu der füßen Em-
pfindung, des Mitleidens; Bosheit und Zorn
{toßen , dagegen., den Beſchauer ab! Ich. habe
mich nicht getäufht, Liebe,. jener Arbeitsmann
iſt ein Spfer des langen Winters! Sieh nur,
ſeine Kleider find nicht ſchmutzig und zerlumpt.
Laff? ung zu ihm geben; id will ihn nach der
Nrfache ſeiner Betrübnif fragen.

Die beiden Damen Fehrten zu dem Mann
zurüd; aber, grade al8 fie auf {hn. zutreten
wollien, ward ‚er von einer andern Perfon
angeredet, die mie er der atbeitenden Klaffe
anzugehören ſchien und ihm jetzt mit den Wor-
ten auf die Schulter klopfte! Nun, Sus, was
ſagſt Du zu dem Wetterchen? Kalt, he? Komm,
geh mit mir, ich laſſe uns einen Schnaps ein!
ſchenken! — Der betrübte Arbeitsmannu ‚Hatte
ſeine Schulter faſt mit Gewalt der Berührung
des andern entzogen, antwortete jedoch nicht.
Der letztere, hierüber verwundert, fah ihm ins
Geſicht und bemerkte, wie verwildert ihm die
Augen im Kopf ſtanden. Nun, Sus, rief er,
was fehlt Dir denn, Freund? — Die Ant?
wort erfolgte noch nicht fogleich nach der Frage
und die beiden Damen hatten daher Zeit, ſich
etwas nähern zu können, um beſſer zu verſtehen,
was Derjenige fagen werde, den fie für einen
Unglücklichen hielten.

Eine dumpfe Stimme, die durch ſchwere
Athemzüge unterbrochen wurde und eine tiefe
Erſchütterung zu erkennen gab, ſagte endlich:
Ach Geert Du ſprichſt von Schnaps; aber
ich wollte lieber ſterben, al8 jetzt ein Glas
Branutwein an den Mund ſetzen. Alter, Junge,
wenn Du müßteft, welcher Graͤm mich verzehrt . 4,
Dieſe Worte waren wit fo tiefer Betrühniß

ausgeſprochen worden, daß Geert ganz bewegt
wurde und ſeine heitere ſcherzhafte Weife auf-
gab, um ernſter zu ſprechen! Er ergtiff die
Hand feines unglücklichen Gefährten und fragte
faſt mit Thränen in den Augen: Freund Sus,
was haſt Du? Du ſiehſt {a zum Sterben be!
trübt aus. Iſt Trees todt? — Nein, nein,
Geert, das iſt ſte zum Glück nicht. Aber Dir
kann ich es fagen, denn Du warſt ja ſtets
unſer Freund! Du weißt e8, daß lich nie
müßig geweſen bin, mein Brod zu ſuchen, und
daß ich es, Goͤtt ſel Dank, bisher noch immer
gefunden habe; aber jeßt . . . e8 ift vorbei
mit mir! Meine arme Trees das gute Weib,
hat in zwei Zagen noch keinen Biſſen gegeffen,
unfer Hänschen vergeht or Hunger, und meln
jüngſtes Rind, unfer Mieken, wird in viefem
Augenblick wohl ſchon todt fein, denn die Brüſte
feiner Mutter ſind vor Kälte und Mangel ver-
ſtegt. Oeert, Geert! wenn ich daran denke,
Fönnte ich wabrhaftig vor Verzweiflung Hand
an mich legen. Wüideſt Du betteln Können,
Eeert? — Betteln? Nein, gewiß nicht, ich
habe noch ein vaat Haͤnde am Leibe! — Nun,
ich auch Aber bet mir iſt es voch ſchoͤn fo
weit gefommen, daß wir bereits alle8 verkauft
und verfeßt haben, außer unfern Schubkarren,
der dort ſtebt. Ach, Geert um ihn anfehaffen

|

zu können, haten wir lange geſpart und ſo
lange karges Brod ‚gegeffen. Aber wenn es
Gottes Wille iſt — immerhin! Wenn nur der
Ausrufer bald hierher Fäme, damit ich meiner
Frau und meinen Kindern etwas Brod bringen
fönnte! — Da iſt er! Aber fage einmal, Sas,
wohnſt Du denn immer noch in der Winkel!
ſtraße? — Ja! ;

In dieſem Augenblick Fanı der Ausrufer mit
feinem Stuhl nach der Stelle, wo der unglück:
liche Arbeitsmann ſtand, und rief mit lauter
Stimme: Kaufluſtige herbei! Käufer von Schub-
karren herbei! — Ein Lächeln zog über das
Geſicht des Tageloͤhners! Die beiden Damen
ſprachen leiſe über etwas, was ſte zu erfreuen
ſchien. — Der Ausrufer fuhr fort: Dreißig
Franken für dieſen Schubkarren! Drelßig Franz
ken Fünfundzwanzig! Er ift ſo gut wie
neu! Es iſt ein Spottpreis . . , Zwanzig Franz
fen! Eine der Damen gab ihm ein Zeichen
mit den Kopf und er rief fogleich; Zwanzig


auf den Kaͤrren.! Die Dame frieb jedoch den
Prei8 beftändig in die Hoͤhe! Der Ausrufer
wendele ſich bald hierhin, bald dorthin,. um
die Winke der Bietenden zu beachten. Cinz
undzwanzig Franken! — Zweiundzwanzig! —
Dreiundzwanzig ! Vierundzwanzig! — Fünf-
undzwanzig! — Stiebenundzwanzig! — Sieben-
undzwanzig Franken! niemand mehr? Sieben-
undzwanzg Franten zum erſten, zum zweiten,
zum . .. Dritten, Zugeſchlagen! Viei Glück
in den Kauf! }

Nachdem die Dame dem Knecht des Ausru-
fers einige Worte geſagt hatte, wendete letzte-
rer ſich nach ſeiner Wohnung und rief aus
Leibeskräften! Jetzt wird bezahlt!

Schon war unfer Arbeitsmann in dem Haus
des Ausrufers und wellte mit dem Geld, das
man ihm gegeben, zu ſeiner Familie zuruͤck-
eilen, nicht ohne noch einen traurigen Blick
auf den Schubkarren geworfen zu haben, alg
eine der beiden Damen ihn mit den Worten
anredete: Guter Mann, wollt Ihr was ver-
dienen? — Der Arbeitsmann bedachte ſich ei-
nen Augendlick und fragte dann: Was ſteht zu
Eurem Befehl, Ftäulein? — Wir wünſchten
gern, daß Ihr ung dieſen Schubkarren nach
Haus führet! — Es thut mir leid, aber das
kann ich nicht, denn ich habe einen eiligen
Auftrag auszurichten! — Anna, die fehr men:
ſchenfreundlich war und deßhalb beſſer als ihre
Freundin die armen Leute verftand, ſagte hier
auf mit Haſt zu dem Tagelöhner, der im Bez
griff war, ſich zu entfernen: Wir wollen näm-
lich nach der Winkelſtraße — Naͤch der Win-
kelſtraße? — D, Fräulein, dann kann ich
Euch dienen, denn grade nach jener Gegend
muß ich auch hin! Hierauf ergriff er den Schuͤh—
karren zog ihn aus den umherſtehenden übri-
gen Verkaufsgegenſtänden hervor und folgte
den beiden Fraͤulein, die ſich alsbald mit ziem-
lich ſchnellen Schritten auf den Weg machten.
Ein bitterer Schmerz preßte ihm die Bruſt zu
ſammen bei dem Gedanfen, daß er nun fein
eigenes Fubrwerk für Andere fortſchaffen mußte;
aber die Gewißheit, daß er auch bald mit vem
erhaltenen Geld die Thtänen ſeiner braven
Frau trocknen werde, miſchte einen ſüßen Troſt
in ſeine Betrübniß.

Mit anaſtooller Ungeduld empfing er von
den beiden Damen den Befehl, vor einem La.
den ſtehen zu bleiben. Sr brauchte jedoch nicht
lange zu warten, denn die Fraͤulein hatten
nur wenige Augenblicke in dem Laden verweilt,
als man aus Ddemfelben einen Saͤck Kartoffeln,
zwei oder dret große Brode und einige Buͤndel
Holz herbeibrachte und auf das Waͤgelchen lud,
wäbrend Unna eigenhändig einen großen ſtei-
nernen Topf mit Sorgfalt an den Kaͤrtoffel-
ſack lehnte.

— Sobald man in der Winkelſtraße angekom-

men war, fragte der Mann, wohin die Damen
den Schubkarren gebracht zu haben wünſchten.
Anna antwortele mit Abſtcht! Nur immer zu,
8 iſt noch weiter! — Trotz dieſes Befehls
blieb er vor einer kleinen Touͤte ſtehen, die
Anna als diejenige erkannte, in welche ſie beute
Morgen hatte eintteten wollen. Der Mann
nahm ſeine Mütze vom Kopf und ſagte hoͤflich:
Fraͤulein, erlaubt Ihr mir wohl, hier einen
Augenblick hineinzugehen? Ich werde ſogleich
wieder zurück ſein! — Als ihm dies zugeſtan-
den war, oͤffnete er die Thür und trat hinein-
Aber die Damen folgten ihm auf vem Fuß
nach und gelangten faſt gleichzeitig mit ihm in

ſeine Stube.
Fortſetznng folgt.)

Buntes.

Cranzöſiſche Blätter erzählten neutich folgen-
des Quiproquo. Ein Sournal in Dijfon druckte
eine Stelle aus einer Rede des Profeffors Stahl
in Berlin ab, in der von den franzöfilhen Kaifer-
Proiecten die Rede war, und feßte unter den Ar-
tt£el (in Frankreich müffen befannılich alle Zettungs
Ariſtel mit dem Namen iyres Verfaffers untere
zeichnet fein) einfach „Stahl“. Der Präfect erließ
wegen diefes Artikels eine Verwarnung an das.
Dijoner Blatt und ermahnte befonders ven „Difo-
ner Journaliſten Stahl“, Fünftig vorſtchtiger zu
ſchreiben.

In der letzten Ziehung der ſpaniſchen Staatg»
Lotterie haben acht arme Savoyarden, die n
Bar celona das Stieferpußer-Handwerk Irieben,
das größte Loos 40,000 Piafter (ungefähr 52,000
Thir), gewonnen. Die Nachricht traf ven Einen,
al8 er gerade auf der Rambla einem Herrn- die
Stiefel reinigte. Er feßte fein Gefhäft ruhtg fort,
nahm die 2 Yuartos (4 Pfg.) dafır in Empfang
und ſuchte dann feine Übrigen Gefährten auf, un
ibnen die frohe Nachricht mitzutheilen. Unterwegs-
begegnete ihmedie arme, aber Knderreiche Wittwe
eines geweſenen Beamten., die {fn, dem armen
Sayoyarden, als ſte felbf noch wohlhabend war,
diel zu verdienen gegeben und ihn, alg er einmal.
franf geworden, in ifr Haus aufgenommen und
gepflegt hatte. Der Sapovarde fchreitet auf die
— zu und verfündet ihr mit froder. Miene das
Ende ihrer Leiden, DHernach hält er mit feinen
Gefährten Rath, wie ver Noth feiner Wohlthäte«
rin abzuhelfen fet, und ſchläat ihnen vor, der
Wittwe gemeinſchaftlich 10,000 Piaſter zu vermas
hen Zögernd gehen Alle auf diefen Borfchlag ein
und begeben ſich dann zur Kirche, um SGott für
das ihnen gewordene Glück zu danken. Die Acht
theilten fich dann in die 30,000 Piafter und find
mit dem Dampfboote über Marfeille nach ihrer
Heimath abgereif’t.

.. Nach vdem Morning Chronicle will ein Eng-
(änder Namens Brown ein neues Conftructiong-
Syſtem für Schiffe erfunden hHaben. Er will Dam-
pfer bauen, mit denen in 48 Stunden der Weg
nach Amrerita zurüdgelegt wird und in 15. Tagen


felbft ſollen ungeheuer groß fein und Wogen und
Stürmen leicht widerſtehen Fönnen. Dabet ift ihre:
Bewegung ſo gleichförmig, daß es auf denfelben:
* — — mehr gibt. Was will man
mehr

.. 3n den Vereinigten Staaten gehören Cbhes
ſſbeidungen zu den größten Antäglichkeiten. Die
Lexington Sentinel erzählt, im Staate Miſſiſippi,
Srafichaft Helmes, Iebe eine noch rüßige, ; gut
conferDirfe Frau, die ſich 1823 im September zum
erften Male verehelichte, fih aber fofort fcheiven .
ließ und dann noch drei Männer nahın, von denen
ſie ebenfall® wieder geſchieden Wurde. Um' vas
fünfundzwanzigjährige Gedächtnig ihrer erfien Che
würdig zu begehen, fchied e fich 1848 von ihrem.
vierten Manne, wohnte dem Leichenbegängniffe:
des zweiten bei und Heirathete den erften wieder..
Die Hetraths-Ceremonien diefer fünften Che wur-
den von dem dritten Manne vollzogen. Seit vier
Jahren lebt ſie mit threm fünften oder beffer ge-
fagt erften Manne im beſten Einverfändniffe.

Eine Irländerin hatte in einent Briefe an
ihren Geliehten diefen um Geid gebeten und fols
gendes Poſtſeript angehängt : „Als ich Obiges
gefchrieben hatte, fcbämte ich mich meiner unzarten
Bitte ſo fehr, daß ich den Brief wiever vom Pofte
hoten zurücholen laſſen wollte! Leider konnte leß-
terer nicht mehr von der Magd eingeholt werden,.
und ſo muß niein Brief ſchoͤn ungeändert an Dich
abgehen.“

Redigtrt unter Verantwortlichkeit von G. Keichard.

Druck und Verlag von G. Re ich ard.
 
Annotationen