Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext



Mittwoch/ den 20, October

„ 4852

Köln, 13 Oet Aſſifenverhandlun-
gen gegen DriHermann Becker und Ge-
noſſen in Köln, VL (Fortſetzung der Si-
Bung vom 12, Oetober. Vergehmung des
Angeklagten Or. Hermann Becer)
Praͤſident Sie waren Mitglied des demos
ratiſchen Bereing ® — Antw, Erlauben Sie,
daß ich Ihnen über mein öffentliches Wir-
len einen kurzen Bericht erſtatte. Becker
fagt nun Folgendes aus; Im ' Frühjahr
1848 fam er von der Univerſttät Bonn,
wo er Jurg ſtudirt hatte, nach Köln. Die
politiſchen Ereigniſſe überrafchten ihn. Mehr-


Errungenſchaͤften ſchienen lihm durch das
Vorparlament geſichert. Unter dieſen Um-
ſtänden fand er keinen Trieb , ſich in die
politiſchen Beſtrebungen einzulaſſen! Da
aber feſſelten die Verhältniſſe von Schles-


ein Comite zur Beförderung von Freiſchaa-
ren! Selbſt bei den vorkommenden Wablen
in Köln betheiligte er ſich nicht. Die poli-
tiſchen Pexſönlichkeiten Kölns waren ihm
faſt ganz fremd; Gottſchalk hatte er einige-
mal gefeben, aber er ſtimmte nicht mit ihm
überein, Erſt als die indirecten Wahlen
ausgeſprechen waren, betheiligte er ſich und
trat zur demokratiſchen Geſellſchaft, um mit
dahin zu wirken den Wünſchen der Ur-
wähler bei den Wählern Geltung zu ver-
ſchaffen. Ein dritzer Verein, dem er beitrat,
war jener der Arbeiter und Arbeitgeber,
welcher ſich die Aufgabe ſtellte, die Inter-
eifen beider in Harmonie zu bringen. Einer
Verſchmelzung der drei Geſellſchaͤften, der
demokratifchen Gefellſchaft, des Vereins der
Arbeiter und Arbeitgeber und des Arbeiter-
vereins trat er entgegen. Kurz Darauf wuͤrde
Gotifhalk verhaftet, der Arbeiterverein ſah
ſich faſt gänzlich der Leiter beraubt, dieſes
veranlaßte imn Ausſchuß der demokratiſchen
Gefellſchaft den Befchluß, die Leitung theit-
weiſe zu übernehmen. Weitling kam nach
Köln, ihm trat Marx entgegen! Schapper
veröffentlichte damals eine Liſte von Saͤtzen,
die aug jener Zeit alg Manifeſt der coͤm—
muniſtiſchen Partei bei den Acten liegen.
Becker trat denſelben entſchieden entgehen.
Einmal entbehrten ſie der Conſequenzen,
und dann fürchtete er, daß wenn dieſe ſo-
cialen Fragen ins Volk geſchleudert würden,
ſie die Arbeiter von der augenblicklich wich
tigern politiſchen der Erhaltung der Voͤlko-
ſouveraͤnetat, ablenken würden. Marr ge-
ſtand ihm, daß die Veröffentlichung jener
Sätze nichts Anderes bezwect hätte, als
den hohlen Phraſen in Weitlings Manifeſt
der communiſtiſchen Partei etwas Subſtaͤn—
tielleres entgegen zu ftellen. Aber auch Marr
Maͤnifeſt: „das heutige Deulſchland!, ging
nach feiner Meinung von eiper ganz fal-
ſchen Vorausſetzung aus, welche die indu-
ſtriellen Verhaͤltniffe Englands mit denen
Deutſchlands verwechfelte, deſſen Induſtrte
eine ganz andere Geſchichte durchgemacht
habe namentlich unter Wilhelm von Ora-


und Schapper immer mehr, Damals be-
ſchäftigte ihn die Buͤrgerwehr fehr, da er
in ihr die beſte Sicherheit der freien Zu-
ſtände fand zfreilich aber in keiner Bürger-
wehr, wie die Kölner! Er bemühte ſich,
namentlich auch in ſeiner Compagnie, der
vierten deren Hauptmann ı er geworden,
eine kraͤftigere Geſtaltung zu erzielen, aber
ohne Erfolg! Die drohende Aufhebung der
Nationalverſammlung im September naͤherte

Becker war um fo geneigter einem Sichet-
heitsausſchuſſe Deizutreten, alg ihm Ddie
Bürgerwehr gar feine Gewähr für Erhal-
tung Der Freiheit bot, Er ward auf Ddem
Hranfenplag gewählt:; aber die Lage der
Sache änderte ſich plötzlich in Köln! Der
Chef der Bürgerwehr, v, Wiltgenftein, mar
in einer neuen Waͤhl duͤrchgefallen; auch
hatte das -27, Negiment, das damals et-
nen großen Haß auf fich geladen haͤtte,
zur grohen Befriedigung Ddie Stadt ver:
laſſen müffen. Dadurh war dem Sicherz
heitsausſchuß Volftändig ver Boden unter
den Füßen forfgenommen worden, und man
machte in der Sißung fogar den Vorſchlag,
ſich mit einem Witze zuruͤckzuziehen; jedoch
ging‘ man auf feinen Antrag. davon ab,
und vegetirte noch eine, Weile fort, Es
fand einige Zeit nachhet die Verſammlung
auf der Fülingerhaide fratt, Er hiett hiet
eine Rede, worin er allerdings die Auſtcht
ausſprach, daß, wenn ſich Preußen Deuiſch
land widerſetze, das deutſche Voͤlt mit
Deutſchland ſich Preußen widerſetzen müffe,
Was er in Betreff der ſocialiſtifchen Fra-
gen vorausgeſehen, traf ein, der Arbeiter-
verein erklärte ſich im December offen da-
hin, daß er mit politiſchen Fragen gar nichts
mehr zu thun haben wollte, Becker hielt
im demokratiſchen Verein Vorleſungen über
Staatsrecht. Die Rheiniſche Zeitung“ ging
einz ev Iteß, nachbem er vergeblich eine
Acliengeſellſchaft zur Bildung einer neuen
Zeitung zu gründen verfuchte, unterſtützt
von einigen Freunden die „Wefldeutiche“
auf ſeine Fauſt erſcheinen! Diefes zog ihın
eine fulminante Erflärung der Nedacteure
der „Rhein. Zeitung“ zu, deren man ſich
noch aus den Zeitungen erinnern wird. CS
teten nun die Ereigniſfe in Baden ein.
Lach denſelben war die Noth groß; in
Straßburg lagen allein 20 verwundete Köl
ner, die ſich allmählig in die Schweiz zo-
gen, Becker erließ eine Aufforderung, in
Folge deren 800 Thaler eingingen, die an
den Staats ſeeretär Luchs in Zürich und den
alten Profeſſor Bogt in Bern gefandt wur-
Dden, die unter den Augen der Schwetzer-
behörden Flüchtlingseomite's gebildet hatien.
Bald erfolgte auch von London aus ein
Nothruf, wo ſich unter Bauer und Schramm
ein Comite gebildet hatte. Eine aberma-
lige Aufforderung fand für daſſelbe ſtatt,
die aber nur cirea 41 Thlr. aufbrachte!
Da wandte ſich ein zweites Londoner Flücht-
lingscomite an {9n, deſſen Vorſtaͤnde ſon-
derbarer Weiſe die Namen Schramm (aus
Siriegau) und Bauer führten, Ddie aber,
wie eine nähere Unterfuchung ergab, trotz
der Namensverwandtſchaft andere Perſonen
waren. Dieſes Comite klagte vdarüber, daß
das erſte Comite die Gelder ausſchließlich
an Communiſten vertheile, Von nun an
beſchloß er, ſich ganz von dieſer Sammlung
zurüczusteben, und erließ, da der Sireif
ohnehin fhon in die Blätter gedrungen
war, deßhalb eine einfache Anzetge, woͤrin
er zugleich diejenigen, die noͤch Beiträge
geben wollten, an den Raufmann Brau-
bach verwies. Die Schweizer Flüchtliygs-
kaſſe dagegen hat noch einige Zeit fortber
ſtanden Er ſelbſt habe, um boshaften Ber-
dächtigungen auszuweichen, über die Kaͤffe
nje Buch noch Schlüſſel geführt, fondern
dieſes ſeinen Geranten überlaſſen! Wenn
man ihn nun beſchuldigen wollte, daß er
dieſe Gelder zu andern Zwecken entfremdet


That auf fene zurücdfallen, die ihn obhne
Beweis derſelben bezichtigten, Daͤß es eine
geheime Sefelfchatt. war, abneten längſt
Biele, und er mMußle es eher bemerken, alg
Andere! Die Redaction eines demokraͤtiſchen
Blattes wird..beirachtet, wie ein AdreG-
comptoir; Derfelben. ſtrömen Die Emiffäͤre


Adreſſen und Wohnungen zu erfragen, und
fo ſei denn audy fein Redackionsbureau


bald das Merept zum allgemeinen Heil der
Menfchheit in der Tafhe trugen bald mit
einer fauſtgroßen Hoͤllenmaſchine ganıe RNez
gimenter in die Luft ſprengen wollten, und
von ähnlichen Profecten maͤncherlei, die ihn
genugfam gelangweilt hätten, Unter denen,
die ihn in dieſer Weife aufgeſucht haͤtten,
ſei einex der Berftändigen Schurz geweſen;
aber wie alle Flüchtlinge ſich über die Lage
im Lande falſche Vorſtellungen machten, u.
ſich ſüßen Täuſchungen hingaben, fo aͤuch
er. Um ihm darüber die Augen zu öffnen,
habe er ihn zu einem Demokratencongreß
geladen, der am 15 Junt 1856 in Braun-
ſchweig ſtattfand. Schurz ſei darauf naͤch
der Schweiz zurückgereiſt, um die angege-
bene Zeit wieder nach Koͤln gekommen und
wit ihm nach Braunſchweig auf den Con-
greß gegangen, wo ihm die Sachlage Har
geworden ſei. Er für ſeine Perſon habe
ſich ſtels gegen geheime Verbindungen er-
kärt, ſie wükten nur intenfiv, nie exienfid.
Dieſes habe ſich ſowohl in Italien als auch
in Deutfchland mit den früheren Demago?
genverbindungen ergeben, welche letztere
1838 noch auf dem Standpunkte von 1818
geſtanden, und ſo unwillkührlich die Reihen
der Reaction vermehren mußten. Zudem
aber könne ein Zeitungsredacteur feiner
Stellung nach in keine geheime Verbindung
treten, Da er damit aile Selbſtſtändigkei
opfern müſſe und zu einem bloßen Secre-
tär der Verhindung herabſänke. Er aber
düxfe ſich rühmen, ſteis auf eigenen Beinen
geſtaxden zu haben! In den erſten Tagen
des November 1850 empfing er von Wil-
Ich, ein Glückwunſchſchreibei wegen ſeiner
Freiſprechung. Als er darauf antwortete;
empfing er einen zweiten Brief von dem-
ſelben, dex ihn in nicht geringen Schrecken
verſetzte. Es war ein vollſtändiger Schlacht-
plan, in Deutſchland einzurücken, ein Paar
Feſtungen zu nehmen und die Reaction aus
Furopa hinaus zu treiben! So toll der


vdoch aus der beigefügten Bemerkung, er
Willich) werde in einigen Tagen in Köln
ein, befürchtet, beabſichtige in Köln einen
Vutfch, und den zu hintertreiben, habener
Nachforſchungen angeſtellt, die in Köln ohne
Erfolg blieben. Er ſchrieb nun deßhalb an
Varr Dieſer antwortete, ſchrieb über die
Spaltungen, die ſtattgefunden hatten, und
erbat ſich Willichs Brief, als Waffe gegen
denſelben. Er (Gecker) kam dem aber. nicht
nach. Kurz darauf käm Schimmelpfenning
im Auftrag Willichs zu ihın, dem er er-
klärte, daß er nichts mit Willich zu thun
haben wollte. Schimmelpfenning erzählte
ihm, daß Willich jetzt ſelbſt nicht mehr an
den abenteuerlichen Zug denke, überhaupt
nicht mehr vereinzelt handle. Schimmel-
pfenning unterrichtete ihn von der Sache
überhaupt und von der neuen ECentralbe⸗—
hörde, für die er in Norddeutſchland Ver-
bindungen anknüpfen wolle. Er (Beder)
 
Annotationen