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gerade ſo vertrauf,-wie der Mantt im Monde.
Aber der „tolle Srländer“ weiß ftch überall zu
helfen; dort trifft er einen Hofarzt, Deffen ge-
ſchwaͤtztger Eiteikelt er die intereſſanteſten Ge-
hHeimniffe entlockt; da ſtöbert er einen ſpaniſchen
Agenten auf, der ihn in ein vaar Stunden
au courant ſetzt, ſo daß er über die Zuſtände
Italiens flott wegorakelt; anderswo gibt er ſich
für einen NMeffen O’Connel8 au8, um ein
Bequemes MNachtlager zu gewinnen und ſich
die Strapazen des Correfponvdenten-Lebens8 zu
verfüßen. Von militatriſchen Kenntniffen hatte
er nicht die Spur, voch ſchrieb er aus dem
fardiniſchen Xager lange yragmatifche Abhand-
luͤngen über die Kriegs= DOperationen beider
Theile und verſichette mit der Autoritäts-
Miene eine8 Feldzeugmeifter8, daß Nadebky
geſchlagen werden müffe. Zufällig trrte er ſich.
Aber haben nicht Julius Cäfar, Itapoleon und
Radowitz ſich mandımal auch geirtt? Das eden,
gibt er zu verfiehen, iſt die Kunft, So muß
man’s machen! Ein Pfifteus muß man ſein und
das Handwerk verſtehen; ein Lebemann und
Don Iuan, der den Klüngel verſteht, iſt mehr
werth al8 ein Gelehrter, den jede Terra inCoS-
nita gleich aug der Faſſung bringt. Das
Buͤch iſt jedenfalls eine ergötzliche und lehr-
reichẽ Lecture. Daß die Time8 das einzige
Sournal ift, welches die Memolren ihres ehe-
moligen Gefandten noch nicht beſprochen hat,
begreift ſich-

Die Tigergefechte auf der Inſel Java.
. (Sehluß.)

Der Kampf ift unausgeſetzt von dem Tone
der befchieunigten Schläge des Gamelan beglei-
tet, zwiſchen welchen die Acelamationen der
Zuſchaͤuer! bel jedem Angriffe der Tbiere ſich
erneuernd, erſchallen! Beim Schluſſe des Schau-
ſpiels wird das Zeichen zur NRuhe gegeben. —
Der Kaifer hatte mit dem Reſtbenten von fet-
nenı Throue in einiger Entfernung dem Spiele
zugefehen, e8 war dazwiſchen ein langer freier
Raum, deſſen Seiten die Reihen dex Lure-
päer bildeten. Iebt fetzte man ſich auf Stühle
nieder , und der Reichsderweſer und erſter. Mi-
niſter Pangerang Adipati, ſchreitet zwiſchen
den Reihen vor, um Ddie ferneren Befehle Sr.
Hoheit zu vernehmen. Der Reichoͤverweſer-
aͤn etmag beleibter Greis von ehrwürdigem
Neußeren, mit langen grauen Haaren, in java-
nifcher reicher Nleidung, mit dem Fleinen, wei-
fen, cylindrifhen Käppdhen, welches ein Zeir
Hen hoher Würde am Hofe {ft, wirft ſich
ſchon in der Entfernung von 25 Schritten auf
den unbedeckten Sandboden nieder, bringt ſeine
zuſammengefalteten Hände zum geneigten Vor-
haupte und begrüßt ſeinen Herrn. Auf dem
Boden fitzend rutfht er fünf Schritte voran,
madht von Neuem denſelben Gruß (Sembah
genannt)! kriecht odet rutſcht wieder einige
Schritte weiter vorwärts, und endlich, nach der
Hritten Wiederholung derfelben Ceremonie, bleibt
er 15 Schritte, die er nicht überfchreiten darf
vot feinem Herrfher demüthig auf dem Boden
ſitzen! Die lautloſeſte Stille iſt allgemein, der
Katfer ſitzt unbeweglich auf ſeinem Throne.
Der Reichsverwefer ſtaͤttet mit heiſerer Stimme
ſeinen Bericht ab. Bet ‘ jedem auch noch ſo
kuͤrzen Satze der Rede bringt er zum Neuen
Sembah feine Hände zum Vorhaupte, welches
er fo lange niedergebogen hült, bis der Kaiſer
feine Befehle ertheilt hat. Dieſes geſchleht mit
feierlicher Stimme und in wenigen Worten.
Eben fo antwoͤrtet der Reichsverweſer unter
ſtets fich wiederholenden Sembah’8. Der Be-
fehl ift zu einem Kampffpiele anderer Art ge-
geben. Kriechend und langſam rutſchend ent-
fernt ſich der ReihsSverwefer. ——

‘“Der Sufuhunan erhebt ſich, ſchreitet mit
dem Refidenten zur Linken, Arın in Arm, vorz
aus. Alle ſeine Bewegungen geſchehen mit

s

bedächtiger Langfamkeit, und feterlich wird ihm
von Dder Weiberfchaar der Staatsſeſſel wieder
nachgetragen. Der Zug geht auf eine kleine
Bühne mit-einer balconartigen Erhöhung. So
viel Curcpäer, als dort Platz finden, folgen
hinauf und ſtehen zwiſchen den Weibern, welche.
mit ihren Spucknaͤpfchen und Beteldoſen von
der kaiſerlichen Perfon ganz uͤnzertrennlich
jind. Die Weiber, zu Duͤtzenden hinter dem
Seffel ihres Herrn, Dit untermengt mit Offt
cieren und DBeamten in Uniform, gewähren
einen ſeltſamen Anblick.

Alle Mauern ſind mit Zuſchauern beſetzt,
felbſt die Aeſte der umberfiehenden Bäume tra-
gen folche lebendige Früchte. Der ganze Platz
wimmelt von Menſchen.! Unweit des kaiſer-


trägern in drei⸗ oder vierfachen Reihen geformt
Der innere Raum desſelben ‚ ifk,300 Fuß lang
und halb fo breit. Die innerſte Reihe der
Lanzenmänner hält die Lanzen Horizontal, vor
ſich hin, die zweite ſchräg, die äußerſte in die
Höhe gerichtet.

Sn der Mitte dieſes Carre’8 ſteht in regel-
mäßigen Abſtänden von einander eine Anzabl
hölzerner Kaftzn, jeder etwa S Fuß lang und
mit der viereckigen Frontfeite dem Anblicke des
Raifer8 zugefehrt. Sie gleihen javanifhen
Saͤrgen und enthalien jeder einen lebendigen
Tiger.

Zwei feftlich gekleidete Beamte nähern ſtch
vem Balcon, Fnieen nieder und machen ihren
Gruß; ein Wink des Herrfiher8 erfolgt, ſie
erheben fih wieder unter neuem Sembah und
entfernen ſich in feierlich gemeffenen Schritten.
Das Carte öffnet ſich vor ihnen und ſchließt
ſie ein, Sie gehen zu vdem erften Tigerkaften,
häufen Stroh, Reiſtg und trockenes Holz an
deſſen Hinterſelte auf und entzünden Diefes,
Einer ſtelgt auf den Kaften, vdurchfHneidet die
Stricfe, momit der Schieber deffelben geſchloſſen
mwar, zieht dann den Schleber felbjt, Den er
noch einmal Flappernd auf und ab Dewegt,
hebt ihn heraus und wirft ihn weit von ſich
weg. Alles dies geſchieht mit einer taetmäßigen
Feterlichkeit. Er ſteigt nun von dem Kaſten
ſerab, ſchlägt die Beine unter und bringt dem
Kaiſer mit erhobenen Händen abermals ein
Sembah.

Alle Blicke ſind auf die Oeffnung des Ka-
ſtens gerichtet, die Spannung wächſt/ je höbet
das Feuet hinter demſelben auflodert. Der
Beamte entfernt ſich in einem felerlichen Na-
tional:Tanz, wozu Die Schläge der Gamelan-
Muſik die Begleitung abgeben. Das Feuer
lodert noch höher auf, die beiden Beamten haben
das Carre erreicht. Auf einmal erblickt man
in der dunklen Seffnung des Kaſtens — den
Tiger; er ſchnaubt hervor. Die Schlaͤge des
Sameları verdoppeln ſich! Der Tiger — e8
ſſt ein Koͤnigstiger — Nnicht fo boͤch, aber
wohl ſo lang wie ein Büffel! Das prachtyoll
Thier gleichfam ſtolz auf ſein ſchön gelbes,
mit Streifen geziertes Kleid, ſteht ſich ſtumm
tings um, blickt furchtlos auf die nach allen
Seilen hin in dreifachen Reihen ihm entgegen-
geſtreckten Lanzenſpitzen. Der Tiger fHreitef


nieder. Die loͤdernden Flammen ſeines Kaſtens
fümmern in wenig er ſcheint nachdenkend
und einen Entfchluß faſſen zu wollen! Endlid
richtet er ſich auf, ſchreitet langſam nach einer
Seite des Carr6’8, ruhig den Zanzenwald be:
fradtend, Sr findet keinen Ausmweg, er wendet
ſich nach der anderen Seite, aber auch hier
treten zahlreiche Lanzenſpitzen ihm entgegen.
Die Verzweiflung ſcheint ihn zu ergreifen , er
ſtoͤßt einen kutzen dumpfen Laut aus — und
läuft im Galopb die Reihen entlang, verſuchend,
in einer fchraͤgen Richtung ſie zu durchbrechen.
Ueberall indeß, mo er ſich den Reihen nähert,
fenken ſich ein Dutzend Lanzen zuhleich ihm
entgegen und zwingen ihn zum Zuͤruͤckweichen.

Er macht dleſelbe Beſtrebung an einer anderen
Seite, muß aber auch hier zurückweichen, und
ſo feßt ev ſeinen Kaͤtzen⸗ Galopp in Schlangen-
linien fort, bis er euͤdlich von Wuͤth angefacht,
ſeinen letzten Verfuch wagt, den Sprung in
die Reihen der Lanzenträger. Aber von den
Lanzen aufgefangen, taumelt er zurück, über-
vollt ſich ein paar Mal, ſpringt wieder auf,
läuft einige Schritte weiter, erhält neue Lan-
zenftiche und faͤllt enolich auf den Sand nieder-
Es vrängen ſich dann- Schaaren von Lanzen-
trägern an ihn heran und fenken da8 tödiliche
Cijen in den Körper des Föniglihen Thieres.

Sas Spiel wird durch das Oeffaen mehrerer
Kaſten miederholt, und alle Schlachtopfer er-
liegen demſelben Schickſale. Die Thiere gebere
den ſich dabet in verſchiedener Weife; manche
ſetzen ſich gleich in Galopp und laufen mit
einem Sage in die Lanzenhaufen. E {f dies
vorzuͤglich eine Eigenthümlichkeit der gefleckten
Tiger (Panther) und der jüngeren Individuen,
Die nieiſten Thiere fehen fih bedachtig um
und wagen den Salto Mortale erft nach langem
Zögern‘; ſelbſt manche verfuchen wieder in den
Raſten zurüc zu Friechen, obgleid derſelbe fıhon
in Flammen ſteht; andere legen ſich auf dem
Platze nieder und Gezeigen Feine Luft, fo bald
wieder aufzuftehen. Für Diefen Fall ſtihen
zwei große aus Bambuß- geflochtene Körbe;
kleinen Hütten ähnlich, auf dem Plage. Einige
Javanen verbergen ſich Ddarunter, Und unter


liegenden Thiere und nöthigen dasſelbe durch
Stiche mit fpitzen Stäben zum Aufftehen. Nach-
dem vier bis fünf Tiger aus ihren Naften ges
trieben und geopfert worden jind, fteht gewöhn-
lich die heißbrennende Sonne ſchon im Zenith
und führt, nöthigend durch ihre Gluth den
Schluß des Schauſpiels herbei-

Bun t e s.

‚ SIn einer am 28. Nov. in Peftbh abgehalte-
nen General= Verfammlung der Mitglieder des -
Kunftvereing wurde definitib die Einrichtung einer
permanenten Kunſtausfiellung für Peßh befchloffen.

‚. Selten hat ein deutfdes Werk im In- und
Ausfande der wiffenſchaftlichen und culturhiſtoriſchen
Entwicfung der Zeitgenoffen einen fo gewaltigen
Anftoß gegeben, wie Alerander von D ums
boldts Kogmos, diefer unvergängliche Schmuͤck
für den Verfaſſer und das Land, das ihn wenig-
flen vorzugsweife, einen feiner größien Söhne
nennen darf. Vom Kosmos find feßt bereits vier-
zehn ueberfetzungen in fremde Sprachen erfchienen,
darunter ier englifche. Der vierte Band des Ort
ginal-Werkes wird demnächſt erſcheinen.

‚ Um 4, Dez. hat Hamburg fein altes, mi*
litäriſch organifirtes NMahtiwädhter=CorpS ver-
loren, wag dort für ein „Sreigniß“ gilt. Die
Hamburger Raͤchtwächter Waren in gewiffer Be-
ziehung die von allen übermüthigen Geſellen Ge-
neckten und Gefoppten.‘ Vlet dazu beitragen mocdhte
gerade ihre militärifhe Organifation. Die neu
organifirten „Nacht= und Polizeiwächter“ , wie die
Nachfolger der alten Nachtwächter heißen, nehmen
fich etwas fattlicher aus, weil ſie nur im bürgerkichen
blauen Nok mit Waffentnöpfen, mit Säbel und
Stoc beiwaffnet einherfchreiten. Die große Raffel
ift abgefchafft, eben fo das nußloje Abrufen der
Stunden. Um augbrechende Feuersbrünfte der ſchla-
fenden Bevölkerung anzuzeigen, hat man der NeLEN
Nachtwache Signalhörner gegeben , deren dreima-
liches Ertönen, verbunden mit dreimaligem laufem
Feuerruf, das einfache, aber jedenfalls wirkſame
Feuerfianal von jeßt an buͤdet! Das ganze, aus


Wächtern und 280 Wächtern beſtehende Corps iſt
dem volizeiherrn unterſtelt,

‚. in Serr, der kürzlich Gelegenheit hatte, Na-
yoleon IM ganz nahe zu fehen, ſchildexte uns ſeine
Phyflognomie wie folgt; Der Kopf feht in, einer
richtigen Proportion zur ganzen d Fuß 4 300 hohen
Geftalt 3 die Nafe gerade und lang, Ddie Augen
flein, gra und obdne Schimmer; die knochigen
Wirbel des Antlitzes ſtark hervorſtechendz DEr
Mund angenehn, und mit einem ſchwarzen ScnUrt«
barte befchattetz dag Rinn breitz daͤs Kopfdanr
ſchwarz und kuͤrz geſchoren. ;

Redigirt unter Verantwortlichkeit von ®. Neidhard.

Druck und Verlag von G Re ich ard.
 
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