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Heidelbergische Jahrbücher der Literatur — 1.1808 (Abtheilung 5: Philologie, Historie, schöne Literatur und Kunst)

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Creuzer, Friedrich: Philologie und Mythologie in ihrem Stufengang und gegenseitigen Verhalten
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https://doi.org/10.11588/diglit.30036#0027
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in ihrem Stufengang und gegenſ. Verhalten. 19

jetzt, und werden ihr immer als wahrhaftes Verdienſt bleiben.
Aber gleichwohl iſt ſie gerade auf dieſem Gebiete den groͤßeſten
Verirrungen dahingegeben. In zwiefacher Beziehung iſt die
jetzige Philologie der Theologie des heidniſchen Alterthums
hinderlich und zum Theil verderblich. Einmal, von dem
Standpuncte betrachtet, den ſie ſich ſelbſt gewaͤhlt, durch
Laͤßigkeit im Gebrauch der Bildnerey, als Hauptquelle des
mythologiſchen Studiums. Die Lehren des in das Weſen
alter Kunſt eingeweihten Winkelmanns tragen noch nicht
die Fruͤchte, die man haͤtte erwarten duͤrfen, und in den
mythologiſchen Exoͤrterungen gar vieler Philologen erſcheinet
die Kunſt kaum als eine in der Ferne nachfolgende dienende
Magd der Mythik. — Jedoch was iſt aller mythologiſche
Gebrauch der zahlreichſten Bilderſchaar ohne die Einheit
wuͤrdiger Abſicht! Bilder, mit geſchaͤftigem Fleiß aufgefriſcht,
und mit beredtſamer Gelehrtheit in buntem Wechſel erklaͤret
und gedeutet, gehoͤren dem Jahrmarkt an, wo nicht das
Ganze, ſondern das Einzelne die Blicke der unverſtaͤndigen
Menge reitzt, und eben ſo wechſelnd jetzt dieſen, jetzt einen
andern Liebhaber lockt. In der Wiſſenſchaft ſtehe der Bilder—⸗
kreis der Vorwelt ſtill und groß, wie in der Umſchließung
Eines Tempels. In dem Hintergrunde wuͤrdiger Gedanken
ordne ſich das Einzelne, ein jedes an ſeiner Stelle, und uͤber
dem Ganzen ſchließe ſich, wie die Kuppel unter dem Gewoͤlbe
des Himmels, die Vielheit der Anſichten in der Einheit einer
heiligen Betrachtung.

Dieſes ideenloſe Weſen zeigt ſich nicht minder in der
Einſeitigkeit, womit man hier und da das Einzelne zum
Allgemeinen erheben will, indem man nur claſſiſche Poeten,
und dazu τὰν oon einer gewiffen Art, als Zeugen für das
Alterthum der Mythen gelten (äffet, von allen anderen
aber, alg wären fie gar nicht da, ſtarrſinnig abſtrahirt.

Dieſer negative Geiſt, deſſen Wirkungen ſich auch auf
dem Gebiete der geſammten Theologie zeigen, iſt in ſeinem
Urſprung eben ſo allgemein, als in ſeinen Folgen. Er trifft
 
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