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Ihering: Geist des römischen Rechts.

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zu lassenden sittlichen Bezügen getrennt, und in dem Privatrechte
ein Abstractum geschaffen habe, welches jedes Volk, auch das den
Römern durchaus unähnliche, sich „zu Nutze machen“ könne und
solle. Das Absolute aber, welches es an sich trage, liege nicht in
der historischen Form, in welcher das Privatrecht zur Welt gekom-
men, sondern in seiner Natur als Machtverhältniss, wobei das Maass
und die Ausdehnung der Macht gleichgültig sei. Es sei aber nicht
genug, dass es gefunden sei, sondern es müsse auch fortgesetzt
vertheidigt werden, weil die juristische Auffassung, wenn sie gegen
die Gestaltung der Verhältnisse, welche das Leben ihnen gebe,
nicht auf der Ilut sei, „leicht in Gefahr“ komme, „die Wirklich-
keit Q1!) und Sitte mit dem Recht zu verwechseln, wie die vul-
gäre Auffassung es tliut“. Das abstracte Freiheitssystem, bereits
im Anfänge der römischen Rechtsgeschichte vorhanden, habe sich
Jahrhunderte lang aufrecht erhalten, obgleich die „factische Erschei-
nung desselben in der Sitte“ eine völlig andere gewesen, indem
die abstracte Auffassung in der practischen Gestaltung der verschie-
denen Gewalten des öffentlichen und des Privatrechts nur etwas
Factisches erblickt. Allein die autonomische Bewegung des Ver-
mögensverkehrs habe einen Einfluss auf das Recht geäussert, indem
die Formulare zu Rechtsgeschäften, die in Uebung gewesen, die
Wurzel des dispositiven Rechts der spätem Periode geworden.
Neben jener universalhistorischen Bedeutung des zum Machtverhält-
niss gestalteten römischen Privatrechts, als einer der Aneignung
aller Völker dargebotenen Errungenschaft, habe es auf die römischen
Zustände den Einfluss geübt, eine männliche Selbständigkeit des
Einzelnen und den Stolz und das Gefühl der Würde eines römi-
schen Bürgers zu erhalten.
Es kann hier zunächst dahin gestellt bleiben, dass jene Rück-
wirkung eines von dem Leben der Römer abgeschiedenen Abstrac-
tum auf die Anschauungsweise der Römer von ihrem Zustande eine
blosse Behauptung geblieben, und es eben so wenig nachgewiesen
ist, dass die Subjectivität des subjectiven Rechts eben diesem Ab-
stractum eigenthümlich sei, wenn auch die Sicherung des Subjects
gegen Vernichtung durch seine eigne Willkühr diesem Abstractum
eigenthümlich ist; eine Sicherung, die jedenfalls eine Beschrän-
kung der Autonomie ist, welche durch die Subjectivität selber nie
erzeugt werden kann. Wie dies zur gesammten Entwickelung passt,
wird weiterhin zu bemerken sein. — Es kann ferner auch davon
abgesehen werden, ob man nicht dem Verf. mehr in den Mund
legt, als er sagen will, wenn man seine Empfehlung der Verth eidi-
gung jenes Abstractum gegen die Verwechslung von Wirklichkeit
und Sitte mit dem Rechte als eine Aufforderung betrachtet, der
durch die Gestaltung des gesellschaftlichen Zustandes hervorgerufe-
nen Rechtsgestaltung die Anerkennung zu versagen. Es braucht
das hier nur hervorgehoben zu werden, weil es die bureaukratische
Perspective signalisirt, die jener Rechtsgestaltung die Anerkennung
 
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