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Heidelberger Jahrbücher der Literatur — 55,2.1862

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Nr. 41
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https://doi.org/10.11588/diglit.44544#0165
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Rosshirt: Manuale juris canonici.

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In dieser unserer Arbeit, sowie in den andern auch der crimi-
nalistischen war uns Nichts nüzlicher, als das gründliche Studium
des römischen Rechts: und ich erkenne dankbar in meinen
alten Tagen, wieviel ich dieser Wissenschaft verdanke, zu der mich
mein erfahrener Lehrer Glück vor mehr als 50 Jahren hinführte.,
der freilich mehr Romanist als Canonist war. Ich schreibe dieses
jetzt, wo ich unter seiner Protection vor 50 Jahren Doctor wurde.
Aber was haben gerade im römischen Rechte diese 50 Jahre geleistet?
Dagegen blieb gerade in dieser Zeit das canonische Recht
zurück. In Deutschland war die Verachtung des canonischen Rechts
so gross, dass man es als zweite Quelle unserer Gesammtrechts-
bildung nur dem Namen nach nannte, und um es gänzlich seiner
Bedeutung zu entkleiden, die neuesten Schriftsteller wie Savigny,
Puchta, Böcking es dem weltlichen Recht ganz entrückten, und neben
dem öffentlichen und Privatrecht eine ganz unabhängige Wissen-
schaft unter dem Namen „Kirchenrecht“ bildeten. Und dieses führte
sogar soweit, dass man, wie Scheuri, ein vom katholichen Kir-
chenrecht vollkommen losgerissenes protestantisches Kirchenrecht
construiren wollte. Hier bleibt dann Nichts übrig, als die Ver-
fassung der protestantischen Kirche und Etwas vom Eherecht.
Gleich wohl kann auch Scheuri den Werth des canonischen Rechts
selbst für evangelische Geistliche nicht verkennen, wie er dieses
in einem eigenen Werke, Erlangen 1861, darstellte.
Natürlich hat unsere Arbeit einen ganz andern Zweck. Das
Mittelalter besteht nicht blos für sich, sondern ist das Piedestal der
neuen Welt. Wir gehören nicht zu denen, welche das Gute der
neuen Zeit zur Seite schieben, aber berechtigt sind wir zu dem
Tadel, wornach moderne Philosophen und Historiker nichts vom
Mittelalter wissen wollen , und noch mehr berechtigt zur Verur-
theilung der Rechtsgelehrten, die Alles dasjenige, was dem Chri-
stenthum, den christlichen Sitten und dem canonischen Recht ge-
hört, diesem entfremden, und den unstäten Ausdruck „romanisch“
gebrauchen wollen. Das canonische Recht ist eigentlich im Mittel-
alter das einzige gemeine Recht, und- brauchte in Deutschland,
nicht wie das Justinianische, recipirt zu werden. Was die Refor-
mation in dogmatisch-historischerPIinsicht daran geändert hat, ge-
hört nicht hieher. Von diesem Standpunkte hat nun das canonische
Recht eine eigene Sprachtechnik gegründet, die viel reiner in
das öffentlich-bürgerliche Leben übergegangen ist, wie die Sprach-
technik des römischen Rechts. Diese letzte kennt nur der Stand
der Juristen; die des canonischen Rechts aber ist in das Volk über-
gegangen, wie das Christenthum selbst.
Wenn unser Werk in unsrer Zeit, die in jedei’ Hinsicht eine
Durchgangsperiode ist, die Anerkennung nicht finden sollte, die wir
wünschen, so leben wir der Hoffnung, es werde doch nicht ver-
gessen werden.
Gerne sind auch wir bereit, denjenigen Gelehrten auch junge-
 
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