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Nr. 45. HEIDELBERGER 1867.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Konrad der Zweite. Historisches Schauspiel in sechs Handlungen von
Albert Dulk. Leipzig. F. A. Brockhaus. 1867. Erster Theil
156 S. Zweiter Theil 184 S. 8.
Die deutsche Geschichte ist reich an grossen Charakteren und
bietet in den politischen und kirchlichen Conflicten feindselig ein-
ander entgegenwirkender Mächte mannigfachen Stoff zu dramati-
scher Bearbeitung. Die Ziele einer wahrhaft volksthümlichen Ent-
wickelung sind die Einheit und Freiheit. Aber schon diese
beiden höchsten Güter der Nation stehen vielfach zu einander im
feindlichen Gegensätze. Die Einheit beeinträchtigt die Freiheit und
die Freiheit steht häufig hindernd der Einheit im Wege. Das
deutsche Volk ist ein Freiheit liebendes; aber es ist auch nur dann
ein Volk im wahren Sinne des Wortes, wenn es ein einheitliches
ganzes Volk ist. Nirgends zeigt sich dieser Kampf entsehiedener, als
in der deutschen Geschichte. Das heilige römische Reich deutscher
Nation, von Otto dem Grossen wieder hergestellt, umfasst die deut-
schen Fürstenthümer und viele ausserdeutschen Lande. Die Son-
dergelüste der bevorrechteten Stände, der kleinen deutschen Für-
sten, des deutschen Adels und der deutschen Geistlichkeit streben
nach möglichster Unabhängigkeit und schmälern dadurch das ein-
heitliche, im deutschen König und römischen Kaiser alle verknüpfende
Baud. Es ist nicht die wahre Freiheit, wie sie sein sollte,
um die es sich hier handelt, es ist das Lostrennen vom Ganzen
auf Kosten der einheitlichen Entwickelung des Ganzen, die Kasten-
willkür auf Kosten der wahren Freiheit. Die bessern deutschen
Könige haben diesem Sondertreiben durch ihr Festhalten an der
Idee der Einheit des Reiches und durch die Verwirklichung alles
dessen, was diese Idee förderte, entgegengearbeitet. Erst später kam
die bürgerliche Freiheit zu den die Reichseinheit gefährdenden
Adels- und Geistlichkeitsbestrebungen hinzu, und mit der indivi-
duellen Freiheit, einem Resultate der politischen Entwicklung unse-
rer Zeit, hat jenes Streben nach Freiheit einen vernünftiger An-
forderung entsprechenden Weg gefunden. Auch zur Einheit sind
mächtige Schritte vorwärts gethan, und das Ziel ist erreicht, wenn
mit möglichster individueller Freiheit die Einheit der Macht, des
Gesetzes, der über allen waltenden Staatsvernunft sich verbindet.
Wenige deutsche Könige haben, wie der erste Salier Konrad II.
(gewählt am 8. September 1024 gest. 4. Juni 1039), für Hebung
der einheitlichen, im deutschen König und römischen Kaiser ver-
einigten Macht des deutschen Reiches gewirkt. Weber zeichnet
LX. Jahrg. 9. Heft. 45
 
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