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Kiesel: Weltgeschichte. 2. Bd.

gebliche dieser Bemühungen, welche »dem Reiche das Leben fristen
sollten, damit es in allmähligem Verfall die Kraft zum Widerstand
gegen die neue Weltordnung verliere und die Kraft zur Ueberlieferung
seiner Civilisation bewahre. Der Verfall entscheidet sich, sobald
das Reich, die von dem Chsistenthum gemachten Fortschritte ge-
wahrend, sich gegen dieses, als seinen Feind zur Wehre setzt. Ein
nie erlebtes Schauspiel, den Anbruch einer neuen Zeit in wunder-
barer Weise bezeugend, eröffnet sich ein Kampf, in welchem der
Duldende siegt. Das grösste Reich, das je bestanden, mit geord-
neten Mitteln der Gewalt, wie keines ausgestattet, bricht zusam-
men unter den Schlägen, die es auf den in seinem Innern erstan-
denen wehrlosen Gegner führt. Aus dem Blute der zur Rettung
des Heidenthums Geopferten steigt die christliche Kirche empor,
durch die Art ihres Entstehens für alle Zeiten der Geschichte Zeug-
niss davon gebend, was der Menschen Meinung gegen Gottes Willen,
was die Gewalt gegen die Wahrheit vermag.«
In diesem Sinne nun wendet sich der Verf. an die Darstel-
lung des Einzelnen, indem er in dem nächsten Abschnitt die Ge-
schichte des römischen Reiches unter den Imperatoren bis zu den
Anfängen germanischer Herrschaft in Italien durchführt, am Schlüsse
auch das Verhältniss der Kirche zu der Staatsgewalt, so wie die
kirchliche Verfassung selbst zur Zeit des Untergangs des west-
lichen Reiches bespricht, um dann in dem folgenden dritten Ab-
schnitt das oströmische Reich bis gegen Ende des achten Jahr-
hunderts, die Ostgothen und die Longobarden zu schildern. Der
vierte Abschnitt hat die Geschichte der Araber bis zu dem oben
bemerkten Zeiträume, so wie die der Westgothen zum Gegenstand,
der fünfte das fränkische Reich bis auf Karl den Grossen. Diesen
und seinen Nachfolgern ist der sechste Abschnitt gewidmet, wel-
cher die Aufschrift trägt: das karolingische Reich. Die Bedeutung
Karls des Grossen und seiner grossartigen Schöpfung, seine Ver-
dienste um Staat und Kirche, seine Gesetzgebung und Verwaltung,
seine Sorge für geistige Bildung, für Unterricht und Wissenschaft,
wird, wie sich kaum anders erwarten lässt, in gebührender Weise
hervorgehoben und im Einzelnen dargelegt. Man vgl. z. B. nur
S. 187 ff. wie das Ergebniss der Kriege Karls des Grossen darge-
stellt wird und wie seine auf diese Weise gemachten Eroberungen
als solche betrachtet werden, welche die menschliche Kultur ge-
macht, wie das Schwert, mit dem sie gemacht worden, überall
im Dienste der höchsten Macht, deren Geltung die allein sichere
Gewähr wahrer Cultur ist, des Christenthums, gestanden u. s. w.,
so dass das neue, durch Karl den Grossen geschaffene Reich wesent-
lich ein christliches Reich geworden. Durch die Erneuerung des
weströmischen Kaiserthums ward Karl zum Nachfolger der alten
Imperatoren und Auguste erklärt, aber zu einem Nachfolger, dem
die inzwischen durch das Christenthum bewirkten Veränderungen
neue Rechte und Pflichten zutheilten. In welchem Sinn diess zu
 
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