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Heidelberger Jahrbücher der Literatur — 62,2.1869

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Nr. 49
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https://doi.org/10.11588/diglit.51354#0303
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Milow: Ein Lied der Menschheit. 783
So bist du zum grossen Circus geworden,
Drin deine Tyrannen sich weiden am Morden.
Die Völkerwanderung beginnt, die Zertrümmerung des west-
römischen Kaiserreichs folgte, und wir werden auf das in Palästina
beginnende Christenthum und auf die erhabene Person des Jesus
von Nazareth hingewiesen.
Welch’ eine Gestalt,
Voll tiefer Gewalt.
Die Dornenkron’ im Haar,
Vom Kreuz der Schmerzen beschwert,
Und doch —wie wunderbar,
Von himmlichem Frieden verklärt!
Aus Nazareth ging still er aus,
Abseits vom lauten Weltgebraus;
Doch, wer ihm in das Auge sieht,
Dem bebt sein Tiefstes ahnungsvoll,
Und, wenn er spricht, allmächtig zieht
Das Wort, das seinem Mund entquoll.
Da tritt Karl, der Franke, auf und schafft in der christlich
werdenden Welt neue Bildung und Sitte. Aber auch er, der grosse
Herrscher, zerfällt in Staub. Die Kreuzzüge werden geschildert,
Das Werk zerfällt; aber die Kraft verbleibt. Es folgen Mittelalter
und Uebergang zur Neuzeit, Entdeckung Amerika’s durch Columbus
und Erfindung der Buchdruckerkunst, die Wiedergeburt der klassi-
schen Literatur und die Reformation.
Dort hebt sich mahnend Luthers Gestalt!
Er ruft in’s Treiben, dass es schallt:
Brecht Pfaffen- und Tyrannentrutz
Und baut auf des Allmächt’gen Schutz.
Auch er, an allem Heil’gen irre,
Sank schon, verzweifelnd, im Gewirre,
Da hielt ihn aufrecht noch sein Herz
Und wies den Tröster ihm im Schmerz.
Er wurde stark in Kampf und Noth,
Und, wie einst für den Leib das Brot,
Erstritt er Gott sich für die Seele,
Dass er gen jede Macht ihn stähle.
Da naht der Kampf mit den Anhängern Loyola’s, wilder Streit
und endlich mit hereinbrechender Neuzeit der Drang nach dem
individuellen Recht, nach politischer Freiheit. Die französische
Revolution endet mit der Militärdiktatur Napoleons I., doch auch
bei ihm heisst es;
 
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