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Heidelberger Jahrbücher der Literatur — 62,2.1869

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https://doi.org/10.11588/diglit.51354#0306
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786

Hetzejl: Die Todesstrafe.

so dürfen nicht religiös-sittliche Argumente geltend gemacht wer-
den, und so überall. Sicher wird man auch in dem Uebersehen
dieses Punktes, und dem bisher so gewöhnlichen Durcheinander-
werfen und Vermengen der verschiedenen Standpunkte, von welchen
hierbei ausgegangen werden kann, den Grund erkennen dürfen,
wesshalb es bisher noch zu keiner allgemeinen Verständigung ge-
kommen ist. Als das Ergebniss der vorliegenden Darstellung tritt
die Gewissheit hervor, dass das endliche völlige Verschwinden
der Todesstrafe aus der Gesetzgebung nur noch eine Frage der
Zeit ist, indem deren Anwendung, wo sie nicht bereits ganz be-
seitigt ist, doch fortwährend auf immer wenigere Fälle eingeschränkt
wird, und die Zahl ihrer Vertheidiger in eben dem Masse ab-
nimmt, als die Zahl ihrer Gegner im Wachsen begriffen ist. Sehr
belehrend ist hierüber die chronologische Gegenüberstellung der
Vertheidiger und Gegner der Todesstrafe seit dem J. 1 726, welche
der Verf. S. 485 folg, gegeben hat, wobei ihm M. Hello, Notice,
representant par ordre chronologique la designation des personnes,
qui ont pris la part la plus notable au mouvement abolitioniste
de la peine de mort depuis le commencement de ce siede, in der
Revue de legislation et de jurisprudence, 1867, zum Vorbilde ge-
dient zu haben scheint. Mir insbesondere kann es nur zur beson-
deren Befriedigung gereichen, dass, nachdem ich mich schon im
J. 1839 gegen die Zweckmässigkeit und Zeitgemässheit der Todes-
strafe — abgesehen vom Kriegs- und Seerecht — ausgesprochen
hatte, endlich auch mein hochverehrter Lehrer, College und Freund,
der mit Recht hochgefeierte und unvergessliche Geh. Rath Mitter-
maier, sich vom Jahre 1848 an immer mehr der von mir vertre-
tenen Ansicht zugewandt, und endlich noch in seinen letzten Jahren
in einer besonderen Schrift (1862) sich mit Entschiedenheit auf
die Seite gestellt hat, welche die Todesstrafe vom culturgeschicht-
lichen Standpunkte aus bekämpft. Unter den legislativen Erschei-
nungen der neueren Zeit ist ohne Zweifel für uns in Deutschland
von höchstem Interesse die Abschaffung der Todesstrafe — (aus-
genommen, wo das Kriegsrecht sie vorschreibt oder das Seerecht
im Falle von Meutereien sie zulässt) — welche von der constitui-
renden deutschen Nationalversammlung in den vom Reichsverweser,
Erzherzog Johann, sanctionirten und als Gesetz publicirten Grund-
rechten der deutschen Nation vom 21. December 1848 beschlossen
worden war. Diese Bestimmung in den Grundrechten des deut-
schen Volkes ist zwar bei der Reaktion, welche in Folge
mehrfacher, mit dieser Frage übrigens durchaus nicht in innerem
Zusammenhänge stehender Missgriffe bei der in den Jahren 1848
und 1849 unternommenen Umgestaltung der- politischen Verfassung
Deutschlands wohl unvermeidlich eintreten musste, insbesondere
nach der Aufhebung der gesetzlichen Geltung der Grundrechte
durch einen Bundesbeschluss vom 23. August 1851, in den meisten
deutschen Staaten wieder äusser Wirksamkeit getreten. Es darf
 
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