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Hetzel: Die Todesstrafe,

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aber mit Sicherheit vorausgesagt werden, dass die Abschaffung der
Todesstrafe in der Art uud Weise, wie sie in den Grundrechten
ausgesprochen worden war, wieder als eine zeitgemässe nationale
Forderung auftauchen und zur bleibenden gesetzlichen Anerkennung
gelangen wird, so wie sich Deutschland in einer oder der anderen Weise
aus dem unfertigen Zustande, in welchen es durch die Ereignisse
des Jahres 1866 geworfen worden ist, herausgearbeitet haben wird,
uud die zur Zeit in den Hintergrund gedrängten Interessen der
individuellen Freiheit wieder zur Anerkennung ihrer Berechtigung
gelangen werden, was auf die Dauer nicht ausbleiben kann. Wie
wäre es auch nur denkbar, dass — abgesehen vorläufig von den
källen des Kriegs- und Seerechtes — die Todesstrafe nicht von
der kulturgeschichtlichen Entwickelung unserer Zeit ebenfalls aus-
gestossen werden sollte, nachdem dieselbe bereits nicht nur alle
verstümmelnden, sondern überhaupt alle Leibesstrafen bereits aus-
gestossen hat, und zwar mit einer solchen Entschiedenheit, dass
selbst der Gedanke an ihre Wiedereinführung in der Gesetzgebung
Deutschlands eine Unmöglichkeit geworden ist. Die Todesstrafe
für Verbrechen, welche ausserhalb der kriegs- und seerechtlichen
Verhältnisse begangen werden, beibehalten, während man die sämmt-
lichen Leibesstrafen als inhuman und unzweckmässig verwirft, heisst
nichts anderes, als die Nase oder die Ohren, die posteriora, die
Fusssohlen oder die Haut eines Menschen für heiliger und unver-
letzlicher erklären, als das Haupt; ein Widerspruch, der so grell
und schreiend ist, dass er sich unmöglich auf die Dauer behaupten
kann. Wenn wir an der vorliegenden Schrift noch etwas zu wün-
schen hätten, so wäre es eine eben so klare statistische Nachwei-
sung über die neueste Strafrechtspflege bezüglich der Todesstrafe,
als dieselbe durch die Gegenüberstellung der Gegner und Vertei-
diger derselben auf dem wissenschaftlichen Gebiete gegeben worden
ist. Es würde sich hieraus klar ergeben, dass die Todesstrafe selbst
in vielen jener Staaten, deren Gesetzgebung sie noch kennt, tat-
sächlich so gut wie abgeschafft ist und nur noch auf dem Papiere
steht. So z. B. ersieht man aus der neuerlich publicirten Ueber-
sicht der Strafrechtspflege im Grossherzogthum Baden während des
Jahres 1868, dass in den beiden (einzigen) Fällen, in welchen die
Todesstrafe von den Gerichten ausgesprochen worden war, dieselbe
nicht vollzogen worden ist, sondern eine Strafumwandlung statt-
gefunden hat. Nicht minder wäre es auch sehr erwünscht, dass
die Erfahrungen über den Rechtszustand, bez. über die Häufigkeit
der sog. todeswürdigen Verbrechen in jenen deutschen Staaten, in
welchen die Todesstrafe bereits aus der Gesetzgebung verschwunden
ist, mit den Erfahrungen in jenen Staaten zusammengestellt wür-
den , wo dieselbe noch gesetzlich besteht. Das Ergebniss einer
solchen Zusammenstellung würde völlig in’s Licht setzen, dass der
Rechtszustand in den erstgedachten Staaten mindestens kein schlech-
terer und die öffentliche Sicherheit keine geringere ist, als in den
letztgedachten Staaten. Zoepfl.
 
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