Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 43. HEIDELBERGER 1869.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Kant’s Werke von Hartenstein. VIII.

(Schluss.)
Der „dritte und neueste“ Weg, der über das Schicksal der Meta-
physik entscheiden muss, ist der „kritische“. Hier wird die Kritik
der reinen Vernunft selbst aufgestellt in Ansehung ihres Ver-
mögens, das menschliche Erkennen im Sinnlichen und üebersinn-
lichen zu erweitern. Sie will „den Umfang, den Inhalt und die
Grenzen“ des Erkennens bestimmen. Wenn die Kritik dieses in
Deutschland seit Leibniz und Wolff geleistet hat, so ist die „Auf-
gabe der königlichen Akademie der Wissenschaften aufgelöst“. So
wird in der Metaphysik ein dreifaches Stadium unterschieden, das
des Dogmatismus, des Skepticismus und des „Kriticismus der
reinen Vernunft“. Auf diese Einleitung folgt die Abhandlung Kant’s
selbst. Sie zerfällt in zwei Theile. Der erste stellt die neuerdings
geschehenen Schritte zur Metaphysik, den neuern Zustand dei’
Transcendentalphilosophie, der zweite die Fortschritte der Meta-
physik im Felde der Vernunft oder die eigentliche Metaphysik dar
(S. 525 — 592). In der eigentlichen Auflösung der akademischen
Aufgabe beantwortet Kant die Frage: Was für Fortschritte
kann die Metaphysik in Ansehung des Ueber sinn-
lichen thun? S. 558 also: „Wir können von der Natur über-
sinnlicher Gegenstände, Gottes, unseres eigenen Freiheitsvermögens
und der unserer Seele (abgesondert vom Körper), gar nichts er-
kennen, was dieses innere Princip alles dessen, was zum Dasein
dieser Dinge gehört, die Folgen und Wirkungen desselben betrifft,
durch welche die Erscheinungen auch nur im mindesten Grade
erklärlich und ihr Princip, das Object selbst, für uns erkennbar
sein könnte.“ Dabei wird im Gegensätze zur Unmöglichkeit des
Wissens der Glaube an diese Objecte auf der sittlichen Grundlage
der Menschennatur, wie im ganzen Kant’schen Systeme, festge-
balten. Davon wird der „vermeinte theoretisch-dogmatische Fort-
schritt in der moralischen Teleologie während der Leibniz-Wolff’-
sehen Epoche“ und der „vermeinte theoretisch-dogmatische Fort-
schritt der Metaphysik in der Psychologie (heisst unrichtig in dem
vorausgeschickten Inhalt dieses Bandes S. XVII „Philosophie“)
während der gleichen Epoche“ unterschieden. Nach einer älteren
Verordnung musste fortwährend von einem Professor der Philo-
sophie den Studirenden die Pädagogik vorgetragen werden. Das
war wohl gewiss eine Unsitte. Man ging von dem verkehrten
LXII. Jahrg. 9. Heft. 43
 
Annotationen