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Nr. 46. HEIDELBERGER 1869.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Johann Calvin, seine Kirche und sein Staat in Genf von F. W.
Kampschulte, o. ö. Prof. d. Gesch. a. d. Universität Bonn.
Erster Band. Leipzig 1869.
Wenn ich, einer Aufforderung der Redaction entsprechend,
nach langer Unterbrechung die „Heidelberger Jahrbücher“ wieder
mit einem Beitrag beschwere, so geschieht es einerseits aus In-
teresse für den Gegenstand , dem ich vor sechsunddreissig Jahren
während eines längeren Aufenthaltes in der schönen Stadt am
Lemanischen See meine ersten literarischen Studien gewidmet und
deren Resultate dann in der Schrift „Geschichtliche Darstellung
des Calvinismus im Verhältniss zum Staat in Genf und in Frank-
reich bis zur Aufhebung des Edicts von Nantes“ im Verlage der
vorliegenden Zeitschrift bekannt gemacht wurden ; theils aus Freude
über ein Buch, das den gediegensten Werken der neuen histori-
schen Literatur beigezählt werden darf. Obwohl einer andern Con-
fession angehörend hat der Verfasser die grossen Erscheinungen
und Persönlichkeiten mit solcher Unparteilichkeit und echt histo-
rischen Objectivität dargestellt und beurtheilt und hat dabei das
reiche Material, das die protestantische Theologie und Geschicht-
schreibung zu Tage gefördert, mit solcher Gewissenhaftigkeit und
Einsicht benutzt und verwerthet, dass ihm der Dank und die An-
erkennung der protestantischen Welt nicht entgehen kann. Wo
ein so aufrichtiges Streben nach historischer Wahrheit ohne pole-
mische Nebentendenzen zu Tage tritt, da lässt sich leicht eine
Verständigung erzielen, ein modus vivendi in Frieden und Verträg-
lichkeit herstellen. Wir zweifeln nicht, dass dieses Urtheil, das
zunächst nur dem vorliegenden ersten Bande gilt, auch in den
beiden anderen, welche die Vorrede in Aussicht stellt, sich be-
währen wird. Wenn ich bei der folgenden Darlegung des reichen
Inhalts hie und da eine verschiedene Ansicht in der Auffassung
einzelner Dinge nicht unterdrücken wollte, so mag der Verfasser
darin den Beweis erkennen, mit welcher Aufmerksamkeit und Sorg-
falt ich das Buch gelesen habe und welchen Werth ich seinem
Urtheil beilege.
Nachdem der Verfasser in einer „Einleitung“ den Charakter
des Calvinischen Lehrsystems im Gegensatz zu dem Hussiteutbum
und zu der lutherischen Reformation in einigen grossen scharfge-
zeichneten Zügen dargelegt, berichtet er im ersten Buch über
die Herstellung der Unabhängigkeit Genfs; im zweiten über die
Einführung der Deformation; im dritten handelt er von Calvin
LXII. Jahrg. 10. Heft. 46
 
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