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Heidelberger Jahrbücher der Literatur — 64,1.1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.45241#0125
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Lefmann: August Schleicher.

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bleiben, so lange es eine Sprachwissenschaft giebt. Dass er neben
seinen bedeutenden Vorzügen auch Schwächen hatte, ist mensch-
lich, und wird ihm bei keinem Vernünftigen zum Vorwurfe gerei-
chen. Herr Lefmann hat seinen Gegenstand mit Liebe erfasst und
mit Gerechtigkeit behandelt. Uns aber möge es erlaubt sein, auch
unsere Ansicht über das Wirken des verstorbenen Freundes der
seinigen binzuzufügen. Wir haben Gelegenheit gehabt diese Wirk-
samkeit vou ihrem ersten Anfänge bis zu ihrem vorzeitigen Schlüsse
mit Interesse zu verfolgen.
Ueber die Jugendgeschichte Schleichers ist uns nur wenig be-
kannt geworden. Wir hören, dass er im Jahr 1821 geboren, im
Hause seines Vaters, eines Arztes zu Sonneberg in Thüringen,
strenge gehalten wurde und später das Gymnasium zu Koburg be-
suchte, wo er neben seinen Scbulstudien die Botanik als Lieblings-
beschäftigung betrieb. Die Liebe zu den Sprachen scheint jedoch
schon damals den Sieg über andere Neigungen davongetragen zu
haben, da er bei seinem Abgänge auf die Universität den Ent-
schluss fasste, Orientalist zu werden. Der Beginn von Schleichers
Universitätsstudien fällt in den Anfang der vierziger Jahre, damals
war schon längst jene Bewegung innerhalb der orientalischen Stu-
dien eingetreten, welche bis jetzt fortgedauert hat. In dem Be-
streben die deutsche Literatur auszubilden und sie fähig zu machen
dio Poesie aller Zungen in sich aufznnebmen , hatten unsere gros-
sen Dichter auch dem Orient ihre Aufmerksamkeit zugewandt. Die
Meisterwerke der orientalischen Literatur wurden auch in Deutsch-
land beachtet, gelungene Nachbildungen arabischer, persischer und
türkischer Dichter fanden bei uns eine Zeitlang eine sehr freund-
liche Aufnahme. Die Rückwirkung dieser Umstände auf das orien-
talische Sprachstudium konnte nicht ausbleiben. Die Zeit war vor-
über, wo man für einen Orientalisten galt, wenn man neben der
Kenntnies des Hebräischen noch die Fertigkeit besass, in einigen
andern orientalischen Sprachen leidlich zu conjugiren; Schüler do
Sa<jys lehrten auf vielen deutschen Universitäten und man forderte
von den Orientalisten eine den Philologen analoge Bildung, mochte
die Sprache, mit der er sich beschäftigte, sein, welche sie wollte.
Dazu kam noch, dass seit dem Beginne unseres Jahrhunderts zu
dem früheren orientalischen Studienkreise in dem Sanskrit ein
neues grosses Arbeitsfeld hinzngetreten war, welches sowohl durch
den Werth der indischen Literatur als durch die bald erwachende
Sprachvergleichung eine grosse Aufmerksamkeit erregte. Diese
gesteigerten Ansprüche, welche an den Orientalisten gemacht
wurden, sowohl was Tiefe als Umfang des Wissens betrifft, zeigten
dem jüngeren Geschlechte, zu welchem Schleicher gehörte, dass es
immer mehr unmöglich werde, den ganzen Orient zu beherrschen
und dass eine Theilung der Arbeit Notb thue. Es zerfiel von da
an das orientalische Studium in zwei Hälften. Das Studium des
Sanskrit und das bald daneben entstehende des Altbaktrischen
 
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