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Heidelberger Jahrbücher der Literatur — 64,1.1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.45241#0312
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Gregorovius: Geschichte d. Stadt Rom.

Ganz Europa war erstaunt gewesen, dass Italien den Umstän-
den seinen Ausbau zur Einheit verdankte, ohne dass davon ein
besonderes Licht auf seine eigenen Anstrengungen gefallen wäre.
Die Umstände bestätigen dadurch zum Theil, dass die Bestand-
theile Italiens reif zu ihrem Anschluss an einander unter eine ein-
heitliche Regierung waren. Wie das Unglück Oesterreichs das Glück
Italiens bedeutet hatte, so war dem anderen Nachbar unter einer
ähnlichen Form die Bestimmung vorbehalten, Italien zum Abschluss
des Werkes behülflich zu sein.
Diesen Abschluss leistete sich Italien selbst ohne fremde Hülfe.
Natürlich, dem militärischen Widerstande der Curie war das junge
Königreich gewachsen, und was einer gewissen Partei Versuchung
geschienen hatte, war in den Augen der Politiker Pflicht und Auf-
forderung.
Der Krieg, der Frankreich und Deutschland wider einander
unter die Waffen rief, gab Italien die Gelegenheit, mit eigenen
Mitteln Rom zu erobern und hiemit zugleich eine Frage zu berei-
nigen, die mehr einem Ideal gegolten, als Bedeutung für die Staats-
idee gehabt hatte.
Die Capitulation, welche am 20. September in der Villa Al-
bani zwischen dem Obergeneral der italienischen Truppen und dem
Obergeneral der päpstlichen geschlossen wurde, bezeichnete faktisch,
der Beschluss des Parlaments am 29. Dez. wegen Einverleibung
auch staatsrechtlich die merkwürdige Epoche, seit welcher der Platz
und die Stadt Rom zu Italien gehörte.
Wie viele Jahrhunderte hatten dazu gehört, um sie, seit
sie aufgehört hatte, ein freies Municipium im antiken Sinne,
und Residenz der alten Kaiser zu sein, in eine Hauptstadt eines
Königreichs Italien zu verwandeln! Erst jetzt übersieht man die
übermässig lange Zwischenzeit und bekommt eine Vorstellung von
der zähen Macht, welche fähig war, die Epoche einer politischen
Erneuerung Roms hintanzuhalten. Man versteht aber auch jetzt
besser, durch welches Mittel die Erreichung dieses Zieles wirksam
gelähmt wurde. Die Einverleibung Roms in Italien ist wesentlich
ein Triumph der modernen Staatsidee. Es ist Niemanden, der
sich mit derlei Fragen beschäftigt, unbekannt, wie die geistliche
Herrschaft Jahrhunderte in der Peripherie ihres Bereicl ■; die ge-
sunde Entwicklung des Staates mittelst Durchsetzung mit Cultus-
bedürfnissen aufhielt.

(Schluss folgt.)
 
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