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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Hrsg.]
Neue Heidelberger Jahrbücher — 8.1898

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Heft 1
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Schneegans, Friedrich Eduard: Frederi Mistral
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https://doi.org/10.11588/diglit.29034#0052
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Fmleri Mistral.

Von

Fr. Ed. Sclineegans.

Zwei Bewegungen durchkreuzen sich in der Entwicklung des Volks-
lebens unserer Zeit. Neue Verkehrsmittel, die gewaltige Entfaltung der
Industrie, die Verbreitung des Unterrichtes, der in allen Ländern Euro-
pas immer weitere Schichten der Bevölkerung durchdringt, haben eine
durchgreifende Umgestaltung des Volkslebens zur Folge: die grossen
Kulturcentren üben einen teils segensreichen, teils aber auch verhängnis-
vollen Einfluss auf die Provinz aus; werden die Unwissenheit, der Aber-
glaube siegreich bekämpft, so gehen schöne patriarchalische Gebräuche
verloren, in Kleidung und Sprache sucht der Bauer den Städtern nachzu-
eifern; wo einst urwüchsige Volkspoesie, malerische Trachten das Ge-
müt des Dichters, das Auge des Malers erfreuten, herrscht jetzt farb-
lose Einförmigkeit. Aber das Alte weicht nicht ohne Widerstand dem
Neuen. Während einerseits die ältere Generation meist zäh an der von
Vätern ererbten Tradition festhält, sehen wir anderseits in den Kreisen
der Gebildeten Verteidiger und Freunde der alten Volksbräuche und
Volkssprachen sich erheben. Die Einen sehen in dem plötzlichen Ein-
dringen neuer Ideen und Sitten eine Gefahr für die Volksseele, Andere
suchen die altmodischen aber kleidsamen Trachten zu retten, während
die Sprachforscher emsig die Bauernsprachen untersuchen, ihren Formen-
und Wortschatz feststellen und Kulturhistoriker Märchen und Volks-
lieder sammeln, wie der Naturforscher seltene Exemplare einer unter-
gehenden Flora oder Fauna in seinen Herbarien und Museen sorgsam
aufbewahrt. Nirgends wohl hat diese pietätvolle Rückkehr zum Alten,
der Versuch von dem Erbteil der Väter das Wertvolle und Entwick-
lungsfähige zu retten und womöglich zu neuem Glanze zu entfalten
 
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