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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Hrsg.]
Neue Heidelberger Jahrbücher — 8.1898

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Schröder, Richard: Germanische Rechtssymbolik auf der Marcussäule
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https://doi.org/10.11588/diglit.29034#0263
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Richard Schröder: Germanische Rechtssymbolik auf der Marcussäule 249

sie eingebogen sind, lässt sich nicht sicher erkennen. Von den Barbaren
hat der dem Kaiser unmittelbar gegenüberstehende die rechte Hand bis
in die Höhe der Schulter erhoben, Zeigefinger und Mittelfinger gestreckt,
die drei anderen Finger eingebogen. Dieselbe Handbewegung ist bei dem
zweiten Barbaren anzunehmen, wird aber durch seinen Vordermann ver-
deckt.

Das Bild stellt einen Vorgang aus dem Markomannenkriege,, wahr-
scheinlich v. J. 171/2, dar. Die beiden Barbaren sind offenbar germa-
nische Fürsten, nach v. Domaszewski (a. a. 0. Seite 117) wahrscheinlich
Naristen, die westlich des Böhmerwaldes bis zum Fichtelgebirge, zwischen
den Hermunduren und den Markomannen, im Flussgebiete der Naab,
sassen. Sie gehörten zu den Sueben und waren zweifellos herminonischen
Stammes. Dass die Germanen (entgegen ihrem sonstigen Brauche, Germ,
c. 13) beim Betreten des römischen Lagers die Waffen haben ab legen
müssen, erklärt sich aus den Gebräuchen des völkerrechtlichen Verkehrs.
Dass sie kraft freien Entschlusses gekommen sind, ergiebt sich aus der
entsprechenden Waffenlosigkeit des Kaisers und seiner beiden Begleiter.
Auch die Zusammenkunft Armins mit seinem Bruder Flavins (Tacitus
annal. 2, 9. 10) fand unbewaffnet statt.

Die beiden gestreckten Finger der Germanen werden von Petersen
und v. Domaszewski (a. a. 0. Seite 65. 117) auf eine Eidesleistung be-
zogen1). Diese Annahme hat auf den ersten Blick manches für sich, da
nach den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels wie nach anderen Zeug-
nissen dieselben Finger als Schwurfinger dienten2). Allein der einfache
Schwur mit aufgereckten Schwurfingern gehörte erst der späteren Ent-
wickelung an3). Die ältere Zeit kannte den Eid nur in der Form, dass
die Schwurfinger einen Gegenstand berührten4), sei es das Schwert oder

1) Eidliche Bekräftigung völkerrechtlicher Verträge ist u. a. bei Caesar, BG.
IV, 2 bezeugt.

2) Vergl. Siegel, Handschlag und Eid (SB. d. Wiener Akademie, 1894) 27 f.
Grimm, Rechtsaltertümer 141. 903. Kopp, Bilder und Schriften der Vorzeit 1, 97.

3) Die von Siegel, a. a. 0. 28 ff. dafür angeführten Belege sind ausschliesslich
aus dem späten Mittelalter.

4) Vergl. Grimm, a. a. 0. 117. 135. 140 f. 147. 159. 895 ff. 903. Brunner,
Deutsche RGW, 427 433. v. Amira, Grundriss 2 164 f. Die Bilderhandschriften
des Sachsenspiegels zeigen regelmässig die aufgelegten Schwurfinger. Vergl. Kopp,
Bilder u. Schriften der Vorzeit 2, 12. 92: 96 f. 123. 129. Batt, Babo, Eitenbenz,
Mone und Weber, Teutsche Denkmäler, Tafel 1, 5 f. 2,8. 3, 2. 3. 4. 6. 4,4.8.
5, 1. 6, 5. 6. 8. 7, 6. 7. 8. 8, 8. 10. 9, 6. 10, 3. 11, 1. 2. 8. 12, 7. 13, 4. 14, 7. 9. 15, 2.
16, 9. 10. 17, 1. 4. 6. 7. 18, 3. 7. 9. 19, 4. 20, 5. 26, 9. 29, 1. 2. 31, 2. 9. 10. 32, 1. 2.
33, 3. 4. 7. 10. 11. Nur Tafel 15, 1 (zu Ssp. III, 5 § 5) begegnet ein Bild mit auf-
gereckten Fingern ohne Auflegung.
 
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