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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Hrsg.]
Neue Heidelberger Jahrbücher — 11.1902

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Wille, Jakob: Karl Zangenmeister: (geb. 28. November 1837, gest. 8. Juni 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.29093#0162
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J. Wille

Macht forderte die neue Litteratur ein Recht neben der unsterblichen
alten, die Interessen wuchsen hinaus in endlose Ferne, es mehrten sich
mit den neuen litterarischen Erscheinungen die Aufgaben der Bibliotheken.
Immer berechtigter erwiesen sich die Forderungen, alle diese litterari-
schen Schätze in Formen und unter Bedingungen zu benützen, die einem
vorwärtsstrebenden, rasch lebenden Zeitalter die bequemsten schienen.
Es ist das grosse Verdienst Karl Zangemeisters, dass er, der stolze Ver-
treter einer grossen längstvergangenen Kultur, auch sein Auge offen
hielt für das Neue, das Kommende, dass er die alte Bibliothek zunächst
einmal fähig machte, diesen Forderungen auch für die Zukunft zu ge-
nügen, dass er die Heidelberger Bibliothek nach allen Richtungen hin
neu organisierte. Eine gewaltige Arbeit, die er im Laufe von wenigen
Jahren nicht nur leitend, sondern auch selbst mitarbeitend bewältigte.
Handelte es sich doch darum, eine damals schon 300000 Bände um-
fassende, in einzelnen Teilen nicht einmal durch genaue Kataloge zu-
gängliche Sammlung neu zu ordnen, im ganzen Verwaltungsapparate
neue Einrichtungen zu schaffen. Wer heute sich mit Hilfe der muster-
haften Kataloge in den gewaltigen Büchermassen zurecht findet, wer
heute in Benützung dieser litterarischen Schätze eine Bequemlichkeit
und vor Allem eine Freiheit geniesst, wie dieselbe anderwärts nicht zu
finden ist, der hält Vieles für selbstverständlich, was doch einstens ganz
anders war. Auf Vollkommenheit hat Zangemeister am wenigsten An-
spruch gemacht. Wer aber gerecht und billig denkt, der wird heute
anerkennen müssen, dass in dieser Verwaltung so viel Gutes, so viel
Einzigartiges und Musterhaftes geschaffen ist, und der Leiter dieser
Anstalt redlich bemüht war, auch Wünschen gerecht zu werden.

Diese neue Bibliothek aber nach eigenen Ideen ihres Vorstandes
umgeschaffen, war nichts Lebloses, sie war auch keiner Maschine gleich,
die, einmal in Bewegung gesetzt, ihre einförmige Arbeit besorgt.
Eine Bibliothek, welche die meisten Bücher hat, ist deswegen noch
nicht die Erste. Eine jede Verwaltung muss die Spuren individuellen
Lebens in sich tragen. Wer sie führt, dessen Geist soll auch in ihr
zu spüren sein. Auch Karl Zangemeister hat dieser Anstalt den Stempel
seines Geistes aufgedrückt, mit dieser Anstalt war er geistig verwachsen
bis zum letzten Aufblitzen seines starken Lebensfeuers. Er brachte
eigenes Leben in die Ordnung der Dinge durch die Freiheit der Be-
nützung, durch seine Gefälligkeit, die ein jeder an ihm schätzte, durch
die Selbstlosigkeit, die sich gerne in die Neigungen eines jeden Bib-
liotheksbenutzers hineinlebte und eigene Gelehrsamkeit, umfassende bib-
 
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