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K. Zangemeister

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wirken, die oft im Laufe von Jahrhunderten gesammelten Erzeugnisse
litterarischen Lebens, für die Wissenschaft, für Bildung und Leben nutz-
bar zu machen, voll Achtung und Ehrfurcht vor dem Alten, mit freiem
Blicke auch für die Forderungen der Gegenwart. Solche Anlage aber
war diesem Gelehrten angeboren, wie dem Künstler der Sinn für die
Lebenskraft der Farben, für die Schönheit der Formen. Als Bibliothekar
an der herzoglichen Bibliothek auf dem Friedensteine bei Gotha, wohin
ihn die erste Lebensstellung geführt (1868—1873), hat er Zeit gehabt,
diese Anlagen auszubilden. Er hatte sich bewährt, er war kein Neu-
ling mehr, als er im Jahre 1873 zur Leitung der Heidelberger Biblio-
thek berufen ward.

Nur wenige sind noch unter uns, die jene Anfänge seines Wirkens
haben verfolgen können, die im Vergleiche des Einst und Jetzt so voll
und gerecht die Verdienste dieses Mannes zu würdigen wissen. Auch
entzieht sich die Arbeit eines Bibliothekars vielfach dem Urteile der
grossen Menge und ein kleiner Teil selbst der Gebildeten ist eingeweiht
in den stillen, dem Geräusche der Aussenwelt oft entrückten Gang eines
Amtes, das Verwaltung und wissenschaftliches Streben zugleich sein
soll. Diese Arbeit bewegt sich überdies in einem innern undankbaren
Widerspruche. Sie verscbliesst sich in ihren Äusserungen vielfach dem
allgemeinen Verständnis und lässt doch wieder, an der Grenze des Men-
schenmöglichen angekommen, noch Freiheit genug für den Tadel übrig.
Denn im Grunde genommen heisst bibliothekarisch wirken: Wünsche er-
füllen. Doch das Mass der Wünsche ist bekanntlich grenzenlos. So bald
es einmal mit den Wünschen zu Ende gekommen ist, haben auch die
Bibliothekare keinen Platz mehr in der Welt.

Als Zangemeister zu uns kam, befand sich die hiesige Bibliothek
noch in den engen Grenzen, in denen sich damals noch Lehren und
Lernen der Fakultäten bewegte. Der Umfang der Sammlung entsprach
der gegen heute so bescheidenen litterarischen Thätigkeit in der ersten
Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Die Bäume der Bibliothek, die
Art ihres Betriebes, die Ordnung der Bücher genügte den damaligen
kleinen Verhältnissen. Aber der neue Zug im litterarischen Leben war
schon im Gange. Der neue Bibliothekar verstand ihn, es war ihm klar,
dass Einrichtungen, deren nach heutigen Begriffen umständlichen Charakter
zu schildern mir ferne liegt, für ihre Zeit vortrefflich, unmöglich aber
für die Zukunft genügen konnten. Denn unaufhaltsam war der Fort-
schritt litterarischen Schaffens, neue Wissenschaften lösten sich ab von
den alten, um selbst wieder neue zu befruchten. Mit gebieterischer
 
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