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Dante und die Renaissance.

Von

Karl Vossler.

Das Werk Dantes steht an der Grenze, wo sich Mittelalter und
Renaissance berühren, es ist darum zu erwarten, dass sich Anschau-
ungen und Elemente aus der vorhergehenden sowohl wie aus der fol-
genden Kulturepoche darin aufweisen lassen.

Welches sind nun die Keime einer neuen Zeit bei Dante, wo liegen
sie verborgen, was ist schon reuaissancemässig in seinem Werk und
was ist noch mittelalterlich daran? Dies die Frage, die wir uns vor-
legen.

Es wäre vielleicht das Nächstliegende, zuerst die Begriffe Mittel-
alter und Renaissance genau gegen einander abzugrenzen und den all-
gemein gewonnenen Massstab auf den besonderen Fall Dante zu über-
tragen ; aber ich hoffe, der umgekehrte, induktive Weg soll uns besser
zum Ziele führen, mit dem Vorbehalte jedoch, dass wir ihn zuweilen
verlassen dürfen. Sämtliche Strömungen jener Übergangszeit vereinigen
sich in der allseitigen Schöpfung Dantes, und wenn wir ihnen Stück für
Stück nachgehen, so müssen uns die einen nach vorwärts drängen und
die anderen werden zurückfluten ins Mittelalter.

Die politische Stellung Dantes — um von dieser zuerst
zu sprechen — lässt sich bereits nicht mehr kennzeichnen mit den
Schlagworten der Zeit: Guelf und Ghibelline. In guelflscher Familie
und Bürgerschaft ist der junge Dichter aufgewachsen, denn mit den
Ghibellinen war es in Florenz zu Ende seit dem Untergang des Staufen-
hauses (1268) und unter guelfischem Banner ist er zu Kampfe geritten
bei Campaldino und Caprona (1289). Nach der Spaltung seiner Partei
in schwarze und weisse Guelfen hat er sich den letzteren zugesellt und
als weisser Guelfe musste er im Jahre 1302 in die Verbannung ziehen.
Der heisse Wunsch, in die Vaterstadt zurückzukehren, die moralische
 
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