Der Lehrstuhl der Chemie in Heidelberg
seit 1815
Von Adolf Mayer
Das erste Glied in der Reihe der ausnahmslos bedeutenden
Chemiker, die den Lehrstuhl für Chemie in Heidelberg eingenom-
men haben, ist Leopold Gmelln, und da der Schreiber dieser
Aufzeichnungen, dem es in einem ungewöhnlich langen Leben ver-
gönnt gewesen ist, sie alle, von dem ersten bis zum letzten oder
vielmehr bis zu den beiden letzten, die jetzt den Lehrstuhl inne-
haben, persönlich zu kennen, so mag es ihm auch vergönnt sein,
der Aufforderung Folge zu leisten, seine persönlichen Erinnerun-
gen an die einzelnen Glieder der langen mehr wie ein volles Jahr-
hundert umspannenden Kette aufzuzeichnen. Vollständigkeit der
Charakterisierung oder gar der Würdigung ihres Lebenswerkes
ist hierbei natürlich ausgeschlossen und nicht einmal möglich, wie
ich nicht zu begründen brauche. Der mehr beschränkte Wert
solcher Aufzeichnungen beruht, wie bekannt, in der Unmittelbar-
keit der Beziehungen des Schreibenden zu dem zu beschreibenden
Gegenstände.
Auch bin ich in meinem Lebensgange ja keineswegs ein treuer
Jünger der Fachwissenschaft geblieben, und es würde anmaßend
sein, wenn ich in diesen Aufzeichnungen ein Urteil über die spe-
zifische Bedeutung der aufeinanderfolgenden Würdenträger in
dieser Beziehung aussprechen wollte.
Den schon genannten ersten in der Reihe habe ich allerdings
nicht als Lehrer oder gar Fachgenossen gekannt; denn er starb
schon 1853, als ich noch nicht mein 10. Lebensjahr vollendet hatte,
sondern menschlich, intim und im häuslichen Kreise: denn er war
mein Großvater; ich bin nämlich der Sohn seiner ältesten Tochter.
Dennoch bewahre ich noch manche persönliche Erinnerung an ihn,
und nicht bloß an manche Partie Dame oder Mühle, die ich mit
ihm, da er in Ruhestand versetzt war, gespielt habe. Auch noch
einer Flucht vor der Revolution des Jahres 1849 (da die Frei-
schärler eine Kanone auf der neugebauten Kanzel am Gaisberge
gerade über seinem Wohnhause (Plöck 54) errichtet hatten und
die zum Entsatz einrückenden Preußen drüben oberhalb der
Hirschgasse Schanzen aufwarfen) mit den Großeltern erinnere ich
seit 1815
Von Adolf Mayer
Das erste Glied in der Reihe der ausnahmslos bedeutenden
Chemiker, die den Lehrstuhl für Chemie in Heidelberg eingenom-
men haben, ist Leopold Gmelln, und da der Schreiber dieser
Aufzeichnungen, dem es in einem ungewöhnlich langen Leben ver-
gönnt gewesen ist, sie alle, von dem ersten bis zum letzten oder
vielmehr bis zu den beiden letzten, die jetzt den Lehrstuhl inne-
haben, persönlich zu kennen, so mag es ihm auch vergönnt sein,
der Aufforderung Folge zu leisten, seine persönlichen Erinnerun-
gen an die einzelnen Glieder der langen mehr wie ein volles Jahr-
hundert umspannenden Kette aufzuzeichnen. Vollständigkeit der
Charakterisierung oder gar der Würdigung ihres Lebenswerkes
ist hierbei natürlich ausgeschlossen und nicht einmal möglich, wie
ich nicht zu begründen brauche. Der mehr beschränkte Wert
solcher Aufzeichnungen beruht, wie bekannt, in der Unmittelbar-
keit der Beziehungen des Schreibenden zu dem zu beschreibenden
Gegenstände.
Auch bin ich in meinem Lebensgange ja keineswegs ein treuer
Jünger der Fachwissenschaft geblieben, und es würde anmaßend
sein, wenn ich in diesen Aufzeichnungen ein Urteil über die spe-
zifische Bedeutung der aufeinanderfolgenden Würdenträger in
dieser Beziehung aussprechen wollte.
Den schon genannten ersten in der Reihe habe ich allerdings
nicht als Lehrer oder gar Fachgenossen gekannt; denn er starb
schon 1853, als ich noch nicht mein 10. Lebensjahr vollendet hatte,
sondern menschlich, intim und im häuslichen Kreise: denn er war
mein Großvater; ich bin nämlich der Sohn seiner ältesten Tochter.
Dennoch bewahre ich noch manche persönliche Erinnerung an ihn,
und nicht bloß an manche Partie Dame oder Mühle, die ich mit
ihm, da er in Ruhestand versetzt war, gespielt habe. Auch noch
einer Flucht vor der Revolution des Jahres 1849 (da die Frei-
schärler eine Kanone auf der neugebauten Kanzel am Gaisberge
gerade über seinem Wohnhause (Plöck 54) errichtet hatten und
die zum Entsatz einrückenden Preußen drüben oberhalb der
Hirschgasse Schanzen aufwarfen) mit den Großeltern erinnere ich