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Brodersen, Kai; Gebhardt, Hans [Editor]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Editor]
Heidelberger Jahrbücher: Weltbilder — Berlin, Heidelberg [u.a.], 47.2003 [erschienen] 2004

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.4061#0014
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4 Hans Gebhardt und Helmuth Kiesel

gab,10 wurden durch die Christianisierung weitestgehend verdrängt und hat-
ten für die Entwicklung des wissenschaftlich zu nennenden mittelalterlichen
und neuzeitlichen europäischen Weltbilds keine Bedeutung; allerdings finden
sich Spuren davon in den volkstümlichen Vorstellungen von Welt und Weltge-
schehen oder im so genannten Aberglauben.

Das Alte Testament erklärt die Welt als Schöpfung Gottes und gliedert sie in
drei Teile: das Firmament oder Himmelsgewölbe, in dem Gott und die Engel
wohnen; die auf der chaotischen Urflut schwimmende und durch das gewölb-
te Firmament von ihr geschiedene Erdscheibe, auf welcher die Menschen le-
ben; die unterirdische Welt, in welcher urzeitliche und widergöttliche Unge-
heuer hausen und die zugleich Aufenthaltsort der abgeschiedenen Menschen-
seelen ist. Diese Vorstellungen finden sich auch im Neuen Testament, das den
Blick allerdings weniger auf kosmogonische und kosmologische Aspekte
lenkt als vielmehr auf das heilsgeschichtliche Handeln zwischen Gott und
Mensch; das Weltbild, das sich aus dem Neuen Testament ergibt, bleibt vage
und bildet nur den letztlich nicht sonderlich bedeutungsvollen Horizont die-
ses Heilsgeschehens.

Nach frühen griechischen Vorstellungen entstand die Welt aus einem
nächtlich-chaotischen Zustand und teilte sich in Himmel, Erde und Unter-
welt. Man nahm an, die Erde schwimme auf dem endlosen Weltmeer und das
Himmelsgewölbe werde durch Berge oder Säulen gestützt. Die Erde war der
Aufenthaltsort der Menschen; Götter wohnten im Himmel, zum Teil aber
auch im Meef oder in der Unterwelt (einem unterirdischen Himmel); die See-
len der verstorbenen Menschen kamen in die Unterwelt oder auf die Inseln
der Seligen jenseits der Erde. Die spätere griechische Philosophie (ab dem 6.
Jahrhundert v. Chr.) streifte diese Vorstellungen weitgehend ab und versuch-
te, aus der Beobachtung der Erde und der Gestirne auf die Entstehung, die
Form und die Situierung der Erde im Kosmos zu schließen. Unter anderem
wurde die Vorstellung entwickelt, dass der Kosmos durch Rotation aus einem
Urnebel entstanden sei und dass die Erde eine Kugelform habe. Der bedeu-
tendste Astronom der Antike, Aristarch von Samos, kam im 3. Jahrhundert
v. Chr. sogar zu der Ansicht, dass nicht die Erde, sondern die Sonne den Mit-
telpunkt des Kosmos bilde, hatte also ein heliozentrisches Weltbild. Die da-
raus sich ergebenden Annahmen über die Positionierung und den Gang der
Planeten waren aber so kompliziert, dass sich das einfachere, plausibler wir-
kende geozentrische Weltbild durchsetzte. Kodifiziert wurde es um 370 v. Chr.
durch Eudoxos von Knidos, der die Theorie der homozentrischen Sphären
entwickelte. Demzufolge ruht die Erde im Zentrum einer bestimmten Anzahl
von Sphären oder Schalen, die sich um die Erde drehen und dabei die Gestir-

Vgl. dazu die informative Darstellung von Bernhard Maier, Die Religion der Germanen.
 
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