Otto Dix - das Triptychon „Der Krieg" 1929-1932
DIETRICH SCHUBERT
„Mit dem Geschwätz von der
.reinen' Kunst ist man am Ende ..."
(Dix, Dezember 1966)
I
Überblickt man die verschiedenen Strömungen der Malereigeschichte der
20er Jahre des 20. Jahrhunderts (Expressionismus, Realismus, Konstruktivis-
mus, „Neusachlichkeit", Gegenstandslosigkeit), so ist ohne Zweifel die Malerei
des an der Kunstakademie Dresden wirkenden Thüringer Arbeitersohnes Ot-
to Dix die konfliktträchtigste gewesen, ein erbarmungsloser Realismus in der
Perspektive von Nietzsches Entlarvungs-Psychologie, die Dix inspiriert hatte.
Die Abstraktionen von Molzahn, Kandinsky oder Freundlich wirken dagegen
wie harmlose Farben- und Formspiele.
Bereits 1921 wird eines der „besten" Dix-Gemälde (Salon I) auf der Großen
Berliner Kunstausstellung zurückgewiesen, 1922 malt er in einer „schneidend
kalten, scheinwerfergrellen, nichts ersparenden Veristik" (W. Wolfradt) das
Gemälde Mädchen vor Spiegel, zeigt es in der Juryfreien Ausstellung in Berlin,
wo es vom Staatsanwalt der 8. Strafkammer Landgerichts I Berlin wegen „Un-
züchtigkeit" im Sinne des § 184 Ziff. 1 StGB beschlagnahmt wird,11923 folgt in
Darmstadt ein Zugriff auf das Gemälde Salon II in der Ausstellung „Deutsche
Kunst 1923", und 1924 kommt es zum berühmten Schützengraben-Streit. Seit
1933 werden Dix' Kriegsdarstellungen von den Nazis verfolgt, konfisziert und
teils sogar zerstört.
Dazu die Dokumentation von Hütt 1990,53t und 20of.; Max Osborn schrieb in der Vossischen Zeitung
am 31.10.1922 dazu: „Der Maler Dix ist ein grimmiger Spötter, der mit einem Fanatismus des Hohns die
Eitelkeit der Welt, der Zeit und der Menschen zu geißeln liebt. Sein Mägdlein vor dem Spiegel ist nichts
weniger als eine rosige Oblatenschönheit, sondern eine verruchte, alte Vettel, die vor dem Spiegel Toilet-
te macht... hat jemand wieder die Häßlichkeit des Objekts mit künstlerischer Unschönheit verwechselt.
Aber müssen Landgericht und Staatsanwalt so kunstfremden Regungen nachgeben?" (zit. n. Hütt 1990,
202). Dix wurde schließlich - mithilfe der Sachverständigen Maler Max Slevogt und Karl Hofer - am
26.6.1923 freigesprochen; der Angeklagte hatte bestritten, dass sein Bild „eine unzüchtige Darstellung"
sei. Max Osborn berichtete darüber in der Vossischen Ztg. vom 4. Juli 1923. - Zu den Prozessen gegen
George Grosz vgl. Neugebauer 1993.
DIETRICH SCHUBERT
„Mit dem Geschwätz von der
.reinen' Kunst ist man am Ende ..."
(Dix, Dezember 1966)
I
Überblickt man die verschiedenen Strömungen der Malereigeschichte der
20er Jahre des 20. Jahrhunderts (Expressionismus, Realismus, Konstruktivis-
mus, „Neusachlichkeit", Gegenstandslosigkeit), so ist ohne Zweifel die Malerei
des an der Kunstakademie Dresden wirkenden Thüringer Arbeitersohnes Ot-
to Dix die konfliktträchtigste gewesen, ein erbarmungsloser Realismus in der
Perspektive von Nietzsches Entlarvungs-Psychologie, die Dix inspiriert hatte.
Die Abstraktionen von Molzahn, Kandinsky oder Freundlich wirken dagegen
wie harmlose Farben- und Formspiele.
Bereits 1921 wird eines der „besten" Dix-Gemälde (Salon I) auf der Großen
Berliner Kunstausstellung zurückgewiesen, 1922 malt er in einer „schneidend
kalten, scheinwerfergrellen, nichts ersparenden Veristik" (W. Wolfradt) das
Gemälde Mädchen vor Spiegel, zeigt es in der Juryfreien Ausstellung in Berlin,
wo es vom Staatsanwalt der 8. Strafkammer Landgerichts I Berlin wegen „Un-
züchtigkeit" im Sinne des § 184 Ziff. 1 StGB beschlagnahmt wird,11923 folgt in
Darmstadt ein Zugriff auf das Gemälde Salon II in der Ausstellung „Deutsche
Kunst 1923", und 1924 kommt es zum berühmten Schützengraben-Streit. Seit
1933 werden Dix' Kriegsdarstellungen von den Nazis verfolgt, konfisziert und
teils sogar zerstört.
Dazu die Dokumentation von Hütt 1990,53t und 20of.; Max Osborn schrieb in der Vossischen Zeitung
am 31.10.1922 dazu: „Der Maler Dix ist ein grimmiger Spötter, der mit einem Fanatismus des Hohns die
Eitelkeit der Welt, der Zeit und der Menschen zu geißeln liebt. Sein Mägdlein vor dem Spiegel ist nichts
weniger als eine rosige Oblatenschönheit, sondern eine verruchte, alte Vettel, die vor dem Spiegel Toilet-
te macht... hat jemand wieder die Häßlichkeit des Objekts mit künstlerischer Unschönheit verwechselt.
Aber müssen Landgericht und Staatsanwalt so kunstfremden Regungen nachgeben?" (zit. n. Hütt 1990,
202). Dix wurde schließlich - mithilfe der Sachverständigen Maler Max Slevogt und Karl Hofer - am
26.6.1923 freigesprochen; der Angeklagte hatte bestritten, dass sein Bild „eine unzüchtige Darstellung"
sei. Max Osborn berichtete darüber in der Vossischen Ztg. vom 4. Juli 1923. - Zu den Prozessen gegen
George Grosz vgl. Neugebauer 1993.