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Kempter, Klaus [Hrsg.]; Boenicke, Rose [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Bildung und Wissensgesellschaft — Berlin, Heidelberg [u.a.], 49.2005 (2006)

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https://doi.org/10.11588/diglit.2246#0095
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Werte für ein demokratisches Bildungswesen

OTFRIED HOFFE

Über Jahrhunderte befassten sich Ethik und Politische Philosophie auch mit
der Erziehung beziehungsweise Bildung. Dass diese dort nicht mehr anzutref-
fen ist, folgt nicht wie bei der Ehre aus einem Bedeutungsverlust. Vielmehr hat
man das Thema stillschweigend an eine andere Wissenschaft abgetreten, an
die zunächst mit der Philosophie noch verbundene, seit längerem aber von ihr
„emanzipierte" SpezialWissenschaft, die Pädagogik. Die Frage nach der Leit-
aufgabe der Bildung hat aber einen normativen Anteil, so dass die Politische
Ethik zuständig bleibt.

Die Frage, welche Werte eine demokratische Gesellschaft sinnvollerweise
zusammenhalten, daher von einem demokratischen Bildungswesen zu ver-
mitteln sind, untersuchen wir in vier Teilen. Als erstes klären wir den Begriff
des Wertes (I). Da eine philosophisch-deduktive Argumentation mit Skepsis,
außerdem mit dem Einwand eines eurozentrischen Vorurteils zu rechnen hat,
empfiehlt sich für die substantielle Erörterung vielmehr ein induktiver und
interkultureller Beginn. In Rücksicht auf den pluralistischen, sogar multikul-
turellen Charakter der heutigen Demokratien - in gewisser Weise leben sie
sogar in mehreren Epochen, da auch Mitglieder von Nomadengesellschaften
in ihnen weilen - durchwandern wie in Sieben-Meilen-Stiefeln verschiede-
ne Epochen und Kulturen, machen bei sieben Gipfeln Halt und suchen dabei
Werte auf, die sich für ein demokratisches Bildungssystem empfehlen (II).

Der durch die Geschichte erweiterte Horizont bereitet den nächsten Teil vor,
den jetzt philosophisch-deduktiven Entwurf eines fünfdimensionalen Kosmos
von Grundwerten. In ihm spielen die drei Dimensionen des zeitgenössischen
Bürgers, also der Wirtschaftsbürger, der Staatsbürger und der Weltbürger, ei-
ne Rolle.1 Aus den drei Dimensionen werden allerdings fünf, da einerseits
beim Staatbürger zwei Aspekte zu unterscheiden sind, andererseits der Mensch
mehr als bloß ein Bürger ist (III). Methodisch verdankt sich der Entwurf ei-
nes Wertekosmos dem Zusammenspiel von drei Momenten. Ein Blick auf die
Conditio humana verbindet sich mit genuin moralischen Überlegungen und
einem Blick auf Grundeigenschaften der heutigen Gesellschaft, also Anthro-

In diesem Kapitel bündelt sich ein Großteil der Ansichten und Argumente der 2004 erschie-
nenen Studie, auf die auch der vorliegende Beitrag zurückgreift (bes. Hoffe 2004,133-144).
 
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