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Heidelberger Tagblatt — 1860 (Juli bis Dezember)

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August
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https://doi.org/10.11588/diglit.2834#0189
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HeidMerger TagdlM.



Sonntag^ 26. Augnst


Der Nationalverein nnd die
Neichsverfassung

Mannlicin», 24. Ang. Dem der ,qe°
strigen Veisniiiiiiliiiig der hicsigen Mi't-
gli'ederdes Nciti'oiinlveieiiis vorgelegteu An-
trag war folgeiide Begrnndung brigefügt:

Di'e Rel'chsveifassniig i'st in 29 deut-
schen Staaten geschiiiäßi'g verknndet uiid
ci'ngefilhrt nnd nnifaßt alIe dciiischen Laiide
glei'chberechtl'gt. § l. seßt fest, daß das
deutsche Neich aus dein Gcbicte des bis-
herigen deutschen Bundes bcsteht nnd § 87
hält den^deiitsch-vstcrreichischeii staiideii den
Eintritt iii das dentsche Ztcich noch ganz
besondcrs offen.

Durch Aniiahnie der Neichsverfassung
als Prograinin dcr dcutschcn Znknnft wcr-
den soinit von vornhercin die falschen IIn-
terstellnngen, der Nationalverein bcabssch-
tigte dnrch Ansschlnß Oesterreichs nur ein
vergrößertes Prcußcn zu schaffen, griind-
lich widerlegt.

Allein die Neichsverfassnng bietet nia-
teriell den ergiebigsteii Stoff zn ihrer Bc-
grnndung; denn sic entspricht dcn heiitigcn
nati'onalcii Wiinschen dcs dentschen Volkrs
vollkoinincn. Die Unvollkoinlnenheitcn der
Neichsverfassiing kvnnten leicht bei ihrer
organischcn C'inflihrniig znr Zeit des Frie-
dens auf gesetzlr'chcin Wege gcordnet wer-
den, uin znr Zeit dcr Gefahr dcni Vater-
landc als sscherstcs Bollwerk zn dienen.
Die Nichtbeachtnng dicser Wahrheit dnrfte
zur Zcit der Gefahr, i'n wclchrr alle inög-
lichcn Lcidenschaften störenb eingrcifen,
schwcr zu biißen sein.

Znr inateriellen Begriliidnng der Zweck-
inäßl'gkeil dcr Cinfiihrnng der Neichsver-
fassnng führen wir an, daß dicselbe dcn
einzclnen dcntschen Staaten ihre Selbsi-
ständi'gkcit lä'ßt, nu't Ansnahinc drr
völkerrechtlichen Vertrclung nach Anßen,
welche allein dic Neichügcwalt ausznnbcn
bcrnfcn ist, die alle völkcrrechtlichen Maß-
regeln anvrdnct, Krieg nnd Friedcn schlicßt.
Die scit Zahr und Dag strcitige Frage
dcr inilitärischen Dnndcsorganisation ssndct
gleichfalls ihrc Erledigutig in der Ncichs-
verfassnng. Dkr nnerquickliche Streit
über.die Küstcnbefcstigiingcn ist cbcnfalls
darin auf die einsachstc Wcisc gelöst, nnd
die fchlrnde dcntsche Seeniacht in ihr znr
Hcrstcllung angcordnct. Die Neichsvcrsas-
sung crklärt alic dentschenFlnsse fnr dcntschc
Schi'fsfahrt von Flnßzöllcn frci, und cndet

soniit den ewigcn Streit nber das Nhcin-
octroi und die lästigen Recogiiitionsge-
bühren. Die Nkichsverfassnng regelt das
Eisenbahnwesen nnd hebt die tausend Klein-
lichkciten iin Verkchr zwischcn den Vicl-
staaten anf. Das dentsche Ncich bildet
ein Zoll- nnd Händclsgebict init Beseiti-
giing aller Binnciigrcnzzvlle. Die Neichs-
gewalt hat die Gcsetzgebnng über das gc-
saniinte Zostwescn, die gcnieinschaftlichen
Prvdnctl'oiis- nnd Verbranchssteuern, über
Handcl nnd Schifffahrt, sowie die Ober-
anfsscht über das Postwcsen, nainentlich
übcr Orgaiil'sati'oii, Tarifc, Transst, Porto-
thcilnng, die Gesctzgrbung nnd Oberanf-
sicht über die Anlcgnng von Telegraphen-
Il'nirn, dic einhcitliche Ordnung dcr Mün-
zen, Maaße nnd Gewichte. Dic Grnnd-
rechte dcs dcutschen Volkcü gewährcn se-
dcni Dcntschcn das Ncichsbürgerrccht, das
Nccht der Freizügigkeit, dic Freiheit der
Arbeit, dic Gleichheit vor dcin Gcsehe, die
Freiheit dcr Person, dic Htilighaltnng dcr
Wvhnnng. das Briefgchciinniß, däs Nccht
der srcien Prcsse, Glanbens- und Gc-
wissensfreiheit, das Rccht dcr bnrgerlichen
Ehe, die Frciheit der Lehre nnd Wissen-
schaft, dic Frcihcit des Unterrichts uiid dcr
Erzichnng, das Vereins- und Versainin-
Inngsrecht, die Uiiverlesjbärkeit des Eigen-
lhninö, öffentliches nnd innndliches Gerichts-
verfahren, dcn Schntz des Neichs im Ans-
lande u. s. w. Die Neichsverfassung übcr-
trägt die Würde dcs Neichsoberhanpts
nnter deni Titel: Kaiser der Dcnt-
schen eimni i egiercnden dcntschcn Fnrstcn,
in dessen Hans sse nach dein Nechte der
Erstgcbnrt iin Manncsstaniliic erblich ist.
Dcr Neichstag bestehc nach ihr ans dein
Staatcnhause und dcm Vvlkshanse. Die
Mitglieder dcs Staatenhanses werdcn zur
Hälftc dnrch die Nrgieriliigen und znr
Hälste dnrch dic Volksvertretnngen der
bctrcssenden Staaten gewählt. In Staatcn,
in welchcn nnr ein Vertretcr gcwählt wird,
schlägt die Negiernng drei Candidaten vor,
ans dencn die Kaininern einen zn wählen
habcn. Die Mitglicder dcs Volkshanses
werden dircct voin Volkc gcwählt. Dic
dein dentschcn Neiche znstehende Gerichts-
barkeit wird dnrch ein Neichsgericht ans-
geübt.

Nach längerer Bcrathnng stiinnlten nichr
als drri Viertheile der Äiiwescnden fnr
den Eonunisssonsantrag, die Einsnhriiiig.
dcr dcutschen Ncichüverfassnng von 18-i91

anznstrcben, während die Minderheit ssch
für cinc dnich die dcutschen Kaninicrnail-
znbahnende Centralgewalt init V.olksvcr-
trctnng anssprach. Uebcr das Ziel des
Nationalvereins ssnd also ini Prinzipe Alle
einig, dcnn Ccntralgewalt nnd Volksvcr-
tretung sind ja auch in der Ncichsvcr-
fassnng enthaltcn. Cin Äuseiiiandergehcir
schcint nur in dein Wcgc zilin Zicle zn
liegen; denn beide Ansschtcn wollen nnr
auf gesetzlichcin Wcge zur Geltnng koin-
men. Die dentschcn Kaniniern sowohl, als
dic öffenklichc Mciiinng ssnd bcriifen, den
Willcn dcr deutschen Nation nach Einheit
nnd freiheitlichcr'Entwickelnng des Vatcr-
landes zn fördcrn. Ini Uebrigcn haben
dic gestrigen Abstiiniiuiiigen vorerst keinen
practischcn, sonbern »nr eiiieii niöralischen
Werkh. Nach einer Mitthcilinig des Ge-
schäftsfnhrers dcs dcntschen ^iationalver-
eins wird in Cöburg nnr iiach Köpfen,
Nl'cht nach Völlinachten abgestinunt. Die
Meinnng der Mchrhcit dcr in Cöbnrg
Aiiwcscnden ist entscheidcnd für die Auf-
stellnng dcs Prograinins des National-
vereins in der dciitschcn Fiage. Znr rich-.
tigen Entscheidnng dieser wichtigen Frage
wäre deßhalb die Anwesenhcit ciner inög-
Uchst großcn Anzahl von Vereinsnu'tglic-
dern in Eoburg wnnschenswerih. (M. A.)

D e tt t s ch l a » d.

Karlsrtthc, 23. Slug. Lciut allcrhöchstcr Ordrc
cl. il. Schloh Mciuau,^ 20. d. M. , ttill Gciicral-

'AuSspnichcS dcr^SupcrarbilriiuiigScoiuiiiisstoii für Of»
sicicrc und KricgSdcamtc, uutcr Aiicrkcuiiuiig seinkr
trcucn Dicnstc, mit dcr Erlaubniß, dic Uniforin dcr-
aclivcn Gencralc auch fcrncrhiu zu tragcn, in dcn
Nuhcstand.

Kurlsruhe. 23. Aug. 22. öffentli.Äe
Sl'tznng dcr 1. Kanuner der Stände (Forts.
n. Schlnß). Prälat Ullniann verbxeitet
sich nber das Princip der'Gesetze, welches
er für das richtige hält, weil es ans der
Nalnr der Sache tiilsprnngen sei. Wäs
Gott dnrch dic Geschichte vereinigt habe,
solle der Mensch der Tlicorie wilien nicht
treiinrn. Diirch den Gesshentwnrf werde
das schon vor 40 Iahren gesprvchene große
Wort „Antononü'c" verwirklicht. Ob die
kath. Kirche Ursächc h'abe, nu't dem Ge-
sctzesentwnrfc znfrieden zn sein, wolle cr
hicr nicht n»tersnchcn;nach dein Aiissprnche
cinsichtsvollcr Katholiken glaube er indcsscn
dsesees bejahen zn diirfcn. Se. Dnrchl. dcr
 
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