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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Januar
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N» 3. S-nntag, 4. Zanuar

InsertionSgebuhren 3spaMge Petik-

L8«S.

Bestellungen auf die „Heidelberger
Zeirung" nebst Beilage „Heidelber-
ger Familienblätter" für das mit 1.
Zanuar 1863 begonnene 1. Luartal
werden fottwährend angenommen.

Die Expedition.

-sj Politifche Rundfchaü.

Bestehender Uebung gemäß, geben wir auch
diesmai mit dem Beginne des neuen Jahres
unsern Lesern e.nen Ueberblick der bedentende-
ren Zeitereignisse, die sich im Laufe des ver-
flossenen Jahres zugetragen habcn. Auch in
diesem ist zwar der äußere Friedcn im Aüge-
meinen bewahrt geblieben; gleichwohl ist sast
kcine einzige der vielcn obschwebenden, nach
fester Gestaltung ringenden, politischen Fragen
gelvst worden; wohl aber sind noch cinige wei-
tere, sehr bedenklich erscheinende, von Neuem
hinzugetreken.

Vor AUem gilt dicses leider immer noch
von unserem gemeinsamen Vaterlande, Deulsch-
land, aus welchcs wir unsere Blicke zunächst
wenben wollen. Nicht wenig hierzu hat bei-
getragen, daß in dem bedeutendstcn Staate
Nordoeutschlanbs, dem von v»elen seincr An-
hänger als cin Musterstaat der Zntelligenz
gepriescnen Preußen, die zu Ansange des
verflvffenen Jahres blvs von weitem drohenbc
Reaction nun wirklich mit Macht eingetreten
ist, daß verschiedene Ministerwechsel in immer
mehr rctrogradem Sinnc erfolgt sind, und die
den König «nd die Rcgierung umgarnende
Feudal - und Kreuzzeitungspartei mächtige,
in alle Scaatsverhältniffe tief eingreifende
Fortschritte gemacht hat. Hierbei crscheint eS
als ekn merkwürdiges Zeichen der Zeit, daß
der im Vordergrundc der äußcrn Handlung
besindliche Vertreter dieser Partei, der jetzige
Mfnistcrpräsident Bismarck, bei aller Nieder-
haltung ber liberalen Regungcn im Jnnern,
die sog. Actionspolitik Preußens nach Außen
keincswcgs aufgegeben hat. Viclmehr wirb
dieselbe eben im jetzigen Zcitpunkte wieder
sorgfältig gehegt und gepflegt, um dem miß-
stimmten Volke für bie Repreffion nach Jnncn
eine Art von Aequivalent zu bieten, und vor
Allem, um auf der von der Regierung ins
Werk gesetzten Vermehrung des Heercs bc-
stehen zu könncn. Jn dem Verhältnisse zum
dcutschen Bunde, zu Oesterreich, zu den dcut-
schen Miitelstaaten, bilven der mit Frankrcich
abgeschloffene Handelsvertrag, dic angcstrebten
Bunbesresoruien, die Delegirten-Versammlun-
gen, dic Gegensätzc der sog. klein- und groß-

Ein Eltern Paar.

Der Niederrheinische» Volkszeitung schreibt man
aus Dügcldorf oom 4. Deccmber: „Ein Verbre-
chen, wclches selten in der Criminaljustiz vorkommt,
wurdc heure vor dem königlichcn Assisenhofe ver-
handelt. Angeklagt warcn der Taglöhner Pcter
Anton Purrio, öO Jahre alt, geboren zu Honrath,
und Lcffen Ehefrau Anna Margaretha, geb. An-
hausen, 34 Jahre alt, betde wohnhast zu Koch bei
Dahlen, in dcr Nacht vom 22. zum 23. April d.
A. ihre drei Kinder Heinrich (geb. 1847), Mari»
Katharina (geb. 1849) und Mathias (gch. iLzg)
gemeinschaftlich, vorsätzltch und mit lleberlegung
gctödtet zu haben. Der Ehemann Peter Anton
Purrio ist dcr Sohn bravcr, verhältntßmäßig wohl-
hadmder Eltern (cr ererbte von ihncn ein Vermö-
gcn von 800 Thlrn.) und wird als ein Mann ge-
schildert, welcher vor seiner Vcrheirathung ordent-
lich und arbeitsam gewescn. Wider dcn Willen
seiner Eltcrn heirathctc er seine jetzige Ehefrau,
dic als hcrrschsüchtig, gcfallsüchtig, zänktsch und treu-
los dargcstellt «trd. Seit dieser Zcit gingcn seine
Verhaltniffe zurück und cndlich kaui cr mit seiner

deutschen Richtung, die leider immer größer
werdende Zerfahreicheit bes politischen Zustan-
des Gesammtdeutschlands überhaupt der Hand-
haben nur allzu viele, mil welchen Preußen
die von Bismarck wieberholt angedrohtc Action
erfaffen könnte, wenn anders einmal die hierzu
nöthige Energie vorhandcn ist, welche sich je-
doch bishxr immer vermiffen ließ, wenn man
in Preußen vom Willen zur That vorschreiten
wollte. Ein weikercr Zankapsel, bie kur-
hessischc Verfaffungs-Angelcgeuheit, hat in»
zwischen ihre gefahrdrohende Bedeutung, we-
nigstens für cinstweilen vcrloren, weil der
starre Sinn bes Kurfürsten, wenn auch nicht
zunächst der Beheüigung Bismarcks durch sei-
nen Feldjäger, so doch den hinzukommendcn
ernsten Vorsteüungen bes Wiener Cabinets
nachgab, und das hart und lange geprüste
kurheffischc Volk konnte cndlich, nach einem
12jährigcn Kampfe, den freilich für bie Dauer
noch prekären Sieg seiner Verfaffung feiern.

Jn Hannvver hat die kirchliche unb po-
litische Reaction eine Niedcrlage erlitten i Die
Katechismusfrage ist, unter Zurückbrängung
der pietistifchen Elemente, im liberalen Sinne
erledigt worben, und das Ministerium Borries
hat einem sreisinnigerea in grvßbeutscher Rich-
tung den Platz eingeräumt. — Um so mehr
bleibt in einem anderen norddeutschen Staate,
in Mccklenburg, fortwährenb Alles beim
Alten. Nach wie vor scheint bieses Land dazu
bestimmt zu sein, cin in die Nciizeit hereinra-
gendes Stück Mittelalter zu bildeu, und bas
gelobtc Land einer junkerlichen Feudalherr«
fchaft abzugeben. — Von der brennenbsten
allcr beutschen Fragen, der schl eswig-hol-
steinischcn, ist leider Jahr aus, Jahr ein
nichts Erfreulichcs zu bcrichtcn; dieselbe be-
findet sich im Allgemeinen, trotz allen Notcn-
und ProtokoUjchreibens, immer noch auf dem
allen Flecke. Die schon vor Jahresfrist pro-
nuncirten Tendenzen Dänemark's, in Bezug
auf Holstein zwar scheinbar nachzugeben, je-
dvch nur, um Schleswig um so entschiedener
einzuverlerben, haben inzwischen Fortschritte
gemacht, und sind selbst den vermiltelnre» Groß-
mächten gegenüber mit größerer Offenheit her-
vorgelreten. (Forts. f.)

* Politische Umschau.

Die Advvkat-Anwältc des Großherzogthums
Hcffen haben sich in einer Vorstellung an den
Großherzog um Aufhebung der Maßregel ge-
wandt, nach welcher dieselben in ben ersten
5 Jahren ihrer Bestallung entlaßbar sind.

Famtlie gänzlich an den Bettelstab. Die Krau,
selbst zu stolz, um zu betteln, schickte itzrc Kindcr
aus, Schule und Erziehung wurden hintaiigesetzt
und dic Folgc war, daß dtc obengenanntcn Kin-
der auf Len 23. Aprtl wegcn wiederholtcr Bcttelei
vor das Zuchtpolizcigericht zu Aachcn gcladcn wur-
den, der Vater glcichzcitig, wctl er die Kinder vom
Betteln nicht abgehalten hatte. Von dem durch die
Ktnder erbettelten Brodc hatte fich die Familie er-
nährt. Die Ladung wurde ihnen am 19. April
zugcstcllk. Von diescm Tage an lag die Frau nach
dem Geständniffe des ManncS dtcscm fortwährend
tn dcn Ohren, daß eS beffcr wärc, dic Kinder auS
dcr Wclt zu schaffen, als fie nach Brauweiler odcr
St-infels bringcn zu laffen, -wo sie bis zum 22.
LebenSjahrc blciben müßtcn; fic würden alödann
doch nichts vo» thnen habcn. Der Mann, welcher
ganz untcr dem Einfluffe seiner Frau stand, schcint
cndltch auf ihre Zuniuthuiige» eingegangen zu setn.
Er crbettclte fich von seinen Verwandtcn und Bc-
kannten dte Suinme von 4 Thlr. 22 Sgr. und
kaufte am Tagc »or der That eine Maaß Brannt-
wcin, »on welchem er am Abend stark trinkt und
dic Kindcr mit genießen. Rach 8'/r.Uhr Abends !

Die in KönkgSberg wohncnden Mitglieder
deS Nationalvereins haben sich für die deutsche
Reichsvcrfaffung von 1849 erklärt.

„Morningpost" freut sich, daß der Kaiser
von Oesterreich dem Reichsrath sagen kvnnte,
der Staatscredit habe sich gehoben und di«
Wohlfahrt des Landes sei im Steigcn; auch
sei das Programm deS Kaisers für die Zu-
kunft ebenso liberal in commercieller wie in
constitutioneller Beziehung. Preußen sollte sich
daran ein Beispiel achmen und denselben Weg
des Fortschritts betreten, dcnn es sei kaum
denkbar, daß mit einem solchen Beispiel vor
Augen der König von Preußen seine verfas-
sungswidrige Haltung bewayren könne.

Die „Köln. Ztg." schreibt: Schon seit eini-
ger Zeit war die wachscnde Spannung zwi-
schen Preußen und Oesterreich signalisirt wor-
den. Seit den idenkischen Noten war sie
offenkundig, und was seitdem geschehen, konnte
sie nicht ausgleichen helfcn. Die Delcgirten-
Affaire in Frankfurt hat sie selbstverständlich
chrerscits gesteigert. Oesterreich und Bapern
sollen am eifrigsten für das. Project wirken.
Solltc eS trotz der gestern bezeichneten Diver-
genzen, die bei den Gegneru, wie es heißt,
obwalten, zu einem Majoritätsbeschlusse kom-
men, so würden sie am Ende zwci sich gegen-
überstehende engere Bünde bilden, deren un-
ausbleiblicher Hader einc Krisis in nicht fer-
ner Zeit cntstehen lassen könnte. Der Verlauf
der Angelegenheit läßt noch manche Wendun-
gen und Zwischenfälle zu, aber die Politiker
beginnen die Möglichkeit jener KrisiS ins
Augc zu fassen.

Die Nachrichten aus Schdcsien, von der
steigenden Broblosigkeil und Nvth der Weber
und Spinner in der ganzen Provinz, werden
immer bedenklicher. Auch das große Etabliffe-
ment, welches die Bcrliner Firma Nauen,
Löwe und Co. in Nieberschlesten seit langen
Jahren unterhielt, ist in diesen Tagen völlig
geschloffen wvrden.

Die officieüe „Neue Hannoversche Zeitung"
stellt beharrlich in Abrede, daß bei der Ernen-
nung der neuen Mitglievcr des kvnigl. Mini-
steriums Einflüffe der k. k. öfterreichifchen Re-
gierung mitwirkcnd gewcsen seien.

Die franzöflschen Journale aüer Parteien
beklagen den frühzeitigen Tov dcS Erzbischofs
von Paris und rühmen deffen Versöhnlichkeit
und Wohlwollen gegen Zedermann. Während
seiner Krankheit haben alle Slände und Re-
ligionsgcnoffen ihre innige Theiluahme gezeigk.

fordcrt ihn die Frau zum Ertränken der Kinder
auf; um 9 Uhr begibt sich der Vater mit ihnen
auf den Weg, aber ntcht zum Gertchte nach Aachen,
sondern zur Lehlohcr Haide. Auf dieser bcstnden
fich mehrere FlachSgruben, circa 22 Kuß lang, 1b
Fuß breit und 2—3 Fuß, an einzelncn Stellen
5 Fuß tief. Dic Kinder, schon betäubt durch dcn
Genuß von Branntwcin, «rschreckt durch das alS
schreckltch thnen geschilderte Zuchtpolizcigericht, neh-
men, vielleicht ahnungSvoll, betrübt von dem el-
terlichen Hause Abschied und kommen im schauer-
lichstcn Wettcr auf der Haide an, «o fie unter
einem in der NLHe der FlachSgruben stehrnden
Bäumchen völltg criniidet einschlafen. Der Vater
nimmt nun etncn der Knaben (cr «eiß nicht, ob
zuerst dcn Lltcstcn oder dcn jüngsten) uud stößt ihn
in cine der FlachSgruben; er hört, wte daS Kind
Waffer gurgclt, im Waffer plätschert und — eS ift
eine Lciche. Dann trägt cr den zweiten Knaben
auf seincn Armen an dieselbe Grube, stößt ihn
cbcnfalls hinein und auch cr ist cine Letche. Zn°
zwischen ist das Mädchcn crwacht; es ruft: „Zun-
gens, «o seid ihr!" aber auch dicscS wird an ctne
16 Schrttte entfcrnte Grube gebracht und dork er-
tränkt. (Schluß folgt.)
 
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