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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Januar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2820#0073
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Bestellungen auf die„Hei-elberger
Zeilung" nebst Beilage „Heibelber-
ger Familienblätter" für das mit 1.
Zanuar 186S begonnene 1. Quartal
werden fortwährend angenommen.

Die Expedition.

tz Stehende Heere und Bokköbewaff-
nung in Deutfchland.

Wohl nie ist über de» Werth oder Unwerlh
der stchenden Heere gegcnüber einer allgemei-
nen Bewaffnung des Bolkes mchr geschrieben
und gesprochen worden, als in den letzien
Zahrzehnten des lausenden Zahrhunderts. Na-
tionalökonvmen, Historiker, Statisttker, Poli-
tiker und Zeitungsschreibei, fie Alle haben
mehr oder wcniger ihre Meinung über die
Emrichtung des Soldatenwesens, wie es heut,
zutage in Eurvpa besteht, änßern zn müffen
geglaubt. Und in der That, biese Frage ist
wichtig genug, um ein levhastes aügemcines
Jnterkffe zu erwecken. Wenn man die Stim-
men zählen würdc, welche sür und gege» bic
üblichc unb herkömmliche Art und Weise, bie
Siretlkräfte eines Vandes sür Kriegszwccke zu
bilden, zu ergänzcn und zu schulcn, stch äiiö-
sprechcn, so wärc wahrscheinlich d,c Zahl der
Gegner die überwiegende. Die Statistik wcist
ee mit Zahle» nach, was der einzelne Staat
für sein Heer jahrlich ausgibt, wie vicle Pro-
cente ber öffcnlllchen Einnahmen zu biesem
Zwecke ausgewcndet werden muffen, waö für
etne Menge von Eisendahnllnien, Knnststra-
ßen, Kanalen, Häsen u. s. w. mit ben bctref-
fenbcn Summen ausgesührt werden könutcn
und wahrlich, die Zahlen verdienen großen
Glauben. Dcr Politiker wird anführen, nur
>n einer Volksweyr ohne regelmäßige stehenve
Truppen könne ein frcier Staat regiert wer-
den; ber Histvrikcr dagegen wird die Solda-
ten ber ersten französtschen Republik, der deut-
schen Frelheitskriege u. dergl. Beispiele vor-
führen zum Belege ber Beyauptung, daß ein
lingedrilllcS Kriegsvolk, baö nur sur cine ge-
rechtc Sache kämpse, es mik den kriegsgeub-
iksten Feinden in offencr Feldschlacht ausnch-
men könnc. Zeitungsschreiber unb Andere
weisen äus das Bcispiel der sreien Schweiz
hin, wo ja bckanntlich jeder Bürger Soldar
ist und im Friedcn nur sür eine kurze Zcit
stch dem Waffcnbienstc zu unlerwerfen hat.
Diesen Meinungen stehl eine andcre gegen-
über, welche meistens von solchen Männern
auSgesprvchen wird, die das Waffenhandwerk
zum tsebenöbernf erwählten. Da Manche der-

selben in ihren Ansichten offenbar zu weit
gehen, so konnte es nicht fehlen, daß man
gegnerischer Seils gerne vvn Kamaschenhelden,
militärischen Zöpfen und Pcdanten spricht.
Was uns- betrifft, so ist es uns unmöglich,
unbedingt sür dic eine oder andere der stch
geradezu entgegenstehenden Meinungen über
die paffcnbste Art dcr Wehreinrichtirngen zu
schwärmen. Es ist wahr, daß das stehende
Heer schwercs Geld kostet, und baß in fast
allen größeren Kriegen junge Truppen unter
guter Führung Unglaubliches geleistet haben,
allejn man barf dabei doch auch nicht vergeffen,
wie in solchen Fällen die jungen und nicht
schulgerechk gebildeten Svlbaten stets vo» mei-
sterhaften Anführern geleitet wurden unb mei-
stens einen tüchtigen Stamm alter Truppen
tn ihren Reihen hatten. Es bürfte nicht schwer
sallen, dies an einer Rcihc von kriegsgeschicht-
lichcn Beispillen nachzuweisen. Zst nicht der
gegcnwärtige Krieg in Amerika ein neuer Be-
leg hiezu? Wic lange Vorbereitungen waren
von Seite dec Nordstaaten crsorderlich, die
Hunderttausende von Stadtsolbaten, die osk
srüher in ihrem iseben nvch keine Pistole ge-
laden hakten, noihdürstig zuzustutzen und enb-
lich in Beweguiig zu sctzcn? Wenn in der
Unionsacmee nicht Tausende unb Abertauscnde
von Deuischeii känipflen, die zum größten
Theil in ihrcr alten Heimath Svldat gewesen,
so stände es wahrlich noch viel schlimmer alö
es der Fall ist, um das nördliche Heer. Daß
bagegen bie Seceffionisten trotz ihrer Minber-
zahl viel schulgerechter unb aus diesem Grunde
mii mehr Ersolg sechlen, liegt weniger in ihcer
Begeisterung, als an ihren fachmaßig gedilde-
tcn Ansührern. Richtete man uut Milijhee-
ren mehr auS als mit stehenben, so hätten die
praklisehcn Fraiizoscn gewiß schon längst das
schweizerische Wehrspstem eingesührt. Bekannl-
ltch soll ein schweizer Reiterosstcicr eiust zu
seincr Schwabrvn also gesprochcn haben:
„Wenn i wnßi', daß Keincr abi faüe bhät,
so licß i bi Gott a chlin's Chalöppli an-
schlaga!" Damit soll übrigcns burchaus nicht
gesagt sei», als ob in dcn stehenden Heeren,
wie ste jctzt bestehen, das alleinige Heil zu
findcn sei, — nicht im Geringsten. Man ver«
einfache bieselben so sehr als möglich, ver-
ringere deren Bestand so weit es thunlich ist,
kürze die Dieustzcil ab und unterstüße nebcn-
bei die Wehrhaftigkeit des Volkes durch Auf-
munterung zur Bildung von Schützen-, Wehr-
und ähnlichen Vcreinen. Man betrachte das
stehende Hecr einsach als cinc Schule zur
Ausbilbiing vo» Oberosficieren und eines tüch-

tigen Unteroffrcicrs - StammrS, vhne welchen
kaum etwas geleistet werden kann, unterhalte
zu biesem Zweckc auch in Fricdenszeiten einen
vvllständigeii Gcneralstab nebst technischen
Truppen sowie die Rahmen ciner genügenben
Anzahl von Jnfanteriebataiüonen. Weist man
Letztercn alljährlich die in Wehrvereinen rc.
mit den Waffen vertrauten Zünglingc zn, so
würde eine dreimonatliche Dienstzeit, nebst eini-
geu kurzen Wiederholungskursen genügen, eine
brauchbare Znfanterie zu licfern. Der Ka-
vaüerie, den Zägcrn und ber Artilleric kann
bei ber heuligen Ausbildung der Kriegskunst
wvhl nichts an der Dienstzeit abgelassen wer-
dcn, allein bei den beiben ersten Waffen kommt
es weniger auf die Anzahl als auf bie Gütc
an unb man köiinie dic Zahl dcr Reiterregi-
menter vhne großen Nachtheil reduciren. So
lange abcr Frankreich unb Rußland stehcnde
Heere haben, wäre eö unpatriotisch, wenn ein
Deutscher für unbedingte Abschaffung dcr uns-
rigen stimmte.

* Politische Umschau.

Der Ausschuß des deutschen Nationalver-
eins soll äußerem Vernchmen nach am 1. Febr.
eiue Sitzung haben unb zwar, wenn nicht ir-
gend welche Hinderiiiffe einirctcn, in Leipzig.

Dem Abgeordneten Techvw, Gpmnastaldi-
rector zu Rastenburg, hat bas Provinzial-
Schulcoüegium zu Königsberg ausgegcben zu
erwägen , ob das Maubat als Adgeordneter
mit scineui Amtr als Direclor verembar sei.
Techow ist dcr Schwager des Präsidenten
Grabvw.

Die „Norbdcutsche Allg. Ztg.", welche zu-
weilen zu osficiösen Miitheilmigen Ver preuß.
Regieruiig bcnutzt wird, meldet: Es verlaulet,
daß nach völliger Gencsung Sr. Majestät des
Königs eine Conseils-Berathung behufs dest-
nitiver Beschluffe über die Vvrlagen wegcn
eines Ministerverantwortlichkeiks- und eincs
Ober - Rcchnuugskammer - Gesctzes stattfinven
werdc. Die Einbringung der Vorlagen wegen
Adänberung bes Gesetzes hinstchtlich der Dienst-
pflicht vvn 18lä ift sür die nächsten Tage be-
vorstehend.

Die „Ostd. Ztg." berichtet aus Poscn: Das
„Preußischc Volksblalt" wirb hier von vielen
HaupIIeuten der Garnison gehalken, um in
ihren Compagnien für die Zdeen des neupreu-
ßischen Volksvereins Propagaada zu machea
und „eiiien gute» Geist" untcr den Soldalcn
zu crzielen. Ein Solvat stand, dieses Blatt
lescnd, iui Hausflur der Post. Da trat ein

Eine Spazierfahrt nach der ncuen Welt.

(Fortfttzung.)

Zur Erheiterung der Gcsellschaft trug nament-
lich Herr Tulpe bei, der cigcntlich nur für die
zwcite Cajüte dezahlt hatte, wegen MangelS an
Raum in dieser aber die Vcrgünstigung genoß, die
erste Cajüte zu benutzen. Als Kurhaven und Neu-
wcrk pasflrt war, der Lootse Abschied genommen
hatte, die Schiffstrcppe eingeholt «urde, dic Küste
Deutschlands im Hintergrunde verschwamm und end-
ltch auch die „rothe Tonne" hintcr dcm Schtffe lag
und nun dasselbe flch langsam und niajcstätiich mit
scinem Bug in die Höhe hob und mit einem tie-
fcn, tiefen Dtener die Sec begrüßte, und die Gc-
flchter lang und dic Nasen spitz «urden :c., da
fragte Tulpc, ob denn die Schaukelei s° fortgchen
sollc bis Amerika, und als er auf diese Fragc ein
fürchterliches Za erhielt, bat -r de» Capitän, tm
englischen Canal anhalten und ihn in London aus-
steigen zu laffen, cr wolle gern auf die Hälfte der
Reisekosten vcrzichtcn und lteber mit der Ueber-
iandspost weiter „machcn."

Gleich von Hamburg aus hattc der Berliner

Wiikelmacher der übrigen Gesellschaft den Thee ver-
dvrben mit geköpsten und gehängten deutschcn Für-
sten und mit Pläncn zur LonftScation »lleS kai-
serlichen und köntgltchen VcrmögenS, und tm Ant-
litz des straffen, ftets schweigsamen Capitäns war
bercits ein bedenklichcr Squall aufgcstiegen, doch
wurde derselb« noch rechtzeitig durch Marr bcschwo-
ren, der von einem in Kurhaven ftationirtcn strcngen
Polizeicommiffarius nnd einer Durchsuchung des
Schiffes durch denselben fabultrte, woranf Tulpe
sofort die gemüthlichen Beziehungcn seineS Hauses
zum Prinzen Carl hervorkehrte. Dic Fürsten hat-
ten scitdcm ziemliche Ruhc, desto furchlbarer machte
er fich dem Capitän durch setne unabläsfigen„dum-
men Fragcn." DaS ruhig« Waffer biö Neuwcrk,
wclches ihm bereits für dte offenc See galt, flößte
ihm Vertrauen ein, und er crklärte, von Zugend
auf cinen Hang, Sccmann zu werden, in fich ver-
spürt zu habcn. Za cr wußte nach Berltncr Art
bereits Alles beffcr, und moqutrte sich, und fragte
den Capitän, warum er drnn ntcht noch mehr Sc-
gel aufspannte, eS gingc dann doch viel geschwin-
der. Dic Seekrankheit machte seinem Gcschwätzc
ein schniähliches Cnde.

„Der Rciz deS SeelebenS, schrcibt Marr, hört
gewöhnlich nach zchn- bis vicrzehntägiger Fahrt
auf. Die Menschen naturalisiren fich am Bord
eincs Schiffes so gut wie aus dcm Festlandc. Mtt
Ausnahmc eines sichcrcn Ganges auf dem schwan-
kende» Fahrzcuge streifcn sich dic eckigen uud liu-
kischen Beweguiigen, Manicren und Eigenthüm-
lichkcitey dcr Binucnlandbewohncr, wclchc bem Sec-
mann so häufig zur Ziclschcibc seines HuinorS die-
nen, allmälig ab. Der alte Ocean tst ein guter
Schulmeister und formirt seinc Lcute. Ach habe
Leute gesehen, wclche anfangs über ihre eigenen
Bcine stolpcrten und nach drei Wochen an ven
Wantcn mit hinauflieftn und, an der großen Rae
stchend, rcffen halfcn. Bcvor cs Einer aber bis
zur Erlaubniß vazu brtngt, hat er erst den Scha-
bernack der Matroscn zu crduldcn. Zch hätte hte-
rin um cin Haar den Ansang gcmacht. Zch stand
eines TageS mit Tulpe unweit dcs HauptmasteS
unb hörtc, wie ihn cinige Matrosen anfeuerten, tn
dtc große Rae hinaufzukiettcin. Jch erbot mich,
ihn zu begleiten, und «ir traten dic Rcisc, tch
voran, Tulpe hintkrdrein, an. Jch war bercitS biö
zur großen Kreuzstenge gelangt und sah dk» Ber»
 
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