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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Januar
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Sonntag, 2S. Zannar


L8SS.

Bestellnagen auf die „Heidelberger
Zeirung" nebst Beilage „Heidelber-
ger Fainilienblätter" für das mit L.
Ianuar 1863 begonnene 1. Quartal
werden fortwährend angenommen.

Die Expedition

* Politische Umschau.

Ueber die beim Bundeskage abgegebene Er-
klärung Prenßens und- Oe.sterreichs äuyert
die „N. F. Z.": Wer vor ein paar Zahren
eine direck gewählte Bcrtretung der gesamm-
ten deutschen Natton forderie, stand in Ge-
sahr, von der einen Scite her als phantasti-
scher Schwärmer belächelt, von der andern
als Hochverräther behandelt zu werden. Heute
nun sche» sich die beiden Großmächtc dahin
gebracht, dte Noihweudigkeit solcher Bertretung
am Buiidestage selbst anzucrkennen! Damit
ist das Delegirtenprojkct der Würzburger
gieruiige» und deS „Großdeutschen Vereins"
zu Grabe gebracht. Wir glauben nun zwar
noch keineswegS, daß unsere Nation sofort an
das Ziel ihreö gerechten Verlaiigens koinmen
werde. Aber immerhtn liegt ein bedeuisaines
Zeichen der Zeit vor. Dte Macht der Ver-
hältntffe, die Noihwendtgkeit, hat jene Negie-
rungen zu der bezeichneten Conceffion gedräugt»
Die kläglichen Flickwerkc einer schöpsungsun-
fähigen Reaciiv» zerbrvckelu und stürzen zu-
salninc» Stück um Slück. Darin erbltcken
wir wenigstens Lie erste Vorbedtngung einer
gesuiide» Ncugestaltiing. Arge Täuschung wäre
es indeß, verkennen zu wotlLN, daß diese selbst
vorerst noch i» weiter Ferne steht. Trcten
nicht größere Cretgniffc mtt unmittelbar drän-
gendcr Roihweiirigkeil etn, so wcrden wer
nvch lange aus ciuc wirkliche Vertretung der
deutschen Nation warten kvnnen, trvtz ver am
Buudestag gegebenen Erklärung Preußens und
Oesterretchs.

Die Hast des Nedacleurs Otto Hagen in
Jnsterburg hat nu» eudtich thr Cnde erreicht,
indem der standhaste Duldcr jüngst aus Gruud
eiues Altestes de? Gerichch - Arztes sKreis-
PhpsicusS aus dem Gesängniffe entlaffen wor-
den, va eine Berlängerung der Hasr mü Ge-
sahr sür Gesundheit und Leben LeS Verhas-
letcn vcrknüpst ist.

Emer bem „Niederschl. Anz." zugegangenen
Mitihetlung zusvlge haben iu Posen dicjeni-
gcn Osficiere, wclche Mitglieder des dortigen
Schachciubö waren, aus demsclben ausirele»
muffen, wcil einige Mikglteder dieses Clubs
zu den — Demokraten gehören.

Dr'e „Kreuzzeitung" sagt, das Petrrsburger
Cabinet protestire gegeu die Candidatur des
Hcrzogs Ernst von Coburg, indem es anführe,
derselbe stehe als Onkel des Prinzen Alsred
dem englischen Regcntenhause mindestens" eben
so nahe als der Hcrzvg vvn Leuchtenberg dem
russischen.

Wie die „Tproler Stimmen" aus glaub-
würdiger Queüe ersahren , tst bie vom „Va-
terland" aus in audere Blätter übergegaiigeiie
Rachricht in Betreff der Errichlung einer pro-
testaiitischen Pastorei in Meran „ungeuau und
ein Resultat diesfälliger Verhandkungen noch
keineswcgs erstvffen."

Die „Patric" erklärt die Angabe für falsch,
daß Rußland l'ir Vorausstcht späterer Ercig-
niffe Lruppen in Beffarabien zusammenziehe.

Durch königl. Besehl wcrden sortan die
Sklaven, welche mit ihren Herren aus der
Jnsel Cuba »ach Spanien oder einem andern
Lande kommcn, in dem keine Sklaverei besteht,
als frei angesehen werden.

Zn Griechenland steht es wirr aus; Räu-
bcrbanden wagen sich bis vor Kie Thore von
Athen. Die Beamlen gehorchen der Regie-
rung nicht und haben einen Club zu gegen-
seittger Unteistüßung gebilbet, dem anch rie
Osstciere des Heeres beigetreten sinb.

Zn Neuseeland «rscheint nun eine Zeitung
im Movri-Dialekt, von dem eingeboruen Kv-
nig selbst versaßt und herausgegeben. Seine
Majestät will Gesetzlichkeit und Liebe predi«
gen und verlangk vafür von seinen Lesern,
wie das Probeblatt sagl, sür jeve Nummer
drsi Pence.

D e utsch la n d

Wiesbaden, 2l. Zan. Zn allen Theilen
des Herzogihums bilden stch Commisstonen zur
Fvderung der dicses Zahr stattstndenden „All-
gemeinen Naffauischen Zndustrie-AuösteUung.»

Koburg, 19. Zan. Der „Leipz. Ztg."
zusolge >st oem Herzog Seitens Englands für
ben Fall der Annahme der griechischen Krone
cin bebcutendes Privaleinkommen (man neniit
80,000 L. jährlich) zugestcherl worven. Auch
hat, derselben Zeitung zusolge, die Konigin
von England vor einigen Tagen ihren jetzt
hier lebenden vcrtrautcn Rachgeber, Baron
v. Stockmar, aus telcgraphischcm Wege um
seine Anstcht in dieser Angelegenheit gefragt.
Baron v. Stockmar hat aber von der Wahl
ves HerzogS zum Throncandibaten für Grie-
chenlanb abgerathe», worauf er ausgefordert
worven ist, seinc Grünbe dem Könige der Bel-

gier näher zu entwi'ckeln, zu welchem jetzt der
Herzvg nach Brüffel abgereist ist, um mil ihm
in dteser Sache periönlich zu verhandeln.
(Siehe Brüffel, 22. Zan.)

Dresben. Der König hat dem, seit 1849
flüchtigen, vormaligen Gerichtsdirector K. B.
Gruner aus Rochlitz, aus Ansuchen, die straf-
sreie Rückkchr gestaltet.

Berlin, 20. Zaiiiiar. Die „Nordd. Allg.
Ztg." verstchert aus bester Quellc, daß jede
AuSsicht aus eine Zolleinigung mü Oesterreich
vom preußischen Minister-Prästdeoten auf das
Entschiedenste abgelehnt worden sei. Derselbe
habe vielmehr erklärt, er woste schos deßhalb
den Zollverein kündigen, um die Verpflichtuug
zu bescitigen, welche durch die Berträge vvm
19. Februar und. 4. April 1853 Seitens des
Zostvercins Ocsterreich gcgenüber eingegaugen
sei. Es sei nicht uninöglich, daß die entschie-
dene Ablehnung der Zvlleinigung mit Oester-
reich vas Hauptmotiv ker Verhinberung der
beabstchtigten Zusammenkuust der Minister von
Oesterreich unv Preußen gewesen sei.

Berlin, 21, Zan. Bei dem augenblick-
licheii Stillstanb des parlameiitartschen Lebcns
tritt die gestrigc bereiis kurz erwähnte Ge-
richtsverhandlung gegen den die verunglückte
„Amazvne" betressenden Artikel der „Garten-
laube" in den Borbergrund des Zntfreffes,
Mit großer Umsicht hac die VerlagShanblung
beS angegriffenen Journals AÜes beigebracht,
was auf die Ursache oder Verschulbung bel
jenem traurigen Ereigniffe Licht werfen kann.
Die Mittheiluiigen ber Morgenblätler darüber
lassen keinen Zweisel, daß — gelinde gesagt —
bei der Reise ber „Amazonc" mehr Borsicht
hätte Platz greisen müffeu, Die sehr erheb-
liche Thatsache, baß ber Coiiimanvenr des
Schiffes vor der Reise daS Dockeu ansdrück-
lich verlangt hat, ist seiner Zeit, nach ansäng-
licher Ableugnung, aus einer Erklärung Ves
Marinemiliistcriuins selbst, also amtlich con-
statirt worbe». Die scrnere Thatsache, daß
das Schiff im Hamburger Hafeu bei dcn Sach-
verständigen einen kiäglschen Einbruck gemacht
hat, ist in Hamburg stavlkunbig; man kann
sie dort auf Markt uiib Gaffen hören. Ebenso,
daß Lieutenant Hermann mit bösen Ahnungen
seine weitere Reije angetreten hat. ES hat
iii Hamburg eiuen wahrhatt erschütlcrnbcn
Eindruck gemacht, daßLieutenantHermann selbst
erzähltc, die Bilder der Seinlgen versvlgten
ihn unaushörlich und seine Sehnsucht nach
Haus sei eine sv kraakhaft gesteigerle, baß er
wohl fühle, er werde dte Heimalh nicht wieher-
sehen. Angesichts dieser durch den gestrigen

Eine Spazicrfahrt nach der neuen Welt.

(Fortsctzung.)

Der Scherz begann um zchn Lhr MorgcnS und
um vler Uhr Nachmittags, alS Lie Segcl in der
That anzogen und daS Scnkbler nachschlepptc, that
Pctrus-Tnlpe scincn lctzten vergeblichcn Kischzug.
Die Habgicr hatte ihn dcrgestalt verbiendet, daß
cs ihm nicht cinmal einficl zu fragcn, «arum der
Lapitän die Windstille nicht dazu bcuutzt hatte, um
en gros eine Geld- und Goldfischcrei zu hatten.
Zum Ueberfiuß hctztc man dcm unglücklichen Bru-
der dcs Begleitcrs des Prinzen Carl noch einen
Schrecken mit der Gcfährlichkeit der Rew-Found-
landsbank auf dcn Leib, der ihn dic ganze Racht
in den Kieidern bleibrn und am nächsten Morgen
»us wirklicher Ermüdung das Frühstück verschlafen
licß.

Vicrzig Tage waren aus der Fahrt vergangcn —
VaS Mehl begaun sauer, die Butter ranzig zu wer-
ben, auS den Puddings «urden nur noch dic Ro-
fincn herausgepickt, das Pökclflcisch schluckte man
nur aus Angcwohnhlit hinunter — und das Schiff

befand sich etw» 260 engltsche Mcilen von New-
Aork entfcrnt, da tauchte NachmittagS gegen zwei
Uhr am äußersten Horizont cin dunkles Pünktchcn
auf, und durch das Glas sah man dic Spitze cines
Mastes, von welchem eine blaue Flagge wehte.
„kilot hvst!" rief der Stcuermann, die drci Thürme
dcr Hamburgcr Flaggk gingen an die Gaffel, durch
das Fcrnrohr sah man das Signal beantwortct,
von zwei Fahrzeugen zugleich. Der Lapitän schob
das Glas zusammen und ging mit dcn Worten:
„Um sechs llhr ist der Lovtse an Bord" in seine
Cajüte. ES war erst „zwei Bells" d. h. nach christ-
lichcr Zeitrechnung fünf Uhr, das Schiff fuhr mit
halbem Winde, kcin Segel gcrcfft, da sausten und
schäumten die beiden Lootsensahrzeuge heran, scharfe,
klippcrartig gebaute Kore snck vt Sobvpnor, auf
dcn Wcllcn tänzelnd wic kokette Frauenzimmer auf
einem Balle.

Der eine von dicscn beidcn Schooncrn «arf ein
kleincs Boot auS; ein Lootse — jeder solcher Schoo-
ner hat dcren eine Anzahl an Bord — sprang
hineiu, zwci Mann am Riemen, und — „Zet ou!"
— Erst jetzt drehten wfr hci, daS Lootsenschiff aber
blieb in vvller Kahrt, befchrieb einen KrciS vor

unserm Bug vorbei um den Stern herum ustd
nahm, als eS auf Stcuerbordseite angelangt, die
ebenfalls untcrwegs befindliche Zolle, welche den
Lovtscn abgesetzt hatte, auf und fiog scinem vorauS-
geeiltcn Bcgleiter nach, «elcher auf ein auderes
am Horizont auftauchcndeS Schiff Zagd machte.
DaS Alleö ging mit ciner Hast vor sich, als oh cS
gälte ein Fcucr zu löschen. Der Lootse, ein baum-
langer Blondin, in schwarzem Obcrrock uird wcißem
Kilzhut, den er tm Nackcn ftatt »uf dem Kvpfe zn
tragen schien, schob geradcu WcgS nach dem Salon,
gefolgt vom Lapitän, warf ein Paket amerikani-
schcr Zeitungen auf dcn Tisch, nahm pon den Rei-
scnden mit einem wcniger als halb zweifelhaften
Kopsntcken Rotiz und ging alsdann mit dem üa-
pitän tn dcffen Privatcajüte.

Das war ber erste Amerikaner. Deutschland im
Zwischcnpcck hatte ihn mit cinem brüllenden Hurrah
begrüßt, aber der rvthe Aankee kcine Vcranlaffung
genommen, einige Worte dcs DankeS, wclche nicht
feiner Person, sondern der Sache galten, zu spre-
chen, und die deutsche Lordialität hatte gleich jetzt
dic Taufe abkühiender Enttäuschung erhalten. Der
Amerikancr nahm von kcineiii von unö auch nur
 
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