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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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April
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https://doi.org/10.11588/diglit.2820#0369
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N; s«


Donnerstag, 23. April

Zrlsertioasgebühren für die SsPaltigeWetit-
;eile werdea mit 3 kr. berechaer.

* Politische Umschau.

Seitdem der französtsche Kaiser sich mchk ge-
scheut. öffentlich auszusprechen, er könne sich iim
dic kleinlschen Jntereffen dcs Handels nicht küm-
mern, wenn er eine Zbee zu vertreten habe, sind
die Besorgniffe Ler Handelswelt, so oft ctwas im
Werk ist, schr erklärlich, und „France" hatte
so Unrecht nicht, wenn sie bemerkte, diesmal
könne man ruhig sein, denn Frankrcich handle
nicht fiir sich allein. Die Wichtigkeit der No-
ten, welche nun zur Verwendung für Polen
nach Petersburg gesandt wurden, ist daher
auch sehr nberschätzt worden. Es wird Ruß-
land nicht schwer fallen, das zu gewähren,
was Oesterreich siir die Nationalität, Frank-
reich snr die Freiheit der Polen und England
im Jntereffc der seinem Handel so förderlichen
Ruhc befürwortet. Aus den Noten, welche
wir jährlich näch dem blauen Buche veröffent-
lichen, werden unsere Leser ersehcn haben, daß
England ähnliche Noten das ganze Jahr hin-
durch in aüe Welt sendet, nach Spanien zur
Verwendung für die hart verurtheilten Pro-
testanten, nach Frankreich für die Räumung
Noms, gegen den Sclavenhandel nach Reunion
»nd dcn Antillen, dic Sclavenarbeit für den
Suez-Canal, die Menschenfagd zür Herbei-
schaffung von Nubicrn für den Dienst in
Meriko, nach Dänemark zur Mahnung an
Nachgicbigkeit u. s. w.; Niemandcn wird es
aber einfallen zu glauben, daß England seine
Ansichten und Wünsche mit Gewalt durchsetzen
wcrde, wenn ste keine Berücksichtigung fänden;
einen englischen Minister, der dies versuchen
wollte, würdc man fürs Tollhaus reis halten.
Frankreich hat im letzten Jahrc die Bereinig-
ten Staaten zum Frieden ermahnt; nach Spa-
nien in der eigenen Sache, als es sich in
Meriko zurückzog, heftige Noten gesandt; die
Pforte wegen Monlencgro und Scrbien arg
behelligt; Jtalien zum Verzicht auf Rom ge-
drängt; überall blieben seine Wünsche unbe-
rücksichtigk, es hat aber darum nicht zum
Schwert gegriffen, und daß Oesterreich für
Polens Nationalität und Freiheit Krieg führen
werde, glaubt wohl Niemaud. bci gesunden
Sinnen.

Der „Moniteur" sagt, man sei in London
über den Juhalt der nnn vcröffentlichten Corre-
spondenz zwischen Ruffell und Adams ziemlich
bcsorgt, was auch die Sprache der Blätter
zeige. Die Nachrichten aus Sprien lauteten
beruhigend; die Fanatiker seien verhaftet wor-
den und die ins Gebirge entflohencn Christen
nach Damaskus znrückgekehrt. Jn Franksurt
habe die dänische Versügung, durch welche
eigenmächtig die zwischcn Schleswig und Hol-
stein bcstehenden Beziehuugcn annullirt wür«
den, großcn Tadel gesundrn, und da Preußen
weder die Encrgie noch die Autorität mehr
habe, um sich, wie vor einigen Zahren, zum
Organ des Bundes z» cignen, so würdcn Oester-
reich und seine Würzburgcr Alliirten Einsprache
erheben, zunächst xrotestircn und dann den
Bund auffordern, seine Macht sür dic consti-
tutioncllen Rechte Holsteins und Lauenburgs
kinzusetzen.

Die Gutsbcsitzer von Girgcnti auf Sicilicn
geben in einem Manifest die Mittel au, um
die Refractäre cinzufangen und die Banden zu
ve.rnichten und erklären, wenn dieser Zweck
nicht erreicht wcrde, auswandern zu wollen.

Die in Rvm bewirkte Rcform im Justiz-
wcsen, durch welchc öffcnkliche Gerichte einge-
sührt wurden, bewährt sich nicht; der ärgste
Pöbel strömt zu und schüchtert dic Zcugen ein,
oie sich nun noch mehr von dcn Dolchen be-
droht glauben.

Die Deputirtenkammer hat Farini eine Pen-
sion von 25,060 Franken und eine einmalige

Unterstützung von 200,000 Franken bewilligt.
Zur Ehre dcr italicnischen Staatsmänner
wurde dabei constatirt, daß sie alle stch nicht
im Staatsdienste bereichert haben. Cavour
hinterließ nur fein väterlicheS Vermögen;
Azeglio verkauft seine Gemälde; Ratazzi hat
kaum sein Auskommen, und Farini erhält nun
cbensoviel als er bedarf, um seine Schulden
zu bezahlen.

Nach Berichten aus Vera-Cruz vom 22.
März standen die Franzosen vor Puebla und
wvllten den Platz am 16. angreifen. Die
Di'vi'sion Bazaine stand zwischen Puebla und
Meriko, um Zusuhr zu verhindern.

Deutschland

Karlsruhe, 20. April. 73. öffcntliche
Sitzung der zweiten Kammer. (Schluß.) Abg.
Beck sindet, daß der Gesetzentwurf manche
Bestimmungen unterläßt, wo eigentlich cin
Eingreifen in das Volkslcben am Platz wäre,
namenilich in Beziehung auf Sitte und Her-
komwen; der Staat soll mchr scin als einc
bloße Schutzanstalt für Freiheit und Eigen-
thum dks Einzclnen; Redner weist zum Be-
lege seiner Ansicht auf den Staat des Alter-
thums und aus England hin, und verbreitet
sich dann weiter darüber, daß der Erfolg dcs
neuen Polizei-Strafgesetzbuches wesentlich da-
durch bedingt sein werde, wie und durch welche
Persönlichkeiten es gehandhabt werden würde.
Bisher sei in der Regel die Polizei in der
Hand dcr jüngsten Lcute, dcr Anfänger, ge-
wesen; es gehöre zu deren Handhabung aber
mehr Erfahrung und Menschenkenntniß, als
selbst zur Ausübung der Zustiz. Deßhalb stelle
er die Bitte an die großh. Regicrung, als
Polizeibeamte vorzugsweise älterc und erfah-
renc Männer zu verwcnden und dieselben sv
zu stellcn, daß sie den Dienst nicht als bloße
kurzc Uebergangsstufe zu einem beffern an-
sehen.

Abg. Knies entgegnet den Ausstellungen
des Vorredners. Gerade das ist das Kenn-
zeichen des modernen Staates, daß er sich in
der Polizeigewalt auf ein engeres Gebiel zu-
rückzieht und der individucllen Freihcit des
Einzelnen so Manches überläßt, was dic Om-
nipotenz des alten Staates in ihrcn Bereich
zog. Mit Unrecht aber beziehe sich der Vor-
redncr auf England, denn gerade am wenig-
sten der Engländer würde sich ein Eingreisen
der Polizei iu die individuelle Freiheit ge-
sallen laffen. Der vom Abg. Prestinari aus-
gesprochenen Anerkennnng schließt Redner sich
an, und dankt namentlich auch im Sinne der
Polizeibeamten fiir die Vorlagc dcs Polizei-
Strafgeictzbuches, denn ihre Stellung und
Aufgabe wird einc viel gcsichertere durch dic
ihnen im vorliegenden Gesetz gegebene Rechts-
schranke.

Staatsrath Lamep: Bei der Abfaffung
dcs Polizci.Strafgesctzbuchcs mußte die großh.
Rcgierung vorhandenc Zuständc berücksichtigen,
stch an Gegebenes anschließen. Jn unserm
Strasgesetzbuch sind aber verschiedene Ver-
gehen ais s. g. polizeiliche ausgeschi'eden und
dadurch crgab sich die Nothwendigkcit, sic in
das Polizei-Strafgesetzbuch auszunehmen. Diese
Ausnahme in das Polizei-Strafgesetzbuch recht-
fertigt sich aber auch an und für stch. Gc-
wisse Handlungcn stehen so auf der Grenze
des Unrcchts und deS durch dic Sitte unb
das Herkommen Erlaubten oder Entschuldig-
ten, daß es eine großc Härte wäre, ste unter
den Begriff des strafrechtlichen Verqehens zu I
stellen.

Was den zweiten, vom Abg. Prestinari ge- ^
äußerten Wunsch betrifft, so ist die Regl'erung ^
bezüglich des GewerbegesetzeS der Ansicht, daß

l daSselbe von den Bestimmungen des Pvlizei-
Strafgesctzbuches nicht berührt werden soll.
Denn in das leßtere sind nur die allgemeinen
Strafen aufgenommen, nicht die, welche, wie
die Entziehung des Gewerbebetriebs, an be-
sondere Vorausseßungen geknüpft sind.

Gegenübcr den Ausführungen des Abg.
Beck bemerkt Redner, Sitte und Herkommen
werden nicht durch Strafgeseße am wirksam-
sten gefördert; ste bestehen unabhängig und
oft im Widerspruch mit den Strafgesetzen,
die wenig Einsiuß kn dieser Beziehung haben.
Die gute Sitte im Volk muß auf andere
Weise gepflegt werden: dadurch, daß man
auf Freiheit und Selbstständigkeit im Staate
hinwl'rkt. Jn diescr Beziehung sind die Mittel,
bie wir selbst bcsitzen, viel wirksamcr als po-
lizeiliche Strafen. Was den Wunsch auf
Anstellung älterer Beamten betreffe, so wcrden
eben, da die polizeilichc Strafgewalt an die
Gerichte übergeht, die für diese maßgebenden
Regcln cntscheiden. Die Klage übcr dic Be-
seßung dcr Stellen mit Anfängern ist übri-
gens nicht begründet, wenn man bedenkt, in
welchem Alter diese „jungen Leute" sind, wenn
sie angestellt werden. Anfänger sind in allen
Geschäftszweigen nicht so brauchbar, als er-
fahrene Beamte; aber wenn man die ersteren
deßhalb nicht verwcndcn wollte, so käme man
schließlich dazu, die Anfänger gar nicht an-
fangen zu laffen.

Es sprcchen noch die Abgg. Fröhlich,
Schaasf und Eckhard, welche namentlich
die Vorlage des Polizei-Strafgesetzes als sehr
dankenswerth anerkennen. Die allgemeine
Discussion wird hierauf geschloffen.

Nachdcm noch der Berichkerstatter Walli
sich übcr dic vom Abg. Prestinari erhobenen
Bedenken geäußert und namentlich seine An-
sicht dahin ausgesprochen hatte, daß, wenn
man im Gewerbegesetz die Strasbestimmung
dcr Entziehung der Gcwerbebefugniß beibe-
halten wolle, diese Strasart auch im §. 4 des
vvrliegenden Entwurss aufgeführt werden
müffe, wird die heutige Sitzung nach 1 Uhr
geschloffen.

Karlsruhe, 20. April. Wie wir ver-
nehmen, hat die italienische Regierung Schritte
bei dcr großh. Regierung gethan, um die An-
erkennung dcs Königreichs Jtalien und die
Herstellung geordneter diploMatischer Bcziehun-,
gen zwischen beiden Staaten einzuleiten. Die
großh. Regicrung soll sich hierauf veranlaßt
gefunden haben, in einer Circulardepesche an
deren Vertreter bci den auswärtigen Hösen
dieselben von ihrer Absicht zu unterrichten,
diese Anerkennung . eintreten zu laffen. Zns-
besondere habe sie der kaiserl. königl. österr.
Regierung gegenüber die Gründe aussührlich>
zu entwickeln versucht, welche sie bestimmen
mußten, bci der Entscheidung dieser Angelc-
genheit Gesichtspunkte vorwaltcn zu laffen,
wodurch sie nicht in einen politischen Gegen-
satz weder zu der Mehrzahl der curopäischen,
noch auch zu einer der in Bchandlung der
Anerkennungsfrage nicht übereinstimmenden
deutschen Großmächte gesetzt würde. Die großh.
Regierung sieht darnach nunmehr der officiellen
Notification der Annahme des Titels eineS
Königs von Italien dnrch Se. Majestät den
König. Bictor Emanuel in Bälde entgegen.

Darwstadt, 20. April. Bestem Verneh-
men nach hat gestern eine geheime Sitzung
der zweitcn Kammer staltgefunden, in welcher
cinstimmi'g beschloffen worden ist, an den Groß-
herzog die Bitte um Ermäßigung der Civil-
liste zu stellen. Nach unserer Verfaffung wird
dic Civilliste auf Lebensdauer festgesetzt, und
cs kann daher ohne Einwilligung des Regen-
ten keine Abänderung derselben vorgenommen
werden.
 
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