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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Juni
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https://doi.org/10.11588/diglit.2820#0517
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sr? 12s

Srscheint, MontagS auSgenommen, täglich.
PreiS vierteltährlich 54 kr.

Kreitag, S. Zunt

znsertiousgebühren für die SspaltigeIPetit-
;eile werden mit 3 kr; berechner.

L8S3.

Auf die „Heidelberger
Zeitung" kann man sich
noch sür den Monat
3uni mit 18Kreuzern abonniren bei allen Pvst-
anstaltcn', de» Boten und Trägern, sowie der
Erpedition (Schiffgaffe Nr. 4).

* Politische Umschau.

Das Ministerium in Lippe-Dctmold hat die
Bilbung ciner ForlschrittSpartei verboten.

Ein einziger Blick auf die Verordnung deS
preuß. Ministeriums genügt, um zu erkenuen,
daß durch sie bis auf zehn, zwölf Organe
sämmtliche Zeitungen Preußens in ihrcr Eri-
ficnz dauernb bedroht sind, denn sie alle schrei-
ben in liberalem Sinne; ihre „Gesammthal-
tung" kann also bald sür so anstößig defunden
werdc», daß sie zwei Verwarnungen sich zu-
gezogen haben, sie wiffcn nicht wie. Und dann
hörl die Zeitung zu erscheinen auf. Jn Berlin
sind wegen ihrer Haltung nur gesichert der
„Staatsanzeiger", die „Kreuzzeitung", daS
„Volksblatt", die „Bekliner Revue" und die
„Norddeutsche Allgemeine Zeilung".

Die StaatSzeitung meldet, daß die Bevöl-
kerung bcS Königrcichs Jtalien 21,776,953
Ende 1861 betragen, sich mithin gegen bas
Vorjahr um 175,827 gehoben habe.

Jm 5. Pariser Wahlbezirk, wo Jules Favrc
und der Holzhändler Levp sich um das Votum
streiten, hatte Letzterer die Nolabeln des Wahl-
bezirks eingeladcn, um sein politisches Glau-
bensbekenntniß vorzutrage». „Billigen Sie,
sicl ihm ciner der Anwesenden ins Wort,
dilligen Sie die mericanischc Erpedilion?" Herr
Levp stammelte ein „Nein". — Habcn Sie,
wurde weiter gefragt, die Regierung, bevor
sie die Candibatur von ihr annahmen, hiervon
in Kenntniß gesetzt? Herr Levp konntc nur
mit einem zweiten „Rein" erwioern, worauf
Pseisen und Lachen ihn am Wciterreden ver-
hinderten.

Während der letzten Soirce bei ber Prin-
zessin Mathilde, welcher auch bie Kaiserin bei-
wohntc, bildetcn die Wahlen den Hauptgegen-
stanb ber Conversation. Hr. v. Persignp sprach
die Ueberzeugung auS, daß vas Kaiserreich
siegreich aus dcm Kampfe mil ber Coalition
hervvrgehen unb eine ungeheure Majorität
sür bie RegierungScandibate» stiinmen werde.
Sollte es jcboch, mcintc der Minister des Zn-
nern, wider alles Vermuihen der Opposilion
gelingen, durch ein Dutzeud ihrer Anhänger
die Fackel der Zwictracht und ver Wibersetz-

Ein ausopfernder Onkel.

Zwei junge M-inner in Wien, gleich an Stand
und geringem Bcrmögen, an Augend, Bildung
unb angenehmcr Erscheinung, habcn zu all' dicscr
Gleichhcit noch dic, daß sic sogar einen gemetn-
samcn Onkel besitzen , dcr reich und unverheirathct
ist und von dcm Ieder von ihnen einstmals eine
Erbschaft crhofft. Das Schiiksal ließ fich jcdoch
mit dtrser viclfachen Identität noch nicht genligen,
es bewirktc auch, daß die beidcn jungcn Männcr
fich in ein und daffelbe Mädchen verliebten. Eine
solcheBegegnung undUebercinstimmung derGesühle
tst jedoch, wic dle Erfahrung lchrt, stets das sichcrste
Mittcl zur Zwietracht. So cntspann fich denn auch
«ine Bittcrkeit und Eifcrsucht zwischen den bciden
Vettcrn, welchc ihrer ganzcn Familie gercchtcn
Grund zu Bekümmcrniß und Sorgc gab. Jm
Augenblick, da der Haß am hcftigsten cntbrannt
war und bercitS der Vcrdacht entstand, die Nebcn-
buhler hätten eS auf ein Duell abgcsehen, wurden
fie von ihrem reichen Onkel zu einem Iunggesellen-
Souper eingeladen. Sie hatten Rückfichten zu

lichkeit in die Kammer zu schleudern, so werde
der Kaiser nicht anstehen, dem Beispiele seines
OnkelS z» folgen und den gesetzgebenden Kör-
per auf mehrcre Jahre zu schließen. — Die
Kaiserin billigte diese Ansicht nichk und ver-
stcherte, der Kaiser werde sicherlich nicht un-
constitutionstel handeln. Der Minister dcs Jn-
nern aber erwiederte: daß der Kaiscr und er
einverstanden und clitschloffen scien, nöthigen-
falls zum Aeußersten zu schreiten, denn, fügte
Se. Ercellenz hei, „wir flnd keine Regierung,
die in einem Fiaker davonfährt."

Deutschland

Karlsruhe, 3. Juni. Das großh. bad.
Regierungsdlatt Nr. 24 enihält cine Bekannt-
machung des großh. Ministeriüms des großh.
Hauses und bcr auswärtigen Angelegenheiten
vom 22. v. M., den Abschluß eines Freunb-
schafts-, Handcls- unb SchifffahrtSvertrags mit
China betreffend.

Karlsruhe, 2. Zuni. (95. öffentlichc
Sitzung der 2. Kammer. Schluß.) Kuscl
wärc heute schon sür Giltigkeitserklärung;
man solle nicht wegen jeder grundlosen Be-
schwerde Untersuchuug einleilen; bei der Wahl
Roßhirts habe man wegen Beamteneinfluffcs
auch nicht eine solche eingeleitet. Moll: Die
Acußerung sei angeblich in einer Versammlung
gcfallen und so bcstimmt gefaßt, daß BeweiS
nothwendig werde, denn er würdc sür Ungil-
tigkeit stimmen, wcnn die Beschwerde wahr
wäre. Walli: Die Kammer sei nicht beru-
fen, das Jntereffe bes Gcwählten zu wahren.
Die Aeußerung sei ohnehin unerheblich, höch-
stens unklug; das Versprcchen sei nicht be-
stechlich. Prestinari anerkennt, daß die
Commisston hcule noch strcnger verfahren sei
als bei der Roßhirt'schen Wahl, obgleich sie
aus lauter Gegnern dieses bestehe. Desto
eher könne er auf seinem früheren Slandpunktc
verbleiben. Er glaube nicht, daß bie Aeuße-
rung geschehen sci, wenn aber auch, so liege
eine Bestechung nicht vor, denn es sei kaum
möglich, daß ein Abgeordneter für einzelnc
Orte wirke. Er hättc gewünscht, daß ein
Antrag auf Giltigkeitserklärung von Walli
oder Kusel gestellt worden wäre. Walli thut
dies. Prestinari: Er stimmc bei: Stigler
soll für die Widerlegung selbst sorgen. Eine
formclle Bemerkung müffe er noch machen,
es sci nicht 'in der Orduung, daß zwei Wahl-
männer daS Wahllocal verlassen haben, denn
Niemand könne jetzt bcstätigen, daß sie ihre
Wahlzettel selbst geschrieben. Beck erklärl

stch für den Antrag Walli's. Er habe firenge
Grunbsätze und stch bci der letztcn Wahl auch
stark ausgedrückt, wcshalb man ihn in der
Preffe wiederholt recht schwarz angeschuldigt
habe. AuS blos formellc» Gründen, die das
Wesen nicht betreffen, werde er keine Wahl
anfechten. Hätte ber Gewählte nach seiner
Beeidigung solcheS Versprechen gemacht, so
wäre das nicht recht, so aber habe es gar
nichts EhrenrührigeS; daS komme in England
täglich vor. „Zch werde für Euch thunj was
ich vermag", hätten gewiß alle Deputirten
ihren Wahlmännern schon gcsagt, das sei so-
gar Pflichl. Abg. Kirsuer ist überzeugk, daß
die Worte nicht so, wie behauptet wirb, ge-
sprochen wurden, hält ader bie Sache doch
für wichtig genug, um dem Commissionsan-
lrag beijustimmcn, deffen Annahme selbst im
Zntereffe des Gewählten liege. Staatsrath
Lamep: Wenn es sich bloö um die Person
des Gewählten hanbclte, dann wäre er auch
dieser Ansicht; allein die Sache ist weitgrei-
fender. Man schafft durch Annahme des Com-
missionsantrags ein Präjudiz, das den Maß-
stab für künfiige ähnlichc Beschwerden abgibt,
durch welcheö der Bestand des hohen Hauses
namentlich zu einer Zeit, wo eine Anzahl Ab-
geordneter ausgetreten ist, in Frage gestellt
wird; eS kann baraus eine wirkliche LandeS-
calamität entstehen. Man muß bei der Be-
hauptung, daß eine Einwirkung geschehen sei,
doch auch prüfen, vb rie Aeußerung, wodurch
dies gcschehen sein soll, dazu gceignet ist, auf
veruünstige Männer, und sür solche muß man
doch die Wahlmänner halten, einen Eindruck
zu machcn. DieS ist aber die dem Gewähl-
ten zugeschriebenc Aeußerung nicht. Maa
wünscht, daß nach dem Vorbilbe EnglandS die
Wahlcandidaten sich persönlich den Wählern
vorstellen und einen Vortrag halten; wenn
man aber wegen jeder Wahlrede eine Unter-
suchung anstellen will, dann wirb sich jeder
hüten, feinc Ehrc, auf jede alberne Nachsage
eines BöSwilligen hin, eincr Untersuchung
preiSzugeben. Die Abgg. Wagner und A l l-
mang erklärcn sich ebeufalls sür den Antrag
deö Abg. Walli. Abg. Eckhard erklärt sich
in längerer Rebe im Jntereffe des Gewähl-
ten sclbst, für dcn CommissionSantrag, die
Abgg. Ächenbach, Paravicini u. Fisch-
ler für den Antrag des Abg. Walli, welcher
auch, nachdem Staaisrath Lamep uochmals
gesprochen und Berichterstatler Mathp er-
klärt hatte, daß er daS Urtheil der Kammer
überlaffcn müffe, übrigenS ben CommissionS-
antrag aufrecht erhalte, mit 28 Slimmen an-

bcobachten nnd konntcn daher nicht vcrmeiden, ber
rhm mitcinander zusammenzutreffcn.

Das Souper, wobei kcine andcren Gäste außer
den beiden andercn Neffen zugegen «aren, verlief
cinfilbig trotz allcr Gcnüffc, welche cs bot. Erst
als der Tisch nur noch mit einer Cigarrenkiste und
mehreren Flaschen bcsctzt war, brachte Ler Ohcim
kas stockcnde Gespräch in Fluß, inbcm er fich von
demjenigcn seiner Neffcn, welcher ihm der Sanf-
tere und Vernünfkigere zu scin schien, dte Licbes-
gcschichte erzihlcn ließ. Bisher kannte er nicht
einmal mit Bestimmthcit dcn Namcn und die Ver-
häliniffc der AuSerwähltcn; da er nun aber AllcS
crfahren hatte, ließ er das folgcnde Wort der
Wcisheit vernehmen:

„Wic ich sehe, hat der unfinnigc Strcit zwischen
Euch nicht einmal dic Gewißhcit zur BastS, welchcr
von Euch der Bcgünstigte ist. Keiner hat sich dem
Mädchcn erklärt. Zm Grunde war daS wohlgethan.
Denn dkr Schönen wäre eS ficherlich schkver gcwor-
den, fich mit Bcstimmtheit auszusprechen, wenn
fic dabei fürchten mußte, mit dcm Glück, das fie
dem Einen giebt, dr« Anderen eine tödtlicheWunde
zu schlagen. Ihr braucht also einen Vermittlcr,

dem fic sich unbefangen anvertrauen kann. Drum
wäre mein Rath, Jhr schließt Euch der bcwußtcn
Reisc nach dem Orient an, da sammelt Zhr einige
Erfahrung und tnnere Ruhe, seht dte Welt mit
andcren Augen an, lcrnt Euch mit einander ver-
tragen — und wenn Zhr zurückkehrt, also i» drei
Wochen, habe ich indeffen erforscht, wer «on Luch
glücklich sein soll. Dcr Andcre wird mittlcrweile
so viel Faffung in fich »orbercitet haben, scincn
Korb zu crtragen. Eure Abwcscnhcit ist aber auch
dazu gut, daS MLdchen unbefangcner und ohne
Verlegenheit cntscheiden zu lasscn."

llnd so geschah eS. Die jungen Männer schloffen
sich der VergnügungSreise nach dcm Orient an und
legten ihrc Herzensangelegenhcit in die HLndc deS
weiscn Onkcls. Wir wisscn nicht, wic fie fich un-
terwegS mit cinander vcrtragen habcn mögen, kaum
waren fie aber wiedcr heimgekehrt, alS fie mtt aller
Gluth li-bend-r Ungcduld nach dcr Entscheidung
ihres Schicksals forschten. Dcr gemeinsame Onkel
war bereitS aufs Land gczogen und die Geliebtc —
es stand in den Sternen geschriebcn, daß ihnen
auch diese gemeinsam angehören sollte — die Ge-
liebte war tndcffen ihre gemcinsame Tante gewor-
 
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