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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Juni
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https://doi.org/10.11588/diglit.2820#0550
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der mit den dortigen Zuständen und Verhält-
niffen ziemlich vertraut ist, berichtet uns, daß
dre Leistunge» preußischer Beamten auf dem
Gebiete deS Auskundschaftens und Spionirens
dic Erwartungen der Ruffe» selbst übertreffen.
Die Landräthe der an Poldn grenzenden west-
preußischen, posen'schen und schlesischen Krcise
unterstützen nicht nur die rujsischcn Jntriguen
und Einfädelungen, sondern gehen in ihrem
Diensteifer öfters so weit, daß sie sast täglich
sörmlich zum Rapport bei den russischen Ober,
osficicren über dic nun mei'st von prcußischen
und russtschen Soldaten beseßte Grenze gehen,
den BefehlShabern Meldungen machen und
russische Verhaltungsvorschristen entgegenneh-
men. Jn.ben meisten Grciizorten sind preußische
Polizeibeamte mit einer cntsprechenden Anzahl
Verirauensmännern aufgestellt, welche den rus-
sischen Otficiercn federzcit zur Verfngung stehen
und von denselben nach Gutdünken auf pol-
nischem oder preußischem Boden verwendet
werden. Dies alles geschieht i» der Hoffnung
auf OrdenSverleihung und der schlaue Ruffe
ermangelt nicht, solche Hoffnung wach zu er-
halten. Für bic leiseste Andeutung eines rus-
sischcn Obersten, Vaß er den Herrn Landrath
zur Decoration mit dem Wladimir- oder Sta-
uislausordcn vorschlagen werde, erreicht der
brave Nachbar des Staates der Jntelligenz
alles und hält dann auch öfters sein Wort,
wenn er erreicht hat, was er wollte. Daher
kommt es, daß mancher consequente Landrath
sich selbst vorschlägt und mit seinen Vcrdiensten
um die rufsische Sache oßcn hervortritt. —
Es ist unvcrkennbar, daß die preußische Ver-
saffung durch falschc Auslegung in schnvdcster
Weise verletzt wordcn ist. Meinte man es
ehrlich mit der Verfaffung, dann konnten die
Kammern nur aufgclöst werden. Zu der in
der sogcnaiiiiten Schließung liegcnden Ver-
tagung war kein Grund gegebcn, denn daß
binnen vier Wochen »ichts geschehen wird, waS
eine Heilung des bcstehenden Conflictes erwar-
ten ließe, ist unzwcifelhast: zu einer wirklichen
Schließung war vvlleiids kein Grund vorhan-
dcn, denn die Geschäfte sind nicht halbwegs
erlebigt worben. Bismarck, ber so schön
haust und so GroßeS vollbrachte, wird nächste
Woche seinen Monarchen nach Karlöbad be-
glciten, nach jenem Badeorte, der durch die
berüchtigten Confercnzbeschlüffe Metternich's
in der beutschen Grschichkr eine traurige Be-
rühmtheit erlangt hat. Dem deutjcheu Volkc
mag sich mehr als eincm andern bieten laffen,
aber doch nicht alles.-Sind doch dic Preußen
wabrlich nicht die Hörigen oder Grundholdeii
(uubckiti) eiuer Handvoll Junkerfamilien, wie
ein Pubucist treffenb bemerkt hat, sondern der
größie und mächtrgste, in schweren Prüfungen
ruhmvoll erprobtc unb bewährte Bruderstamm
der deutschen Nation. Natürlich Vcrfehlt die
große deutsche Preffe nicht, aus den jiingsten
deklagenswerihen Vorgängen in dem «taate
Friedrich's deS Großen, deffen Ueberliefcrun-
gen eine vernagelte Feudalpartei gänzlich ver-
gcffen zu haben schemt, sür sich politisches
Capital. zu machen, wozn allerdings die Si-
tuativn sehr günstig ist.

Wunsch wird von allen denen getheilt, bei welchen
die große Vorzeit GricchenlandS und sein belden?
müthiger Kampf für scine Unabhängigkeit in un-
vergeßlicher Erinnerung lcben. Und wcnn dcr junge
König sein Vaterland verläßt, um zu sciuer neuen
Hkiniath zu ztehcn, wird dieser Wunsch von Seiten
des Königs und bes Volks von Däncmark iaut
ertöncn und ihm trcu folgcn." Darauf lud der.
König dcn Prinzen ein, aus die zwcite Stufc d-S
Thrones vorzutreten und richtete darauf folgende
Worte an ihn: „'Ach will Dir, bcvor Du diesen
Platz verläßt', noch cinen herzlichen uild wohl-
gemcintcn Rath gebcn. Laß cs stcts Detn Streben
scin, die Liebe Dcines Volks zu gcwiuncn und zu
hcwahren; ich wtll mich nicht dcsscn rühmen, aber
ich spreche aus Erfahrung, wenn ich Dir sagc, daß
darin das wahre Glück eineS KönigS besteht. Halte
treu an der Verfaffung DeineS Landcs fest, strebe
stetS, ihr Anerkennung zu verschaffcn und sorge
dafür, daß fie bcfolgt «ird. Wcnn Du Dir dicß
zur Regel machst, wird es Dir und Dcinem Landc
wohlergchen.' Der König ließ fich daranf durch
den Ordcnsmarschall die Dekorationen des Elephan-
tenordens geben, erhvb fich, trat dem Prinzen näher .

— Mannheim, 12. Juni. Der für dke
Anwesenheit unseres allverehrten Großherzogs
bei dem bevorstehcnden Schützenfeste auf dem
Festplatze zu erbauende Pavillon wird an einer
so gut gewählten Stelle errichtet, daß von
hier aus der ganze Festplatz nach allen Rich-
tungen überschaut wcrdcn kann. Jn gleicher
Linie mit den Schießständcn liegend, kann man
seitwärts durch dieselben ihrer ganzen ausge-
dehnten Länge nach hindurchblicken, während
man gcrade auS sämmtliche Schciben vor
Augen hat. Außerdem ist ein ungehinderter
Blick auf die Eingangspforte, den Gabcn-
tempcl und die verschiedenen Wirthschasls-
und Restauratl'onSlocalitäten, wie auch auf
den für das Volksfest angewiesenen District
möglich, so daß dem von hier aus umher-
blickenden Auge kcin merkwürbiger Punkt auf
dem ganzen von dem VolkSgewühle wogenden
Raume entgehen kann. Die Baulichkeiten und
Einrichtungcn sind nun so weil vorgeriickt,
daß man sich jctzt schon eine lebhafte Vor-
stcllung von dem vollständig ausgeführten Plane
bilden kann; indeffen sind noch günstiges Wet-
ter, Arbeitskräfte und rastlose Thätigkcit er«
forderlich, um in der verhältuißmäßig noch
kurzen und täglich mehr zusauimenschmelzenden
Frist Alles zu vollenden. Täglich laufen noch
Anmeldungcn zum Feste, täglich noch Ehren-
gaben, zum Theil sehr reiche und sinnige, ein,
und die gar nicht zu bescheidenen Erwartungen,
die man von vornherein von dem Feste hegtc,
scheinen jctzt schon weit übertrvffcn zu sei».
Die größte Schwierigkeit wird aber darin
It'egcn, dic ungeheure Menge von Gästen an-
ständig untcrzubringen; denn noch fchlt eine
bcdeutende Zahl von Quartieren, so großartig
und nvbel auch die Anerbietungen stnd, womit
einzelne Bürger entgegcnkommen. Aüein ich
zweiflc nicht, baß auch dieses Bedürfniß seine
Befriedigung finden wird; bei der Lehrcrver-
sammlung hegte man ähnliche Besorgniffe,
allein die Liberalität der Bürger übertraf so
sehr die an sie gemachten Ansprüche, daß zu-
letzt noch viele von den schönsten zugeriisteten
Gastzimmcrn unbenutzt blieben unb mancher
Eigenthüäier fich gekränkt fühlte, daß er leei
anögiiig. Diese alle werden jetzt für ihren
wcitherzigen Liebesdrang Befriebigung finden.

Berlrn, 8. Juni. Je Mkhr bie liberalen
Blätter/ um ihre Eristenz zu fristen, sich zu-
rückhalten, desto weiter geht die reactionärc
Preffe für eine ncue Wendung der Diuge ins
Feuer. So z. B. will dic Berl. Revue, welche
neulich die dänischen Ordoniianzen vom 30.
März ganz in der Ordnung fanb, auch die-
jenige Revolulion beseitigt haben, welche ge-
stickte Fracks trägt, sich i» die Roben der Ge-
lehrsamkeit hülll und goldcne Amtsketten trägt.
Zu Obcr-Bürgermeistern solleu künftig nicht
mehr entlaffkiic Staatsbeamte bcstäligt wer-
den; die städtischen Lehrer sollen streng beauf-
sichtigt werdcn, bis auf bic AmtSaspiranten
herunter soll einc strenge Conlroie über die
Beamien ausgeübt werden rc.

Breslau, 11. Juni. Die hicsigen Stadt-
verorbneten haben die Absendung «iner Depu-
tation an den König beschlvffen, bchufs der

und redcte ihn mit folgendcn Worten an: „Ehe
ich Dich zu der hohen Stufe crhcbc, dic Du bald
cinnehmen sollst, will ich, während Du noch Prinz
von Däncmark bist, am Fuße dcs Throns Dir cin
fichtbares Zeichen dcr Gnadc Deincs Königs gcben,
indem ich Dich zum Rittcr vom Elephanten erncnne."
Nachdem der König daraus dcn Prinzen mit Band -j
und Stern dcs Ordcns dekorirt hatte, ließ cr ihn
auf die höchsten Stufen dcs Thrones an seinc Seitc
tretcn, umarmte und küßte ihn dreimal, worauf
cr mit den Worten schloß: „Empfangc dcn Segen
Deines altcn KönigS; Gott fei mit Dir auf Deiner
Zukunft, Wegen!" Gegen 12>/, llhr «ar die Au-
dienz, der außer dem Hofstaate auch die Minister
und dic Gesandtcn der Schutzmächte bciwohnten,
bcendct, und die Deputation entferntc fich unter
Beobachtung dessclbcn Ceremoniclls wie bei dem
Eintritte in den Thronsaal, worauf auch der König
mit dcm ncuen König Georg zur Ltnken, den Prin-
zen und dcm übrigcn Gefvlge den Saal »erließ.

Das weltbekannte Heidclbergcr Faß hat dieser
Tage eincn ebcnbürtigen Concurrenten in «inem
, Faß aus dcr Werkstätte des Schäfflermeisters Dorn

^ Ueberreichung einer Petition um Rücknahme
der Preßordonnanzen und auf Landtagscinbe-
rufung. Obcrbürgermeister Eüwanger ist ent-
fchi'eden dagege» aufgetreten. Die Dcputation
reist schou heute Abend nach Berli'n ab.

Aus Westphalen, 8. Juni. Dic Ein-
berufung in bie Landwehr geschieht jetzt mit
besonderer Strenge. Auf einem größeren Hüt-
tenwerke i'n Werdohl, auf welchem beibe Gatten
lebensgefährlich erkrankt sinv, wurde der älteste
Sohn in diesen Tagen trotz aller Bittgesuche
zum Wehrdienste gczogen, obschon ber zwei'le
gegenwärtig in Berlin im activen Hcere dient.
Selbst dcm Landrath soll diese Einforderung
hart vorgekommen sein; allein dic Militärbe-
hördc wolltc von kciner Schonung wiffen.
Leider ift dieses nicht der einzige Fall.

Rostvck, 8. Juni. Profeffor Bäumgarten
i'st m crster Jusianz von der hi'esigen Znstiz-
canzlei wegeu seiner Schrift „An mcine Fremide
auS dem Gefängniß" zu 10 Wochcn Gefäng-
niß und eincr Geldstrafe von hunbert Thalern
verurtheilt worden. (südd. Ztg.)

Wien, 10. Zuni. Der Herzvg von Co-
burg ist heute von dem Kaiser empfangen
worden. >

K r a n k r e t ch.

Paris, 8. Juni. Der Marquis v. Ban-
neville, Director der politischen Angelegenheiten
im auswärtigen Amt, ist mit Urlaub zur kur
nach KarlSbad abgegangen.

Paris, 10. Juni. Herr Keller, der ultra-
montane Deputirte im Departcmeul des Ober«
rhcins, verzichtet, der nächsten Sonntag statt«
findcnden Rachwahl gegenüber, auf seine Can-
didatur. Es stchen sich also >'n diesem Depar-
tcment, wie in beinahe allen andern, in venen
Nachwahlen stattfinben, nur der Regierungs-
candidat und der höchstbestimmte Oppositions-
candidat entgegen.

Paris, 11. Juni. Dem Pays zufolge ist
dic Nachricht von der Uebergabe Pueblas gestern
Abend um 8>/z Uhr dem Kaiser zugegangen,
als er bei Tifche saß. Um 10 Uhr hat man
im Park eine Bcleuchtung improvisirt und
durch beiigaiisches Feuer und Böllerschüffc
deu Sieg gefeiert. Heute Nachmittag um
2 Uhr doiineiten die Kanonen des Ziivaliden-
hotelS, um den Fall Puebla's zu feiern. ES
ffnd bereits näherc AngabenLekailiit geworbcn,
welche die heute von dem „Moniteur" gebrachte
summarische Meldung von dem Falle Puebla'S
bestätigen. Vom 14. Mai an hatte das Feuer
sast anfgehört. Die Stadt sing Mangel an
Lkbeneiniitclii zu leibeii an, und dic Einwoh-
ner, welche schon am 21. März dcm Genera!
For.ey die Bitte um möglichstc Schonung hal-
teu ausdrücken laffen, draiigeu i» den Gene-
ral Orlega, sich zu krgeben. Am 14. wurden
die Unterhaiidluugen für Uebergabe der Stadt
eröffuet. Endlich am Vormittage bes 17. Mai
wurbe dic Capitulation uiiterzeichnct. Gene-
ral Ortega und seiiie Truppen wurden ent-
waffnet. Die Garnison, welche sich ergeben
mußte, zählte jedoch nicht mehr 18,000 Mann
(cS war dieß ihr frühercr Effectivstand), son-
dern nur »vch 9000 Mann, worunter 700

tn München erhaltcn. Gies Faß hält gegen 1200
Eimer, mißt 1g Fuß tm Durchmeffer und 16 Fuß
in dcr mittlereu Breite. Dtc Eiseureife allein
wiegcn 33 Lentner und das Holz kommt über
2200 Gulden zu stchen. Anf dem Dcckel können
bcquem acht Paare tanzen. Es ist von dcr Essig-
und Liqueur-Fabrik TiPP und Lomp. bestellt.

* Literarisches.

Vo» dcm schon in etner früheren Nummer er-
wähntcn „Zllustrirtcn HauS- und Familienbuch"
find ncucrdingS daS 10. und 11. Hefr erschienen,
welche uns zur Bnjicht vortiegen und unser bereits
ausgcsprocheneS Urtheil über die Gcdicgenheit und
Reichhaltigkcit des UnternehmenS in »ollstem Maßc
rechtfcrtigen. Die trcfflichcn Erzählungen sowohl,
wic dte artistischen Ausführungen nnd dte Farben-
druckbilder inSbcsondere dürstm den Ansprüchen
gebildeter Lcser tn jedcr Beziehung genügen, wir
könncn daher allen Familien dtc gcnannte perio-
dische Schrift bestens empfehlen. Von oen Erzäh-
lungen heben wir besondcrS hervor: AuS dcr letztcn
polntschen Revolution von I. Buro«, dtc Hom-
burger Spielhölle von Retni« rc.
 
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