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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Juni
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M 137


Sonntag, 14 Zuni

InsertionSgebührett für^die Zspalttge Petit-

Die Okdonnanzen gegen die Urcffe
in Preußen,

deren wir in Nr. 131 d. Bl. vorübergehend
gedacht haben, verdienen ob ihrcr bedeutungs--
'vollen Wichtigkeit eine nähere Besprechung.

Wein die Schließung der Kammern, vor
vevfaffungsmäßiger Erledigung des Budgets,
nicht Staatsstreich genug war, wer ln und
außer Preußen noch daran zweifelte, daß es
auf Schmälerung oder Aufhebung der Ver-
faffung selbst abgesehen ist, — wird nun wohl
allen Zweisel hicrüber in Folge dieser, die ge-
seßlich geregelte Preßfreiheit vernichtenden Or-
donnanzen schwinden laffen. Diese Verord-
nung hat in getreuer Nachahmung des napo-
leonischcn Vorbildes die Verwaltungsbehördcn
wit der Befugniß ausgestattet, das Erscheinen
einer Zoitung zeitweise oder dauernd zu ver-
bieten, d. h. zu suspendircn odcr zu unter-
drücken. ES licgt hierin eine offene Verleßung
der §§. 27 und 28 der preuß. Versaffung,
wonach jeder Preuße das Recht hat, seine
Meinung durch Wort, Schrift, Druck u. s. w.
frei zu äußern, und wonach Verzehen, welche
hicbei begangen werden, lediglich nach dem
allgemkiiien Strafgeseße zu bestrafen stnv. Von
nun an soll die Repression von Preßvergehen
nicht mehr nach den Bestimmungen der Straf-
gesetze, sondern je nach dem Belieben der Ver-
waltungsbehörden stattfinden. Damit aber ist
die verfaffungsmäßigc Preßfreiheit annullirt,
und ein Grundstein allcr politischen Frciheit
übcrhaupt aus dem Wege geräumt. — Zwar
beruft man sich von Seiten deö Ministeriums
Bismarck in dem Augenblicke, wo man die
Verfaffung zertrümmert, auf ebendieselbe, und
gibt sich den Anschein, als befände sich die
Krone in ihrcm vollen Rechte, jedoch nur mik-
telst einer auch einem blöden Auge sofort er-
kcnnbaren Sophistik. Auf Grunv des Art.
63 der Verfaffung nämlich geschieht dieses,
welcher Artikel die merkwürdige Eigenschaft
besitzen soü, eine willkürlich hinwegdecretirie
Verfassung zu überleben. Und wie lautet dieser
Artrkel? »Rur iu dem Falle" besagt er, „wenn
die Aufrechthaltung der öffentl. Sicherheit oder
die Beseitigung eines ungewöhnlichen Noth-
stanbes es dringend erfordert, können, insofern
die Kammern nicht versammelt sind, untcr
Verantwortlichkeit des Staats - Ministeriums
Verordnungen, die der Vcrfassung nicht
zuwiderlaufcn, mit Gesetzeskraft erlassen
werden." Daß die Preßvervrdnung, die in
Berlin publicirt wordcn ist, jedoch der Ver-
faffung in directester Weise zuwiderläuft, be«

darf keines weitern Nachweises, und wer möchte
behauptcN, daß die Erhaltung der öffcnt-
lichen Sicherheit, „oder die Beseitigung eines
ungewöhnlichen NothstandeS" in Preußen eine
derartige Verordnung als dringend erscheinen
läßt? Wer hat in Preußen die Sicherheit auch
nur im Mindesten bedroht? Doch nicht vas
Land und seine Vertretung, die zäh und aus-
dauernd am Verfassungsrechte festhielten ? Oder
ist es etwa ein auswärtiger Feind, der Preu-
ßen bedroht, und in außerordentlichen Zeiten
außerordentliche Maßregcln als gerechtfertigt
erscheinen läßt? Von Ällem diesem ist nichls
vorhanden, kein innerer und äußerer Feind
bedroht Prenßen, sein eigcner Feind ist die
auf die feudale Partei sich ftützeitde Regierung,
welche untcr nichtigen Vorwänden an die Stelle
der constitutioncllen Regierung ein Willkür«
Regiment setzt. Die Knebelung der Presse ist
nur der Ansang. W«s weiter geschehen wird,
mag die Consequenz hiervon sein: Man wird
auf dcr betretenen schiefen Ebene immer wei-
ter hinabgleiten, unv mit offenen Augen —
dem Abgrunde entgegeneilen!

Man hat dic Maßregeln des preußischen
Ministeriums schon mehrfach mit den Zuli-
orvonnanzen (v. I. 1830), welche daS Mi-
nistcrium Polignac crließ, und welche Carl X.
von Frankreich den Thron kosteten, verglichen.
Diese in Paris erlaffenen Ordonnanzen waren
zwar brutaler und verletzender ber Form nach;
was jedoch die Sache in Preußen noch ernster
gestaltct, ist der jetzige Zeitpunkt, 33 Jahre
nachher, in welchem ein Aehnlich^s versucht
wirv. DaS Ministerium mag ulit seinen Maß>
regeln noch weiter bis zu dcn letzten Conse-
quenzen sortfahren: Die Schluß-Catastrophe
wird dereinst Preußen nur um so schwerer
treffen! —

*Politische Umschau.

Dic Zahl der ZeitungSverwarnungen in
Preußen vermehrt stch täglich unv man gibt
der Orvonnanz noch dazu rückwirkende Kraft,
indem jene Verwarnungen sogar auf den Jn-
halt der Blätter ausgtdehnt werden, welche
schon früher erschienen waren!

Die „Kreuzzeitung" rügt, daß in den meisten
Restaurationen der königl. Eisenbahnstationen
lediglich Fortschrittöblätter aufgelegt werden.
Wäre nicht, ruft das Blatt aus, gerade jetzt
die geeignete Zeit und Veranlaffung, die ver-
schiedenen Stationsvorstände zum Bericht da-
rüber aufzufordern?

Das „F. Z." schreibr: Man kennt die Preß-

ordonnanzen nur nach ihrem Wortlaut; hicr
ist ver tiefere Sinn, der in ihnen steckt. Ein
Ministerial-Erlaß bestehlt den Bezirksregierun-
gen, „möglichst rasch und ohne Schonung" die
zwei ersten Verwarnungen gegen die liberalen
Blätter auszusprechen und dann „sofort" die
Unterdrückung folgen zu laffcn. Die Preffc wird
für straffäüig u. verdammenswerth erklärt, wenn
sie sich ausläßtüber: 1)Familienverhältnksse am
Hofe; 2) schlechte Stellung Preußens zum Aus-
lande; 3) Versammlungen oder Adreffen gegen die
Regierung; 4) Zustände im Auslande, deren
Kritik einen Ladel über inländische Znstände
verbergen könnte. — Jetzs schreibe Einer einc
Zeilc in ganz Preußen! Die ganzc unabhängige
Prcffc soll mit Skumpf und Stiel auSgerottel
werven. Manteuffel war ein Engel erster
Claffe mit der Schleife.

„Temps" sagt, von dem Tage an, als der
König von Preußen erklärte, er 'habe seinc
Krone von Gott, sei ein Staatsstreich voraus-
zusehen gewesen, Va dies mit ciner Verfaffung
unverträglich sei; das feudale Königthum sei
nicht durch Gesetze zu binden. Der Streit in
Prenßen sei, wie überall, der zwischen Ver-
gangenyeit und Zukunft, absoluter Macht und
den Marimen der Neuzcit; eines veralteten
Glaubens gegen die Thatsachen und bie Rea-
lität; der Verfaffungsbruch sei nur die Aus-
führung des Königsberger Programms, sowie
die Logik einer jeden Verfassung auf den Wi-
derstand der Bürger als letztes Mittel zur
Wahrung ihrer Freiheit hinweise.

Die belgischen Wahlen sind zu Ende und
ass Ergebniß zählen die Liberalen im Abge-
ordnetenhause 61, die Oppositivn 55 Stimmen;
jm Senat haben die Liberalen 32 Siße gcgen
26 der Klerikalen. Die ministcrieüen Jour-
nale meldcn, daß das Ministerium im Amt
bleibcn werde. Dkr GesundheitSzustand des
Königs hatte sich in Folge einer glücklichen
Operation wieder gebeffert.

Statt den bcr Warfchauer Bank entwende-
ten 5 Millionen Silberrubeln in russtschen
Bankbillels, polnischen Pfandbriefen und Halb-
impcrials lag im Geldschranke eine Ouittung
der Nationalregierung. Mit den Geldern sind
gleichzeitig vier Caffenbeamte und die Büchdr,
worin die Nummern der entwendeten Pfand-
briefe notirl sind, vcrschwunden. Es heißt,
daß sämmtliche von Wgrschau auSgehende
Telegraphenleitungen zerstört sind.

Deutschland

-I- Bom Neckar, 9. Juni. Ein-aus dem
Großherzvgthum Posen kommendcr Reisender,

Einc Königswahl.

Kopenhagen, den 6. Iuni. Jm Ltzristians-
burgcr Schloffe ist heute auS einem jungen, armen
und btslang völlig unbeachteten Prinzen von deut-
schem Blute und dänischer Gefinnung cin König
von Griechenland gewordcn. Mittags gcgen
12 Nhr fuhr die griechischc Deputation in Hofwagcn
zum Schloffe und in gleicher Linic mit ihnen der
junge König, geleitet von seinrm Vatcr uub scinem
ältcrn Bruder. I» der NLHe dcs Schloffes trenn-
ten fich dic Wagen; der der Priuzcn fuhr vor dem
Lußeren Portal vor, währcnd dte Dcputation über
Vie Mormorbrücke in dcn inneren Schloßof fuhr.
Oben tm Thronsaal des Schloffcs empfing König
Frederick, auf scinem Throne, auf welchem dcr
Hermelinmantel ausgebreitet lag, fitzend, die De-
putation. Zu setncr Rechtcn standen an dcr un-
terstcn Stufe oeS Throns dcr Erbprinz und der
Prinz Friedrich zu DLncmark, zur Linken dcr Prlnz
Ehrtstian und der zum künstigen König von Grie-
chenland gewLhlte Prinz Wllhelm. Nach eincr
tiefen Verbcugung trat der alte Admiral KanariS
vor und hielt in griechischer Sprache folgende An-

rede an den König: „Sirc! Die Nationalversamm-
lung Griechenlands hat in der Sitzung »om 18.
MLrz Sc. K. H. den Prinzcn Wilhelm Georg zu
DLncmark unter dem Namcn Georg I. zum Könige
der Hcllenen gcwLhlt und proklamirt und hat uns
mit dem Auftrage beehrt, Sr. K. Hoheit im Namen
deS hellcnischcn Volks dic Kronc anzubietcn. Jndcm
wir, Sire, in Ew. Maj. HLnde das Dekret, be-
trcffend die Wahl Sr. K. Hoheir, niederlegen,
hoffen wir, daß dic Antwort Ew. Maj. die WLnsche
und Erwartung dcs hellcnischenVolks erfüllenwerdc.
Dicse Wahl, Sirc, ist sowohl einc Huldigung der
Person deö rühmlichen SouverLnS, dem dic göti-
liche Vorschung das Schicksal DänemarkS anver-
traut hat, wic ein Beweis von Vertrauen zu den
Talenten des jungen Fürsten. Sie wird ein Band
wcrden zwifchen zwei Nationcn, dic fich zu allen
Zciten durch ihre Tugcnden und ihrcn PatriotiS-
mus ausgezeichnet haben. Griechenland, Sire, das
allc seine Hoffnung auf setnen jungen SouverLn
gründet und auf die Nnterstützung der drei großen
SchutzmLchtc baut, hät dic feste lteberzeugung, daß
es cinst dic Erfüllung seincr nationalen Wünsche
sehen wird." Die Erwiederung des Königs gcschah

in dänischer Sprache und lautetc, «ie folgt: „Wir
nehmen für Unsern jungen Vcrwandtcn, den Prin-
zen Wilhclm Georg, dre Kronc entgegen, zu welcher
cr durch das griechische Volk bcrufen. worden ist.
Untcr den Verhandlungcn, die in Lvnden mit dcn
drci GroßmLchten, «elche zur Entstehung deS Kö-
nigreichö Grieckenland so mächtig beigetragen und
dic ein so ungeschwächtes Antereffe für sein Empor-
wachscn bewahrt habcn, gesührt worden fino, haben
Wir als Bedingung für dic Annahme der griechi-
schen Kronc die Vercinigung der jonischen Anseln
mit dem griechischen Königrciche aufgestcllt. ES ist
Uns cinc Freude, die stckere Erwartung apssprechcn
zu können, daß diese Vercinigung in einer nahen
Zukunft stattfinden wird, und Wir haben gewollt,
daß der junge König, «cnn er zum crsten Male
von seincm Volke empfangen wird, als derjenige
begrüßt werden soll, der die Erfüllung dieses so
wohlbegründetcn und so langc genährten Wunsches
mitbringt. Es ist Unsere Hoffnung, daß es ihm
mit der hingcbenden Mitwirkung des griechischen
Volks gelingen wird, die rcichcn Hülfsquellcn des
LandeS zu entwickeln, und daffelbc ciner schönen
und glücklichen Zukunft entgegenzuführen. Dieser
 
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