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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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März
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https://doi.org/10.11588/diglit.2820#0209

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Srscheint, MontagS ausgenommen, täglich.
Preis vierteljährlich 54 tr.

Mittwoch, ». März


Auf die „Heidelberger
Zeitung" kann man sich
noch sür den Monat
Mäy mit 18 Kreuzern abonniren bei allen
Postanstalten, deu Boten und Trägern, sowie
der Erpedition (Schiffgaffe Nr. 4).

* Potitische Umschau.

Ein preußisches Blatt, die „Berl. Börs.-
Ztg." sieht stch zu dem Ausrufe gebracht:
„Gott sei Dank, daß die preußische Hegemo.
nie in Dcutschland nicht verwirklicht ist!"
Mehr und mehr gelangt man zu der Erkennt-
niß, daß die jetzige Gestaltung in Preußen
nicht als daS zufällige Werk einzelner Per-
svnlichkciten angcsehen werben kann, sondern
daß dieselbe aus dcm ganzen Organismus
des Staats hervorwachsen mußle. Deffen
möge man aber auch in künftiger Zeit einge-
denk blciben, wenn früher oder später der
Schwindel mit einer „neuen Aera" wieder
ausiaucht« Denn, wie schon seit Deccnnien,
wird das Berlincr Cabinet auch künftig daS
Spiel wieder versuchen, — vermittelst seines
Preßbureaus uud auf andere Weise — so-
wohl hervorragende als auch weniger bedeu«
tende Persönlichkeiten zu gewinnen und für
seine Plane arbeiten machen... Nur ein neu-
gebildetes Deutschland, nicht ein vcrgrößerteS
Preußen kann und wird dic gerechteu Erwar-
tungen der N,ation besriedigen.

Die Berliner „Vossische Zeitung" ist heute
Morgen consiscirl worden. Der „Publicist"
vermuthet, die Auflösung des Hauses stehe
nahe bevor. Die Mvrgenblätter sind einig
bezüglich der Unmöglichkeit der Fortdauer
des jetzigen Zustandes.

Die „Köln. Ztg.» sagt u. A. in einem (doch
etwas all zu schwarz sehcndcn) Artikel: wir
halten sctzt die Möglichkcil nicht blos eines
französischcn Observationscorps, svndern auch
ernes sranzosischen Einmarsches sür sehr nahe
gerückt. Hunbert Mal, wenn wir der Sorg-
losigkeit, ja, des Landesverraths angcklagt
wurden, weil wir auf das allgemeine KricgS-
geschrei nach kaltblütiger Erwägung aller Um-
ständc ruhig antworteten, unserer Meinung
nach sei augenblicklich gar keine Kriegsgefahr
da, hundert Mal haben wir erklärt, wenn
einmal wirklich die Rheingrenze bedroht sei,
so würden wir die Ersten sein, welche als
treue Wächter am Rhein den Mahnrus er-
schallen ließen. Wohlan, wir lösen heule un-
ser Wort. Wir mahnen. Wir haben den
Muth, aüen Vorwürfen von Uebertreibung

Russische Barbarei.

Ueber dic Gewaltthätigkciten, welche fich russische
Soldatcn in Pul awy gcgen dcn Hofrath vr. meä.
Gerhardt und dcffcn Schwlczervatcr, den greisen
Staatsrath vr. Woyde, erlaubt haben, theilt dic
„Schlcs. Ztg." aus einem Privatschreiben Nach-
stehendcs mii :

Pulawy, 19. Febr. Am 8. d. M., Vormit-
tags, drang crnc Abthcilung der zu Kurow statio-
nirten russischen Truppen in Folge dcr ihnen sälsch-
lich gebrachien Nachricht, daß Pulawy von Jnsur-
gcntcn brseht sci, von verschiedenen Seitcn uner-
«artet in unsere Stadt. Mehrere zufällig ganz
ruhig spazteren gehende junge Leute, unter ihnen
auch der ältestc Sohn dcs Hofraths vr. Gerhardt,
sahcn sich natürlrch bci diesem feindscligcn Vor-
gchen der Soldaten genöthigt, sich ciligst nach Hausc
zu begebcn; dic Soldaten »ielleicht in der Meinung,
daß dieS Znsurgcntcn seicn, drangen dcnselben nach
und forderten vom Hofrath Gerhardt die sofortige
Hcrausgabe feincs Sohnes. Auf dcffen Vorstel-
lung, vaß derselbe ein ganz unschuldiger Mensch

und Gespensterseherei zum Trotz, als unsere
wohlerwogene Mcinung auszusprechen, daß die
Aussicht auf einen Krieg zwischen Frankreich
und Preußen seit 1815 noch niemals so nahe
gerückl sei wie jetzt. Wir sagen nicht, daß
die Gefahr nicht abgewandt werden könne;
aber bazu ist vor allen Dingen nöthig, sie
zu erkennen." Der Artikel schließt mit folgen-
der Bemerkung: „Von allen Seiten her ist
für Preußen kein Heil zu erblicken, alS in
- der Aufhebung der unseligen Convention, und
die eigentliche Gefahr liegt darin, daß dic
preußische Regierung einen falschen Ehren-
punkt daraus machen könnte, einen falschen,
von der ganzen Welt verurthcilten Schrilt
nicht zurückzuthun. Wir möchten keine Un«
glückspropheten sein; aber wir erinnern unS
an ben falschen Schritt, dcn Kaiser Nikolaus
gethan hattc, alS er in die Donaufürstenthü-
mer eingerückt war. Weil er sich nicht zu
rechter Zeit entschließen konnle, ben Schrilt
zurückzuihun, stürzte cr sich und sein Reich
inS Verderben."

Nach der „Nat.-Ztg," wäre bereits cine
Pariser-Depesche in Berlin eingegangen,
welche verlangt, daß Prcußen auf bie Aus-
führung der Convention mit Rußland ver-
zichte.

Nach der „Köln. Ztg." hat das englische
Cabinet in Berlin erklären laffen, daß es im
Faüe eines Krieges zwischen Frankreich und
Preußen neutral bleiben werde. Dcr
Kaiser Napoleon äußert sich seiner Umgebung
gegenüber äußerst friedlich, abcr gerade diese
Aeußerungen sind für Viele beuniuhigcnd. Zch
habe den Brief eines französischen Generals
gelescn, worin es unter Andcrem heißt: „Der
Friede ist bis jetzt noch nicht gefährbet; seien
Sie aber überzeugt, daß ber Kaiser auf einen
viplomatischen Fehler Preußens lauert, und
daß keine Gelegenhcit, die ihm geboten wird,
Ivszuschlagen, unbenutzt bleibcn wird."

Dic schwedischen Blätter vvn allen Farben
bn'ngcn h-stige Artikel voll Abscheues gegen
die preußisch-rustsche Convenlion; sie hoffen,
daß, falls dieselbe zur Aussuhrung gebracht
werde, die Nemesis am Rhein dasür nicht
fehlen werde.

Wie der russische Oberst v. Wcpmann dem
General v. Werber attachirt worden, so sol-
len auch preußische Osficiere den einzelnen in
Polen commandirenden Generalcn beigegeben
werden.

' „Opin. nation." berichtet über vier Fälle,
i'n welchcn Preizßen mit den Waffen bereits
intervenirt habe.

sei, zwangen sie dcn Hofrath unter Drohungen, mtt-
zukommen. Auf der Straße, in der NLHe der Woh-
nung scineS Schwiegervaters, des Staatsrathes vön
Wvydc, mißhandclten sie ihn zunächst durch viele
Kolbcnstöße gegen Brust, Rücken und Kopf, durch
drei Bajonnctstiche, von denen zwei in dcn linken
Vorder- und Oberarm und einer tn die linke
Seitc drangen. Ncden dicser an und für sich
schon schauderhaftcn Scene ereignctc sich noch
folgende, «elchc bcwcist, daß sclbst Frauen vor
ciner barbarischen Behandlung der Soldatcn nicht
gcschützt find. Die Frau dcs vr. Gcrhardt, nichts
«iffcnd von der Mißhandlung ihres ManneS, abcr
voll Angst, ihn tm Augenblick von Hause cntfernt
zu wiffcn, eiltc herbct und bat dtc auf dcr Straße
stchenden Soldaten, man möchte doch thren Mann
tn Ruhe laffen, cr «äre kaiserltcher Beamter, Arzt
u. s. w. Es wurde ihr abcr mit dem Larablncr
gedroht; dcmungeachtet sichte fic um Gnade sür
ihren Mann; doch einc wüthcnde Hand gab ihr
nun «inen Schlag vor den Kops, daß sic zur Erde
stürzte. Dretmal rtchtete fie sich unerschrocken auf
und drcimal wurde fie wieder nirdergeschlagcn, bis
ihre Leute hcrbeieilten und die Ohumächtige mit

Eine Pariscr Corresp. dcr N. F. Z. sagt
am Dchluffe eines Artikels: Glaubcn Sie aber
sicher, daß cs nicht persönliche Rücksicht auf
Preußen oder selbst auf Rußland ist, welche
Napolcon abhäll, in der polnischen Fraze crnst
einzuschreiten. Meriko hängt, eine schwere
Gewitterwolke, am fernen Horizonte, der un-
besonnen begonnene Krieg zicht sich in unab-
sehbare Länge, jede Post bringt Forderungen
von Geld und Truppen, kein Schiff noch hat
auch den kleinsten Ersolg gemeldet. Eine falsch
begriffene Würde hält die. Rcgierung an jene
unheiivolle Unlernehmung gefesselt, deren Ende
sich noch nicht ermeffen läßt. Und dem Na-
poleon geht damit vielleicht eine große Gele-
genheit verloren, in dcr Entscheidung der Welt»
ordnung ein gewichtiges Wort einzulegen. —
Erwarten Sie nichts Energisches scitens der
Regierung, wenn dic polnische Sache auch im
Senate zur Sprachc kommt, Die Regicrung
Preußens, dic im Jnlande noch verhaßter ist
als im Anslande, mag^ herhallen für einige
herbe Worte Billault's, aber ThatsächlicheS
gegen Rußland ist noch nicht an der Tages-
ordnung.

Die tclegraphische Dcpesche über Wielo-
polski's Tod,.bie in Warschau am 25. ver-
breitct war, stellt stch alS rein crsunden herauS.

Die Wiener „Preffe" und „Morgenpost"
gebcn ihrer Entrüstung übcr den jüngsten Be-
schluß des Tproler Landtages, die GlaubenS-
einheits-Forderung ausrecht zu erhalten, bc«
redten Ausbruck. „Diese lraurige Manifesta-
tion der Jntvleranz und ber Verblendung
— sagt die „Presse" — wirft einen tiesen
Schalten auf die Feicr des heütigen TageS
(Constitutivnsfeier) und nur Eincs, die Ge«
wißheit, daß die Regierung nimmermehr die-
sen Landtagsbeschluß sanctioniren und daß
auch der Reichsrath ihn mit Entrüstung zu-
rückweisen würde, schützt uns davor, daß
nicht das ganze civilisirte Europa das, waS
die Majorität der tprolischen Abgeordneteu in
dcr vergangenen Nacht gelhan, als einen Be-
weis dasür geltenb mache, wie weit hinler
den Erruiigeiischafteil des humanistischen Zeit-
alters Oesterreich zurückgeblieben ist.

Dcr Präfect des Vogesendepartements hat
vcrboten, künstig Protestantcn aus dem sür
Sclbstmörder oder Hingerichtete bestimmtea
Theil der Kirchhöse, vder umgekchrt diese in
dem für Protestanten abgegrenzten Grund zu
begraben, was neulich mit Verletzung der Ge-
setze unv Mißachtung der GewiffeiiSfreiheit ge-
schehcn sei. Das Gesetz verfüge die Freiheit
der Culte und die Mvral gebiete Achtung vor

ihrcm verwundeten Mannc, welcher nur durch die
Dazwischcnkunft eines Ofsizicrs vom unvcrmeidlt-
cheu Tode gerettet «urde, nach Hausc brachten.
Ebenso wurdc der Staatsrath v. Woyde, welcher
aus seiner Wohnung seinem Schwtegersohnc zu
Hilfe ctlen wolltc, durch Kolbenstoße mißhandelt.
Dieser unglückliche Jrrthum klärtc sich natürlich bald
auf, und da durch dic allgemcinc Mißstimmung drr
Einwohner, welche über die Mißhandlung deS vr.
Gcrhardt, als eincS allgemcin verehrten und ge-
liebten ArzteS, entrüstet waren, sclbst Gebete in
dcr christlichcn und jüdischen Kirche angeordnet
waren, so ergrlffen die Offiziere die «nergischsten
Vorkehrungcn, um die Soldaten von ferneren Ge-
waltthätigkeiten abzuhalten, und begaben fich sclbst
zu bcm Vcrwundetcn, um ihr Bedaucrn auSzir-
drückcn. Vom Großfürstcn Eonstanttn ist derBe-
fehl ergangen, dicscS Berbrechen streng zu unter-
suchcn und die Bctreffenden auf daS uünachficht-
lichste zu bestrafen.

Jn einem neuen Spektakclstück: Die Schlacht bei
Mareng», das gcgenwärtig lür daS Theake du
 
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