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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Januar
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M S. Sonntag, n. Zanuar ^"'"SLLL'LLL^"" L863.

Bestellunge« auf die „Heidelberger
Zeirung" »ebst Beilage „Heidelber-
ger Fawilienblätter" für das mit 1.
Zanuar 1863 begonneue 1. Quartal
werden fortwährend angenommen.

Die Expedition.

Deutfchland «nd die fchleswig-
holsteinifche Frage.

(Schluß.)

Sind daS nicht bemerkenswerthe Thatsachen,
wenn man sie mit dem „Zntereffe" zusammen-
hält, das der preußische» Regierung so oft
in der schleswlg-holsteinischen Angelegenheit
zugeschrieben wird? Aber Fürsten faffen ihr
Jntereffe eben häufig l'n anderer Weise auf,
alS es die übrigen Sterblichen thun: Beweis
die Politik, die der jetzige Konrg von Preußeu
zu Hause befolgt. Eö ist bie Eigenschast
deutscher Fürsten, daß stc vor Allsm die Ein-
hei'ts- und Freihcitsbestrebungen fürchten. Um
diese letztercn zu bekämpfen, hat sich dcr preu-
ßssche Hof Nlcht gescheut, die Herzogthümer
preiszugeben, die Blüthe deutscher Jugend ge-
wiffermaßen auf die Schlachtbank zu liefern,
mit Dänemark esnen verrälherischen Waffen-
stillstand zu schließen, der im Widerspruch mit
dem Willen der deutschen Nation stand, und
endlich vermittelst eines Jnterventionsheeres,
zu welchem auch das Haus Habsburg seincn
Truppentheil lieferte, dic SchleSwig-Holsteiner
fur Niedcrlegung der Waffen und zur Unter-
wcrfung unter bas dänische Joch zu zwingen.

Diese Beendigung des schleswig - holsteini-
schen Unabhängigkeitskrieges durch die preu«
ßische und vsterreichlsche Dpnastie darf nichl
vergeffen werdcn, wenn man die gegeuwärtige
Lage verstehen wiü. ES war als Dank fiir
jenen von Fricdrich Wilhelm und Franz Zo.
seph geleisteten Sbirrendienst, daß sich Däne-
mark (18ö1/52) verpflichtete, wenigstens
einige VerfassungSrechte Holsteins zu respec-
tiren, die sörmliche Einverleibung Schlcswigs
zu unterlassen, sür Schleswig Gleichheit der
polilischen Rechle mit den übrigen Theilen der
Monarchie zu gewähren, und bie dänischc und
deutsche Nativnalität auf gleichem Fuße zu
behandeln. Und doch sind sogar diese gcringen
Verpflichtungen, die der Kopenhagener Hof,
nach Lord John Ruffell's Aeußerung „in
Ehrc» gehalten" ist, zu erfüllen, in dcr
schmachvollsten Weise gebrochen worden. Wie-
derholte Versuche wurden gemacht, zuerst
Schleswig und Holstein zu inkorporiren, unv

als dieS nicht ging, wenigstens Schlcswig mit
ber dänischen Mvnarchie zu vcrschmelzen. Zu
diesem Zweck wurde die Preffe geknebelt, das
Recht der freien Versammlung vernichtet, ein
Spivnennetz über bas Land gebreitet, eine un-
erträgliche Sprach - Tprannei in Schule und
Kirche geübt; die Jugcnp des Landes in fremde
Aiegimenter, und dänische Garnisonen nach
Schleswig-Holstein vcrsetzt; die Banner und
Wappen der Herzogthümer verboten; der Name
des Landes sogar für hochverrätherisch erklärt;
ein Theil des Volkes willkürlich seines Wäh-
lerrechtes beraubt; Männer in Maffe verhaf-
tet, wegen keines andern Verbrechens als weil
ste die Beschlüffe ihrer eigenen parlamentari-
schen Vertretung verbreiteten; dic Ständever-
sammlungcn aufgelöst, sobalb ste ihre Beschwer-
den vorbrachten; das Land mit Werkzeugen
dcr Unterdrückung überschwemmt, wie sic an
Moralität nicht niedriger stehend gefunden
werden konnten; kurz, eine Regierungsart griff
Platz, die von englischen Gesandten und Con-
suln mit Recht als ein „Spstem des Schreckens
und der Einschüchterung" bezeichnet wurbe —
als einc unerträgliche Tprannei, die „im Wi-
derspruch mit dem Gcist unseres Zeitallcrs
stehe" — alö ciuc gehäffige Gcwaltherrschaft,
dic „Scenen der Agitation, vielleicht bes Tu-
multes und der revolulionärcn Erhebung zur
Folge haben werde."

Die Sache der Hcrzogthümer ist im Wcsen
diesclbe, wie die Venedigs, unv vor Kurzem
noch der Lombardci. Oder man kann sie, wenn
Zemand den „Rechtsboden einer alten Ver-
faffung" vorzieht, mit der Sachc Ungarnö ver-
gleichen, das der dcöpotischen, centralistrenden
Wiencr Hosburg einen ähnlichen Widerstand
entgcgenseßt. Zn Abstammung, Sprache, Sit-
ten und politischen Tendenzen ist das Volk
von Schleswsg - Holstein wcscntlich deutsch.
Nach althergebrachtcm Gesetz, wie es in ben
Freibriefe» verzeichnct steht, hat das'Volk ein
Recht, darauf zu behqrrcn, daß sein Land „z u-
sammenbleibe ewig unb ungetheilt",
in abgesonderter Eristenz, unvermischt mit der
Monarchie Dänemark. Nur unter dieser Be-
dingung haben die Herzogthümer vor Zahr-
huiiberten es zugestanden, daß bei ihnen bas-
selbe Fürstenhaus wie in Dänemark herrschc.
Und wie eS eine grobe Rechtsverlctzung wäre,
hätte man zur Zeit, als England und Han-
novcr unter derselben Dpnastie waren, es ver-
sucht Hannover englisch oder England han-
noverisch zu machen; wie es ohne Zweifel ein
Bruch seierlicher Zusagen gewesen ist, daß das
Haus Habsburg Ungarn zur bloßen „Provinz"

des „österreichischen Kaiserreichs" hat machen
wollen, so ist es auch ein meineidigeS Verfah-
ren dcs Kopenhagener Hoses, daß er eine
zwangsweise Vcrschmelzung seiner dänischen
und deutschen Besitzungen vermittelst einer
Reihe von Staalsstreichen zu erlangen
strebt.

Zch sage dieS nicht ctwa, weil ich an die
auSschließliche Kraft alter Freibriefe glaube.
Zch glaube an bas natürliche Recht des Men-
schen, den höchsten Grad der Freiheit zu er-
langen, trotz aller und jeder überkommenen
Vorrechte. Aber ich bin auch der Meinung,
daß sogar die ungenügenben Freiheiten, die
auf dem Pergament dahingeschwunbener Zeit-
alter verzeichnet sind, jedenfalls beffer stnd,
als die Willkürherrschaft eines ungezügeltcn
Despotismus. Jch bin auch überzeugt, daß
solche alterthümliche Urkunden häufig dic durch
Jahrhundertc gehende Richtung von Volksbe«
strebungen andeuten.

Bei den Herzogthümern ist dics sicherlich
der Fall. Die Schleswig - Holstciner haben
durch langen und muthigen Widerstand, so-
wohl aus bem Verfaffungsboven, wie auf dem
Schlachtfeld gezeigk, baß sie sich einer Politik
des frechen Uebergriffs, vie ein Angriff auf
ihre Rechte, eine Belcibigung für Deutjchland,
und voraussichtlich eine Gefahr für ganz
Europa und speciell für England cnthält, nicht
unterwürfig beugen. Erlauben Sie mir, hier
daran zu erinner», daß König Christian V>H.,
durch seinen Offenen Brief im Zahre 1846,
bas bänische Erbsvlgcrecht auf Schleswig-Hol-
stein anwenden wollte. Die Herzogthümer
waren daburch, in Folge bes MangelS an di-
recter Nachkommenschaft in der königlichen
Familie, bebroht, in nicht zu ferner Frist als
Erbe an den russischen Czaren zu fallen, Nuß-
land würde in solchem Falle, so zu sagen, seine
Grenzen an die Thore von Hamburg verlegt,
und zu seiner baltischen Herrschaft eine starke
Stellung in der Norbsee gefügt haben — ge-
genüber dem englischen User l

Können englische Staaismänner vernünfli-
ger Weise ciner solchen Möglichkeit rnit Ruhe
entgegensehen? Und kann man sich wundern,
baß die Schleswiger bereilS im Zahre 1846
in ihrcr Landesversammlung den Wunsch nach
einer Aufnahme ihres bedrohten LandeS in den
Deutschen Bund aussprachen?

Eines der ersten Ergebniffe der Unabhängig-
keit Schleswig-Holsteins würde das sein, daß
der Eider-Canal, der durch dic dänische Re-
gierung aus unwürdigen politischen Motiven
so lange vernachläffigt wurde, in eine leichte,

Eine außerordentliche Geschichte.

' AuS dem Nngarischcn von S. Z. Huber.

(Fortsetzung.)

„Ihre Liebe zu mir ging sogar so weit, daß fie
liebcr dcm Tanzen entsagte, als ihre Hand tn dtc-
jenigc cines Andern zu lcgen. Mit einem Wortc,
metn Wcib «ar ein unschuldigcs Kind, wclches kei-
nen andern Gedankcn hatte, alö mich.

„Zch weiß ntcht, waS für ein DLmon eincs Ta-
geS in mein Ohr flüsterte: „Wte, wenn dieS AlleS
nur Verstellung wäre?" Auf solchc Art verspürt
der Mensch mttten im größten Glücke zu oft ein
wahnfinnigeS Verlangen nach Schmerz.

„Meine Frau hatte cin klcines ArbeitStischchcn,
deffen Schubladc fie stets geschloffen htelt. Ich hatte
östers bcmcrkt, daß fie «S niemals offen ließ; nie-
malS bet trgend wclchem Zufall den Schlüffel ab-
zunehmen vergcffen hatte. Diescr Gedanke fing
an, mich zu plagen. Was hatte fie vor mir zu
verbergen? Zch war gewtß ganz außer mir. Jch
glaubte an ihr unschulhiges Geficht, ihre hellen Au-

geu, ihrc Küsse und Umarmungen nicht mehr. Wie,
wcnu dicselben nur Theile der TLuschung waren?

„EineS TageS besuchte uns dic GrLfin. Siekam,
um meine Frau mit thr nach Hause zu nehmen,
indem fie sie mit Bitten, zu gehen und dcn ganzen
Tag mit ihr zuzubringcn, bestürmte. Unsere Güter
waren ntcht weit von einander entfernt, und ich
versprach meiner Frau, ihr bald nachzufolgen.

„Kaum hatte dte Kutsche mcincn Hof verlaffen,
als ich alle Schlüffcl, dic ich findcn konnte, sam-
melte und mit dcnselbcn die vcrschloffene Schub-
lade zu öffnen suchte. Endlich fand ich einen.

„Ein Zuschauer würdc mich, als ich die Schub-
lade öffnetc, für Einen angesehen habcn, der zum
crstenmal in seinem Lcbcn eincn Diebstahl zu be-
gehen im Begriffc steht. Jch war ein Dieb, wel-
cher cin Schloß öffnete, um etncm schwacheu Wctb
scine Geheimniffe zu stehle».

„Meine Hände zittcrten, als tch mit dcn verschic-
denen Sachcn in der Schublade in Berührung kam;
tch »crmied jcdoch sorgfLltig, eine Unordnung zu
verursachen, «clche meinc Gegcnwart verrathen
köitnte. Plötzlich fühlte ich meine Brust «ie von
eisernen Banden zusammengeschnürt; ich war auf

dem Punkte, zu erstickcn! Unter einer Rollc Spitzen
lag ein Paquet Papiere; schnell wie der Gcdankc
flüsterte metn Herz, es seien Briefe; auf den crsten
Blick würde sie Zedermann als — LiebeSbrlefe er-
kannt habeu.

„Das Paquet war mit einem roscnfarbenen, mit
Silber gcstickten Bande zusammengebunden.' AlS
tch das Band berührte, dachte ich: Zst es rccht?
Zst es nicht unter der Würdc cincs EhrenmanneS,
solchergestalt die Geheimniffe seines Weibcs zufieh-
lcn, Gehcimniffe, welche elnzlg ihrer Mädchenzcit
angehören. Jst sic mir verantwortlich für die Ge-
danken und Gefühle, wclchc sic hatte, ehe sie mein
wurde? Sollte ich eistrsüchtig scin über einc Zcit,
«o sie kaum etwas von meiner Eristenz gewußt?
Wie aber, «cnn diesc Bricfe datirt sind, seitdem
tch cin Rccht gehabt, alle ihre Gcdanken zu übcr-
wachen, sogar über ihre Träume cifcrsüchtig zu sein,
seitdem sic meine Frau gcwescn ist?

„Ich löste das Band. Nicmand war zugegen;
kein Spiegel in der NLHe, um das aufmcineWan-
gen steigende Schamroth zu zeigen. Zch öffnete
einen Brief nach dem andern und laS fie alle durch
bis zu Ende.
 
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