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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Mai
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Samstag, 3v. Mat


1883.

* Politische Umschau.

Der württcmberffischc Abgcordnete Probst
(katholischer Demokrat) ist aus dem AuSschuß
des Abgeordnetenhanses ausgeschieden.

Nach der Bayr. Z. ist der Zusammentritt
des Landtags aus den 15. Juni in Ausficht
genommen. ^

.Der preußische Landiag ist, wie man längst
erwartet, gestern geschlvffen worden; die Art,
wie es geschchen, wird aber ein Moment in'
der Geschichtze bilden. Der reinstc AbsolutiS-
mus des Schlimmsten der Bourbonen, der
Spanien und Frankrcich in Verfall gcbracht,
versucht stch nun a» Preußen; dieselben Wir»
kungen werden dieselben Folgen haben. Ge<
lähmt und veikrüppelt, wird trotz aller Mili-
tärorganisation Preußen dcn lctzten Rest von
Ansehcn verlieren, der ihm im Ausland ge-
bliebcn, nnd im Jnnern in unstnnigem Kampfe
gegen den Zeitgeist in seiner Entwicklung ge-
hindert bleiben. Das preußische Volk macht
aber eine heilsame Krise dnrch, die den Parti-
cularisnius, der »och sehr feste Wurzeln im
Lande hatte, beseitigen und deutsch'e Gesiniiung
vcrbreitcu muß; das specistsche Preußenthum
hat bci den gestrigen Scenen in Berlin sich
selbst die Todtenglocke geläutet.

Die „kreuzztg." schließt folgen,dermaßen:
So bedauerlich hiernach der ganze Vorgang
und alles baS erscheint, was aus demselben
sich entwickelt hat, so segensreiche Früchte kön-
nen doch noch aus demselben erblühen, wenn
die Erkcnntniß sich Bahn bricht, daß die jetzige
Lage dcs Landcs geändert werden muß ....
Das Wahlgesetz selbst ist wiederholt in Be-
wegung gesctzt worde», um einc Besserung
herbeizusühren; lcider erfolglos. Es wird da-
her nur übrig bleiben, auf dem andcrn Wege
die Heilung zn versuchen. Diese Erwägung
legen wir dem Ministerium dringend ans Herz.

Ein Bcrliner Platt sagt: Am 8. Juni 1848
sprach der Abgeordnetc siir den Wirfltzer Kreis,
Prinz von Preußen, der jetzl regiercnbe Kö-
nig Wilhelm, in der Nalionalversammlung:
„Die constitutionellc Monarchie ist dic Regic-
rungsform, welche unser König uns vorgc-
zeichiiet hat. Jch werdc ihr mit dcr Treue
und Gewissenhaftigkeit meinc Kräste weihen,
wie das Vaterland sie von meinem ihm offen
vorliegenden Character zu erwarien berechtigt
ist. Dicß ist die Psticht eines jeden Valer-
landsfreundes, vor Allem also die meinige,
als deS ersten Untcrthancn des Königs."

Das Ministerium Bismarck hut den Kam-
merverhandlungen ein Ende gemacht. Es kounie

nichts anderS thun, wollte es nicht selbst zu
Ende gehen. ES stand ihm frei, die Kammer
aufzulösen, oder dic Sessivn zu vertagen, odcr
sie zu schließen. Bon diesen drei Wegen hat
es gcrade Lenjenigen gewählt, welchen dcr Ab-
geordncte v. Unruh bei der Verhandlung über
die lctzte Adreffe alS dey allein verfaffungS-
widrigen bezeichnetc: es hat dic Sesston vor
Abschluß der Budgetberathung geschlvffcn. Frei-
lich hat eS sonder Mühe und geistige Anstrcn-
gung eine ihm genügende Entschuldigung zur
Hand gefunden: daS Haus selbst, nicht das
Ministerium trage die Vcrantwortung für die
Nichtberathung des Budgets. Solche Behaup-
tung ist allerdingS sehr bequcm; nur schade
für Herrn für Bismarck, daß die endliche Ent-
scheidung über seine Verantwvrtlichkeit nicht
bei ihm selbst stehen wird. — Der letzte Saß
der von dem Junkerminister verlesenen könig-
lichcn Schlußrcdc verräth deutlich die Absicht,
die Finanzgesctze ohne die Mitwirkung des
Hauses zu erlassen und hierzu vieüeicht in
künftigen Tagcn die Zustimmung irgend eincr
Laiidrsvertretung zu erlangen. Man möge daS
vcrsuchen. Das preußische Volk hat uoch nicht
sein letztes Wort mit Herrn von Bismarck
gcsprocheu.

Als bestimmt wird der „Volksz." mitgetheilt,
daß Hr. v. Beust in Berlin mit seiner heim-
lichen handelspvlitischen Mission, das hcißt:
Missio» gegen den französischen Handelsver-
vertrag im Jntereffc Oesterreichs, völlig ge-
scheitert sei.

Nach der „Köln. Z." soll Rußland bercit
sein, daS östcrreichische Programm bczüglich
der Reorganisation Polens anzunehmen. Der
einzige Einwand, dcn Rußland zu machcn hätte,
würde darin bestehen, daß man die neue Vcr-
einbarung untcr die Garantie Europas stel-
lcn will.

Dic officiöse- Wiener Gcneralcorrefpondenz
schreibt: Die Siiuaiion der pvlnischen Frage,
welche vor ben Pfingstfciertagen stch bedenk-
lich zu gcstalten schien, bietet heute vorwiegend
Beruhigungsspmptome dar. Jn den lctzten
Tagcn sind keine neuen Thatsachen vorgekom-
men, welche irgcnd wie trübe Anschauunge»
der politischen Verhältniffe zu rechtfertigen ge-
eignet wären.

Die den alten Parteien Frankreichs ange-
hörigen Candidaten, vor Allcn aber Herr
Thiers, vcranlaffen die officiösen Organe des
Ministeriums deS Znnern zu dcn erbittertsten
AuSfällcn. Obenan steht dcr Constitutionnel,
der heute mit Aufgebot seineS bestcn Rcdactions-
pcrsonalS vier Artikel hintereinander gegen

Thiers losläßt. Jn dem von Limaprac unter-
zeichneten Artikel heißk cs, den Umtrieben d'er
dcn alten Partcien angehörigen Männer, die
vermöge ihrer ehemaligen Beziehungen sich bis
in die Verwaltung eindräiigten und so das
Princip der Regierung fälschien, werde nun-
mehr ein Ende gemacht werden; die Bestre-
bungen einer volksthümlichen Negierung scien
durch Leute vön anderer Geistesrichtung ent-
stellt worden, die sich unter dem lügnerischen
Scheine der Hingebung in viele Stcllungen
eingeschlichen hätten. Man habe stch darübcr
gewundert, daß Männer, die alS Feinde der
Regierung bekannt gewesen seien, einen so
großen Einfluß ausübten. Das werdc jetzt
endlich aufhören und die falsche Hingcbung
entlarvt werden. Angesichis ihrer erklärtcn
Feinde wcrde die Regierung von hemmeuden
Feffeln befreit scin.

D e « t sch l a n d

Karlsruhe, 28. Mai. (92. öffentliche
Sitzung der II. Kammer.) Vorsttz: Hildebrandt.
Am Regierungstische: Staais - Ministcr Dr.
Stabel und Ministcrialraih Ammann. DaS
Secretariat zcigt dcn Einlauf von 3 Petitio-
nen an, und zwar von Markbors für Schles-
Wig-Holstein, aus Todtmoos, Häg u. s. w.
die St. Antonistraße betr., von Wahlmännern
des 20. Aemterwahlbezirks »m Nichligkeitser-
klärung der Wahl dcs Rechtsanwaltes Stig-
lcr. Fauler, Großholz und Paravicini er-
halten dcn von ihnen nachgesuchten Urlaub.
Feverer wivmet vem verstorbenen frühereu
Abgeordneten Bürgermeister Riesterer von Wet-
telbronn ehrenden Nachruf, zu welchcm säinmt-
liche Kammermikglieder durch Aufstehen von
den Sitzen ihre Zustiminung bekunden. Die
Tagesordnung führt zur Berathung des Be>
richts über dcn Entwnrf einer Strafprozeß-
ordnung. Allgemeine Beralhung. Bcck: Der
Entwurf unterscheide zwischen Verbrechcn,
welche der Staat selbst vcrfolge und bestrafe,
welche er nur auf Anklage des Bcschädigten
verfölge und wclchc er im Jntereffe der Ver-
söhnlichkcit, der Familienverhältniffe deS Be-
schädigten nur dann verfolge, wenn dieser es
mitverlange. Jm Allgemeinen könnc man da-
mit einverstanden sein; allein in einem Falle
könne er damit sich nicht zufrieden erklären,
es sei dies das Verbrechen der Verführung
von Kindern. Diesc Verbrechen seien wichtig
unb folgenschwer für das Gesammtwohl, von
der Zucht der Kinder hänge gar viel ab, und
der Staat habe die Psticht, für die Unantast-

14. allgemeine deutsche Lehrcrversammlung.

Mannheim, 28. Mai. Schon von 9 ühr ab
beganncn ffch heute dic weiten Räumc der Trini-
tatiskirche mit Besuchcrn zu füllen, und als um
1V Uhr der zur Eröffnung der Versammlung bc-
stimmte Augenblick gckommcn war, da drängten
stch ntcht bloS ini Sckiff der Kirche die Fcstgäste
Kopf an Kopf, da waren auch alle die Empor-
bühnen mit Mcnschcn biS zum lctzten Platzc bcsetzt.
Mit einem zur Fcier dcS Tages gedichtclcn Fcstliedc
nach der Wetsc: Großcr Gott, dich loben wir, wurde
dann der Lehrertag in würdiger Weise eröffnet.
Herr Oberbürgcrmcister Achenbach bcgrüßtc Na-
mens dcr Stadt dic Vcrsammlung, welchc Mann-
h eim um so lieber in scinen Maucrn verctnigt sehc,
LlS ffc die crste wahrhaft allgcmeine, die erste sei,
»on dcrcn Besuch Riemand mehr durch ein Verbot
der Regicrung seines StaateS ffch ausgcschloffen
sche. Bei aller politischen Zcrklüftung sei diesc
Versammlung cin erhcbendes Z.jchen bcr geistigen
Einigung, welchc unter dcn »erschicdcncn deutschcn
Stämmen auch jetzt schon bestehe, der geistigcn
Eiuigung, die gewtß auch zu der dcreinftigen po-

litischcn Einigung daS Zhre bcitrage und cin
! gewisseS llnterpsand sei, daß diesc ersehnte Einheit
nicht auSdlcibcn könne. Möge der Getst der Eini-
gung, der dic Vcrsammlung herbeigeführt, auch
Zhre Versammlungen beseelcn! Diesem ersten Gruße
reihte Herr Stadtpfarrcr Schellenbergeincnzwei-
ten an, den er im Namcn dcS Lokalkomitcs und
dcS Gesammtvorstandcs der cvangclischen Gcmeinde,
wclcher LiescS GotteShauS der Lchrerversammlung
mit Freuden gcöffnet habe, den so zahlretch auS
allen Gauen deS deutschen VaterlandeS hcrbeigc-
strömtcn Gästen darbrachte. Die Stabt Mannhclm
. sei schon scit alter Zeit, seit dcn Tagcn-threr Grün-
dung cinc Stätte bürgerlicher Freiheit, einc Stättc
edlcr Menschenbildung gewcsen, und diescr Sinn,
dtes lebhafte Zntereffe an Allem, waS edle Bildung
fördert, set tn dcr hiefigen Bcvölkerung lebendig
gebliebcn biS auf diescn Tag. Er durchdrtnge in
gletchcm Maße dic Regierung deS LandeS wic das
Volk. LS sei, sährt der Redner fort, eine crhcbende
Erschcinung, einc so zahlrcichc Vcrsammlung hcutc
! i» demsclben Hause vrreinigt zu sehen, wo gestern
! »on der Kanzel herab dic Pfingstpredigt erschallte.
Wan erinnere fich da der ersten Pstngftversammlung

zu Jerusalem, wo Tauscnde in verschtedenen Zun-
gen eine Sprachc vernommcn hättcn. Auch heute
geschehe es so, auch heute würde in mancherlet Zun-
gen einc Sprachc geredet: dtc Sprache heiliger
Licbe und Bcgcisterung für dic Erziehung dcS Vol-
kcS. Dic Lehrcr möchten da ihres apostolischen Be-
rufeS recht inne wcrden, des BerufcS, die Bande
zu lösen, in «elchen (nach den Worten deS edlcn
Menschcnfrundes ». Rochow) der Löwe der VolkS-
kraft und VolkSvernunft noch gcfeffelt licge. Welch
ein erhabencr Bcruf, Mrnschcn z» erziehen, Men-
schen zu bilden für allcS Große und Edle und Herr-
liche! Möge dic Versammlung davvn lebendig
durchdrungcn scin, mögc auch in ihr der göttltche
Pfingstgeist wehen und bleibcnde Früchte auS ihr
hcrvorwachsen laffen! Der provisorische Vorsttzende,
Superintcndent, Dr. M. Schulze aus Ohrdruff,
ruft der Versammlung ein Wtllkommen zu im Na-
men dcs AusschusseS dcö Lchrertags. Eine Veret-
nigung vo» Lehrern, so zahlreich wic die heutige,
habe Deutschland bisher ntcht gesehen. Sr thcilt
darauf dic Lon der gestrtgcn Vorvcrsammlung für
dcn heutigen Tag projcktirte TagcSordnung mit,
welchc glcich der cbenfallS gestern vorgenommcnen
 
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