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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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März
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N 60


D-nnerstag, 12. März


L803.

Antwort des Grasen Rechberg auf
die Cirenlarnote des Herrn vo«
Bismarck.

Angesichts des durch die öffentlichcn Blät-
ter zu unserer Keiinlniß gelangten Cirrular-
erlaffes des k. preußischen Ministerpräsidenten
Hrn. v. Bismarck vvm 24. Jan. haben wir
uns die Frage vorlegen müffen: ob'die Sorge
für die Ehre und das Ansehen des kaiserlichen
Cabinets uns die Pflicht auferlegc, mit einer
anssührlichen und actenmäßig bcgründeten Ent-
gegnung gegen diese uns so nahe berührende
Kundgcbung aufzutreteu. Eine Regierung/ de-
ren Hanblungsweise von einer anderen in
einem an dritle Höfe gerichteten und dann der
Ocffentlichkeit übergebencn Documente so direct
zum Gkgenstand der Erörterung gemacht wird,
wie uns dies in jenem Berliner Schriftstück
widerfährt, wird, wenn ste sich im Rccht fühlt,
der verzeihlichcn Versuchung unterliegen, vvn
den nichl genau vder nicht vollständig enlhüll-
ten Vorgängen auch den letzten Schleier hin-
wegzuzichen. Dessen ungeachtet verzichten wir
aus bieses Miltel dcr Abwehr, da wir unS
durch jeue besrcmdliche Vcröffentlichung in eine
eigenlhümlich schwierige Lage versetzt sehen.
DaS Cabinet von Berlin erzählt ia seiner
Weise zuerst seinen Agenten, dann der euro«
päischen Lesewelt den Znhalt vertraulicher Ge-
spräche, die Hr. v. Bismarck vor 2 Monaten
mil dem kaiserl. Gesandten gepflogen hat. Es
berust sich auf vertrauliche Depeschen, die mir
vor 2 Monaten von dem Frhrn. v. Werther
vorgelcsen wurdcn. Diese Depeschen liegcn
mir nicht vor, und um über jene Gespräche
die ganze Wahrheit zu sagen, müßte ich von
den Berichten des kaiserl. Gesandtcn Grasen
Karolpi einen Gebrauch machen, welcher durch
ihren in jeder Zeile sich ausprägenden ver»
traulichcn Charakter ausgeschlvffen ist. Zu
einer solchcn Regelwidrigkeit werden wiruns
nicht verlocken laffen, glucklicherweise glauben
wir aber auch ohne Gesahr sür unsern Ruf
den gutcn Gewohnheikdn des Verkehrs zwi»
schen Siegierungen treu bleiben zu können.
Die Auseinandersetzung des prcußischen Cabi»
nets, bie uns beschästigte, bietet uns eine bop-
pelte Seite ber Betrachtung dar: sie enthält
ersteiis ein unverkennbar ausrichtiges Zeugniß
für die politischen Gesinnungen ihres Versas»
sers, sie enthält zweilens eine beschönigende
Darstellung des Thatbestandes der viclbespro-
chenen Vorgänge — eine Darstellung, die sich
großeuthiils zur Anklage gegen uns, zur Be-
schwerde üder das, was man in Berlin unsere

Jgn. Val. Heunisch,

«clchen man, da man vor ihm von einer badischen
Statistik noch fast gar nichts wußte, mit Fug und
Recht den Gründer der badischen Statistik nennen
kann, ist, wic wir in Rr. 56 kurz mitgetheilt, vor
wenigen Tagen gestorben. Heunisch wurde am 16.
Rovcmber 1786 zu Ettlingen geboren, besuchtc das
Lyceum zu Rastatt, sodann, jedoch nur kurzc Zeit,
denn dle Mittel reichten nicht weiter — die Uni-
versität Hcidelberg. Er erwarb stch durch feinc mu-
fikalischen Kcuntniffe, als Theatcrsecretär, später
Theaterdircctor in Bamhcrg, Würzburg rc. seinen
Untcrhalt, und machte Bckanntschaften mit auSge-
zeichneten Künstlern und Gclehrten. Man sagt aus
diefer Zeit, er sci dcr Verfaffcr der bekannten Sccnc
untcr dem Hollunderstrauch im Kätchen von Heil-
bronn. Am Jahre 18t 3 kehrte er nach dem badi-
schen Lande zurück, trat in Karlsruhe alS Diurnist
in die Kanzlei des KriegSministeriums, wurde schon
1814 als Kanzlist angcstellt, 1819 zum Revisor bei
dicsem Ministerium, 1822 zuglcich zum Vorstande
der.Militärbrodregie ernannt, erhielt 1827 den
üharacter als Oberrevisor und vcrsah lange zugleich

Rücksichtslosigkeit nennt, gestaltet. llnsere
Rücksichtslosigkeit! Wenn unser erhabe-
ner Monarch eine Stevung nicht opferk, die,
aus der Geschichte ber Zahrhunderte hervor-
gegangen, geheiligt durch die Verträge, sciner
Kronc von rechtswegen gebührt, und der Macht
und Größe seines Hauses unb Reiches ent-
spricht, so verletzt Oesterreich eine Rüüsicht,
die es dem verbündeten Prenßen schuldig ist!
Wenn der kaiserliche Hos der Politik Preußens
nicht zur Besriedigung von Ansprüchen ver-
hilst, die aus keinem Rcchtstitel beruhen, die
vielmehr die Rcchte mitverdündeter Staaten
offen antasten, und die man in unklaren Um-
riffen andeutet, ohne für sie eine bestimmte
Formcl zu finden, oder eine deutlich erkenn-
bare Grenze zu ziehen, so setzt Oesterreich
abermals die Nücksichten aus dcn Augen, die
der anderen deutschen Großmacht gebühren!
Und der Regierung Preußens war es vorbe-
halten, sogar unser wohlgemeintes Bestreben
dcm Verlangen ber deutschen Nation nach srer-
sinniger Entwickelung der Bundesverfassung,
so viel an unS ist, Genüge zu Ihun, untcr
den Gesichtspunkt einer gegenüber Preußcn
verübten Rückstchtslosigkeit zu stellen! Was ist
ferner damit gemeinl, daß wir in Hannovcr
unb Kassel Preußens ^Jntereffen nicht durch
unsern Einfluß kreuzen sollen ls Verlangt man
von uns, daß wir bort Gesandle unterhalten,
um i» Fragen, wo der Standpunkt der beiben
deutschen Mächte verschieden ist, nicht für uns,
so»dern sür Preußen zu arbeiten? Beklagen
wir uns über Preußens Einfiuß in Karls-
rühe? Einfluß und Vertrauen, sind dies über-
haupt Dinge, über die man nach Willkür schal-
ten und walten, dre man nach Belieben ein-
schränken, abgrenzen und an anbere übertra-
gen kann? Genug, und schon mehr als genug,
um zu zeigen, welche Bewandtniß es mit jener
Anklage hat: daß wir den berechtigten Anfor-
derungen dcr Stellung Preußens in den Weg
lreten. Wir freuen uns des Anlaffes, laut
und energisch gegcn diese Beschulbigung zu
proiestiren. Wenn man uns von Berlin aus
die Altcrnative stellt: entweder uns aus Deutsch«
land zurückzuziehen, den Schwerpunkt unserer
Monarchie — wie der preußische Minister
meinte — nach Osen zu verlegen, oder im
nächsten europäischen Conflict Preußen aus bcr
Seite unscrer Gegner zu finden, so wird dic
öffentliche Meinung Deutschlands über solche
Gesinnung urtheilen, bie Ercignisse werden sie
richten, wenn sie jc zur That werden soüte.
Uns abcr komuit es zu, den Vorwand, den
man sich in Berlin zurechtlegen zu wollen

den Dienst als Sccretair. Später zum Kanzlei-
rath und Kriegscommiffär ernannt, trat er mit
vvrgerücktem Altcr nach langjährigen, treuen und
erspricßlichen Diensten, wofür er mit dcm Dicnst-
auszeichnungökrcuze 2. Llaffe, für Offiziere, bc-
lohnt wurde, in dcn Ruhestand. Die dienstfreie
Zeit und die lctzten Jahre seines Lebens widmete
der nun Vcrblichene litcrarischcr Beschäftigung und
insbesonderc warcn es gcographisch-statistischeWerke,
wclche sciner unausgesetzten THLtigkeit, scinen Kcnnt-
»iffen und fcinem Talentc zu vcrdanken smd. Schon
1815 erschieu von ihm einc statiftisch-diplomatische
Tabelle von Europa; 1821 cine klcinc Gcographie
unb Statistik deS Großherzogthumö Baden; 1824
Geschichtlichc Darstellung deö Grvßhcrzogthums Ba-
dcn in Karten 1) zur Zcit der Geburt Christi,
2) zur Zeit der Römcr, 3) nach dcn Gauen deS
MitielalterS, 4) nach bcn ncuen Erwerbungen;
1824 einc tabellarischc llebersicht dcr Erwerbungen
und Abtretungen des großh. HauseS von 1746an;
1833 cine geographisch-statistisch-topographischeBe-
schreibung deS GroßhcrzogthumS; 1837 ein Hand-
buch sür Rcisende in Baden; 1840 eine statistische
Betrachtung übcr dir natürlichen Kinder rm Groß-

schcint, rechtzeitig als einen solchen zu kenn»
zcichnen. Stark durch unser Gewifscn, und
auf das Zeugniß unserer Bundesgenoffen unS
berufend, fühlen wir deßhalb die Pflicht zu
erklären: nein, wir haben keine Rücksicht ver-
letzt, auf wclche Preußcn wirkiich Anspruch
hat, wir haben noch weniger cin Recht der
Krone Preußen angestritten, wir haben bei
jeder Gelegenheit Entgegenkommen und ver»
söhnliche Gesinnung bewiesen, wir sind i'n un-
serer Nachgiebigkeit mehr als einmäl bis hart
an die Grcnze gegangen, die uns durch das
Gefühl unserer Würde wie der Pflichten gegen
den eigenen Staat und gegcn treue Verbündcte
gezogen war. Wir könnten hiemit den uner»
freulichcn Gegenstand verlaffen. Es war uns
nicht darum zu thun, den peinlichen Eindruck
noch pcinlicher zu machen, der vurch die preu«
ßische Circulardepesche hervorgcrufen werdcn
mußtc, wir wollten nur unsere eigene Hanv-
lungsweise vor ungleicherBeurtheilung schützen.
Das Publikum des Tagcs gibt sich ven Ein-
drücken des Tages hin, deshalb hättcn wic
Nachtheil für uns besorgen müffen, wcnn wir
der Behauptung, baß Preußen sich über uns
zu beklage» hade, nichls als unscr Schweigen
cntgegengesetzt hätten. Vor dem schärfer prü-
fenben Urtheil des Lcsers gcnügen ohnehiu die
eigenen Anführungen des prcuß. Actenstückes,
um den Unwerlh dieser Behauptung darzu-
thun. Sie genügen hiezu namentlich vor dem
unparteischen Urtyeil ber Regierungen Deutsch-
lanbS, deren Vertrauen unser wohlerwvrbener
Besitz ist. Diesem Vertrauen wird die ein-
seitige Darstellung des Berliner Cabinets, auch
soweil ste sich auf bie der Abstimmung vom
22. Zan. vorhcrgegaiigencn Verstänbigungs-
versuche bezieht, nicht Abbruch thun. Wir
können jedoch nicht schließen, ohne uns in letz-
terer Hinsicht gegen mögliche Mißbeutuiigen
einer Stelle der preußischen Circulardepesche
sicher zu stellen. Es wirb nämlich dort zwar
bestätigt, daß wir nur unter der Bedingung
ciner gemeinsame» Znitiative in der organi-
schen Reformfragc auf das Verlangen der Si-
stirung der Verhandlung in Frankfurt einzu-
gehen bereit waren. Ein Ausbruck, deffen vaS
königl. preußijche Cabinet sich bedient, schcint
uns jedoch in dem Zusammenhang, in welchem
er gebraucht ist, der nöthigen Deutlichkeil zu
entbehren. Die königl. Regierung erwähnt
des von uns auSbedungencn Acquivalents.
Nach der Art, wie sie hievon spricht, kann
unter diesem Acquivalent allerbings die obcn
erwähnte Bedingung verstanven werden, wie
dies ber Wahrhett gemäß ist; es läßt flch

herzogthum und 1857 im Vereine mit den Herren
Archivrath llr. Bader und Prof. vr. Fickler das
bckannte, auSgezcichnete historisch-geographisch-sta»
tistisch-topographische Werk: „DaS Großhcrzogthum
Badcn." Außcrdem crschicn von ihm tn vielcn Iähr-
gängen der Karlsruher Geschäftskalender, der Ka-
lender für das prartische Leben, mehrere Karten
von Badcn, die erste Gaucnkarte der badischen Laside
(1819) und die erstc Kartc über dic »erschiedencn
Acquisitionen von 1771 biö 1818, AtlaS für allc
Theile dcr Erdc, Taschcnatlas dcr Wclt u. s. «.
Ueberall schöpfte er aus amtlichcn Quellen, welche
ihm durch die Hulb des Fürsten und derRegierung
zur Verfügung gcstcllt wurden. DaS Vaterland
ist diescm Mannc zum bleibenden Dankc »erpflich-
tet. Vom Auölande wurde ihm schvn bci Lcbzeiten
»iele Ancrkennung zu Theil, er ward u. A. Mtt-
glied mehrcrer gelehrten Gesellschaften und erhtelt
die Ehrenmedaillc von der gcograptschen Gesell-
schaft in PariS. Als Privatmann war Heunisch
einc nicht minder ehrenhafte Persönlichkeit. llntcr
Hoch und Nieder hatte er trcuergcbcne Freundc in
großer Zahl. Ehre dem Andenken dtescS ManncS!

(K. A.)
 
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