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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Mai
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N 11S


Dienstag, LS. Mat


1863.

* Politische Umschau.

„TimeS" sagen, die pcußische Kamme r werbe
nachgerade lächerlich; sie ließe sich Beleioi-
gungen gesallen und zeige nicht bie Krast, ste
zu rächen. Der Kriegsminisier betrage stch
wie ein Unterossicier, der Recruten einerer-
cirt; Bismarck mische sich in die Debatte, wenn
und wie es ihm beliebe, und verlangc nun
Abbitte, weil man die Minister zu anstänbi-
gem Betragen und gezicmender Sprache an-
gehalten habc. Dies sei nun die letzle Stuse
der Herabwürdigniig, denn jeder Versammlung
sei das Recht angeboren, Ordnung zu erhal-
ten; der Minister nehme aber einen Ausstuß
des göttlichen Rechtes seines Herrn sür sich
in Anspruch. Damtt werde die Kammer zu
einem Redeclub uud spreche in den Wind.
Nichts sei vcrächtlicher in den Augrn prakti-
scher Männer als Worte, hinter welchen keinc
Macht stehe. Sind die seudalen Zunker so
stark, daß nichts gegen -sie gelhan werden
kann, so ist es verächtlich, gegen sie zu becla«
miren unb man hält sich besser ruhig. Das
Zunkerblatt behaupiet, die „Times" sei anti-
preußijch; in biesein Falle würden wir unS
über die Vorsälle in Preußen freuen, denn die
Narrheit vcrnichtet dort bie Größe einer Na-
tivn; wir verachten Staatsmäniied, welche noch
mehr durch Narrheit als burch Glück.die Auf-
inerksamkeit aus stch ziehe» , aliein wir haben
auch keine Spmpathien sür lccre Schwätzer,
wclche vor jcder That zuliickschreckrn. Als
protestantische Macht sollte Preußen das Boll-
werk der Freiheit des CvliliuenlS scin. AIS
constitutionelle Rcgierung sollle eS Gedanken-
treiheit, individuelle Setbststälidigkeit unb Na-
tionalgesühl in Deutschtand vcrbrciten. Als
Großmacht sollte es ein wichtiges Wort in
den Angelegenhkilkii Euroxa's mitsprechen; alS
ireics Volk sollten die Preußen die natürlichen
Gehülsen Englands seiu. Sollteu wir nun
nicht entrüstct sein über bas, was eö wirklich
ist? Soüten wir Lpmpathien habeu sür e,ne
dumme Burlesque der wirklichen Kämpse, durch
welche andere Völker ihre Freiheil erruugen
haben?

Aus dic Einladung dcs srauzös. Gesandten
Moustier, sich an den diplomatlschen Schritten
der Mächte zu Gunsteu Polens zu beiheiligen,
gab die Pforke eine ablehncnde Antwort. (Wirb
von anderer Seite widersprochen.st

Zn Alhcn haben, wie gcmeldet wird, die
Gesandten FrankrcichS, Englands und Oester-
reichs an die griechische Regierung eine Note
gerichtet, worin sie verlange», daß energische

Maßnahmen gegen die Znsubordination der
Soldaten ergrr'ffen würden.

D eu t sch land

Karlsruhe, 15. Mai. (90. öffentliche
Sitzung der 11. Kammcr.) Vorsitzender i Prä-
sident Hildebrandt. Regierungs - Vertreter;
Staatsministcr Dr. Stabel, Staatsrath Lamep,
Präsident v. Roggenbach und Ministerialrath
v. Frepdorff.

Bezüglich der Dauer des aus den Liquid-
erkenntnissen hervorgehenden Unterpfandsrechts
schlägt bie Commission vor, der Regierung die
Zeil von 3—5 Jahren zu empfehlen, was die
Kammer genehmigt, woraus das ganze Gesetz
zur Abstimmung unb Annahme gelangt.

Auf die Anfragc des Abg. Eckhard wegen
des BaueS ber Kinzigthaleisenbahn, antwortete
Prästbent v. Rog ge n ba ch, daß die umsaffend-
sten Uiltersiichuligcn angestellt würden, um die
bauwiirdigstc Liaie herauszufinden. Damit
sei man noch nicht sv weit gekommen, um
schon diescm Landtage ein bezügliches Gesetz
vorzulegcn; jebcnfäUs werde es aber bei vem
nächften geschehen, der stch sast unmittelbar
diesem anreihen würve. Ueber den cinstweili-
gen Bau unb Betrieb »on Offenburg bis Hau-
sach habe daS Staalsmitiisterium noch nicht
Beschluß gefaßt. Eckhard und Kirsner
dankcn sür die Aufklärung.

Hieraus Berathung bes Berichts des Abg.
Pagenstecher über die Motion dcs Abg.
Lamcp v. Ps. aus Abändernng des 8. 37 der
VersassungSütkunde. Die Commission stcllt
dcn Antrag:

„Se. Königl. Hoheit den Großherzog in
cincr unterthanigsten Adreffe zu bitlen, den
Eiitwurs eines VcrsassungSgescßes deu Lanb-
stänben zur Berathung unv Zustimmung gnä-
digst vorlcgcn zu laffen, wodurch Ziffer 3 des
8. 37 ber Vcrfaffung zusätzlich bahin ergänzt
werde, baß in Betreff der Wählbarkeit zur
zweiien Kammer einer jeben directcn Staats-
steuer verhältni'ßmäßige Geltung zuerkannt
werbe, gleichviel, ob dieselbe aus einer over
der anderen, over zusammengenommen aus
mehreren Besitz-, Erwerbs- odcr Einkvmmens-
arten flicße, jedoch nnr insosern, als diese
Steuerquvke derjeuigcn gleichkomml, welche
von den bisher die Wählbarkeit debingenden
Sleuercapitalien deS Grund-, Häuser- unb
Gewerbebesitzes bezahlt wird."

Artaria nnd Schaasf haltcn den Gegen-
stand nichl für wichtig genug, um deswcgen
eine Aenberung der Versassung zu treffen.

Lamep v. Pf. ist gegen den Commissionsan-
trag, bcr seinen entwickelten Gründen nicht
Rechnung trägt und stellt den Antrag, daß
Ziffer 3 des 8. 37 der Versassung dieFaffung
erhalte: „Zedcr ist wählbar, der eine directe
Steuer bezahlt." Seitz und Beck hätteu
auch gcwünscht, daß die Comm'Won den ersten
Antrag des Motionsstellers aufgenommen hätte;
Moll beantragt eine gcwissc Snmmc (10
bis 15 fl.) birecte Steuer zu fetzen; Häus-
ser spricht für einstweilige Berechtigung des
Capitals bis eine Revision des Wahlgesetzes
unv der Bestimmimgen über die Zusammen-
setzung der beiden Häuscr erreichbar wäre und
damit für den CommissionSantrag; ebenso
Krausmann, Hoffmeister, Kirsner und Staats-
rath Dr. Lamep, welcher übrigens bemerkt:
es werbe der Rcgicrung gleich sein, welchcm
Autrag die Kammer Zustimmung gebc. Diesc
gibd sie schließlich dem Coiymissionsantrage.

Karlsruhe, 1b. Mai. Die zweitc Kam-
mer hat heute ihre Arbeiten bis zum 28. Mai
vertagt, da der vorhan.dcn gcwesene Stoff aus-
gearbciiet ist. Jn der nächsten Sitzung wird
mit Berathung der Abäneerungen ber Stras-
prozeßordnung bcgonncn werden.

Kafsel» 16. Mai. Das Gesetzblatt ver-
künbigl das Eisenbahngesetz vom 2. Mai, so-
wie das die Geineiiideordniing bctreffenbe Ge-
setz vom 15. Mai.

München. Fürst Ludwig v. Wallerstein,
der in der Geschichte Baperns eine so hervor-
ragende Rolle gespielt hat, ist endlich, wcil
seine angegrissene Gesundheit eS dringcnd ver-
langte, 'zum Besuche des Bades Aibling sciner
sast 1jährigen Wechselhaft enklaffen worden.
Wenn die reichen Verwandten nicht einschrci-
ten, wird der 74jährige gürst nach Herstellung
seiuer Gesundheit wohl wieder in bie Haft
zurückkehreu müffcn.

Weimar, 12. Mai. Dic alle zwei Jahre
sich in Eisenach versammelnde deutsche evan-
gelische Kirchcnkonserenz wird im nächsten
Monat zusammentreten und am 4. Juni burch
Gottcsbienst aus ber Wariburg, in welchem
Abt vr. Erncsti aus Wolsenbüttel bie Fest-
predigt hält, eröffnet werden. Die hauptsach-
lichstcn Gegenstände dcr diesmaligen Berath-
ung sind: 1) Dic Statistik sämmtlicher evang.
Kirchen in Deutschland. 2) Die kirchliche
Armenpflege. 3) Die PrüjungSordnung der
theologischen Kanbidaten in den verschiedene»
Landeskirchen. 4) Dic Revision dcr lutheri-
schen Bibelübersetzung. 5) Die Form der
Einweihung evang. Kirchcn. 6) Der Bestand
des vvn der Konserenz gegrünbeten, in Stutt-

Beethoven und Eatalani.

Eiii Eapriceio von Friedrich Steincbach.

(Kortsetzung statt Schluh.)

So kam es dcnn, dast eines Tages die gepriesene
Jtalienerin Catalani, geboren zu Sinigaglia im
Jahre 1782, von cincm der größten Fürstenhäuser
zu Wicn geladen wurde, UIN den Kreis der ange-
sehensteii dort versamnielten Familien durch den
Vortrag einer Arie zu entzücken. Die Catalani
sagte zu, cmpstng vorhinein ein prachtvolleS Ge-
schenk, und bie vornchinc Wclt harrte am bcstimm-
ien Abend des Genusses, der ihr verheißen war.
Beethoven, ein Freund des Hauses, hatie — ob-
wohl seiner bereiis beginnenden Schwerhörigkeil
wegen schon eiwas menschenfcheuer ais bisher ge-
worden — »oll gcwohnier Bereitwilligkeii vcrspro-
chen, dic Sängerin am Piano zu beglciien, dadurch
dem Abend rin ganz uncrhöries Lüstre zu gcbcn,
und somit war die Erwartung dcr Anwesendcn auf
daS höchste gesteigert.

Endlich erschien tie vergötterte Sängerin, zeigte

sich höchst UebenSwürdig und launig, als es aber
an den Vorirag der Aric kam, cnischuldigte sie sich
dem eben mil ihr allein sprcchenden Fürften gcgen-
über, indcm sic heute zum Singen nicht disponirt
scl. Dcs HauSherrn Verlegcnhcit lüßi sich denken,
um so mehr, als dic Caialani unerbittlich schien
und sich mit andern Damen in ein Gesptäch ein-
licß, ohne dic Bitien deS Kunstfreundcs zu beach-
tcn. Becthovcn hatte deS Fürsten Verlegenhcit be-
merkt, sctzie sich an das Piano, dcm zunächst die
Ztalienerin mit den andcrn Damcn Platz genom-
men haiie, und indem er schlau lächclnd die Finger
über das Jnstrument gleiten ließ, wußie cr flch als-
bald in das Gespräch der Damen zu mengen, um
welche die Herrcn rinen wcitcn KreiS bildeten, denn
man glaubte svfort die Latalani hören zu könneii.

MU Gewandtheit wußtc Beethoven, der auf Rache
sann, das Gespräch auf die Künstlcrlaunen zu brin-
gen, und sagte — als wäre eS absichtslos gcschehen:

„Bevor unS Signora Latalani durch ihren Gc-
sang ergötzt, erlauben mir dic vcrehrten Gönner
wohl, eine köstliche Rcuigkcit zu erzählen, einc Anek-
j dote ans dem Leben drs berühmten Caffarelli. Der
! Sänger Caffarclli — eigentlich „6»eisno msjorsno--

> genannt — war eines armen Bauers Sohn, kaustc
1760 ein Herzogthum, wo er den Titel: vnoa cki
sauto ävrsto crhiett, und dies Gelb war nur der
Ertrag seiner Kunst. AiS er 1783 zu Neapel starb,
schätzte man scin, dcm Neffen hinterlaffeneS Erbe
auf 12,000 Ducaten jährlicher Einkünste. Auf dem
Hause, das er sich erbaute, stand auf seinen Bcschl:
---Vmjäiion xiiebas, LZO äoinuin. ' Kein Sänger
der Welt hat Caffarelli an Gcläufigkeit der Kehlc,
an Netiigkcit der ausgelaffcnsten Berbrämungen
übertroffen. Er wurde mit Gold überhäust; mst
seinem Rcichthum wuchs abcr scine Eitclkeit, sein
Stolz, feinc Laune fast bis zur Tollheit. Caffarcllt
kommt nach Rom, der Lardinal Albani ladet ihn
ein und zugleich die vornchmsten Herren und Da-
men dcr Stadt, denn Caffarelli hatte versprochen
zu fingen."

, Als Bcethovcn so weit gesprochen hatte, sah Ze-
dcrmann gefpannt auf dcn Erzählcr, diescn aber
j traf ein vielsagender Blick der JtaUcncrin, welche
sich erzürnt auf die Lippcn biß, anscheincnd «bcr
ganz arglos zuhörte. Becih'oven fuhr in heiterster
Weise zu erzählen fort.

Schluß folgt.)
 
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