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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Mai
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M 122


Doimerstag, 28. Mai


L8«3.

Politische ttmscha«.

Die „Kreuzzeitung" sagt über die Adresse:
Die Kammer hat also wirklich den Muth, bei'
Sr. Majestät anzufragen, ob er ihre Depu-
tirten empfangen will, die solch ein Actcnstück
überreichen sollen?! Zn der Ehat, wir sinv
weit gekoinmen, und es bleibt den Herrn Fort-
schrittlern kaum noch etwas übrig, als daß
ste ohne Umschweif die Republik proclamiren
im Königreich Preußen. Uns ist es unver-
ständlich, wie ein weiteres Verhandeln mit
diesem Hause ersprießlich sein soll. Wi'?sehen
keincn andern Erfolg, als Minderung dcr
Autorität im Lande nnd Schaden für die Mo-
narchie.

Die „Rhein. Ztg." bemerkt: Es wird da-
von gesprochen, die Pärtei des jetzigen Mini-
steriuins fürchte dcu Liberalismus des Kron-
prinzen. Dicses Gerede beruht auf ganz un-
richtige» Voraussetzungen; es ist vielmehr als
sicher anzunehmcn, daß der Kronprinz ebenso,
wie der König mit den Grundsätzen der mini-
steriellen Partei ganz einverstanden sei.

„Times" sagen, die Scene in der preuß.
Kammer ist nur ein Glied ver langen Kette
von 'Brutalitäteu, welche sich heute in der
Niederstechung eines Hausknechts, morgen in
dem Reiten preußischer Ofsiciere in öffentlichen
Promenaden äußert. So lange das Militär
in Preußen nicht wie in England i'n allem
nicht Militärischen den Civilgerichten' unter-
worfen ist, welche es in den Schranken des
Gesetzes halten würden, wird der Geist Albrecht
deS Bären, dcr sich nun in der Kammer ge-
zeigt, ihm nic auszutreiben sein. Dcr Con-
flict in Preußcn war von Anfang an ein
Kampf zwischcn der Aümacht der Militärwill-
kür, oder der der Gesetze, und sein Ausgang
wird darüber elitscheiden, ob Gesctz und Recht
oder der Säbel in dem Staate gelten soll, der
als Staat der JntcUigcnz von mancher Seite
bisher gcpriesen wurde.

Die östcrreichischcn Zeitungen sprechen sich
,'n der entschiedensten Weise für das gutc Recht
des preußischen AbgeordnetenhauscS aus. Das
Abgeordnetenhaus scheint ihnen noch nicht kräf-
tig genug die Rechte des Landes vcrtreten zu
haben. Die „Prcffe" fordert eine feierliche
Mandatniederlegüng deS Abgeordnetenhauses.

Die „Debats" beri'chten aus Wicn, daß
Oesterreich zu einem Congreß über Pvlen nur
dann seine Zustimmung geben werde, wenn
ihm Galizien und Venetien aufs Neue garan-
tirt würden; zwei Großmächte seien dem nicht
abgencigt.

Deutfchland

Karlsruhe, 22. Mai. (Schluß der 33.
pffentlichen Sitzung der 1. Kammer, den Ge-
setzesentwurf über dic Verwaltung der Rechts-
polizcr betreffend.) Bei Art. 1, der die Art
der Behörden sestsetzt, wird von der Eommis-
sion, abweicheud von bem RegierungSentwurs,
den dermaligen Amtsrevssoren der Titel Ge-
richtsrevisorcn zugewiescn. Dieser Titel findet
seines eigenthümlichen Klanges wegen in dem
Hause keine seststehende Anerkcnnung, die Com-
misflon wird Pielmehr mit der Aufsüchung
eines andern betraut. Jn Art. 3 hatte die
Commisston einen Zusatz aufgenommen, der
die Gerichtsrevisoren alS Hilfsbeamte der
Amtsgerichte erklärt. Dieser Zusatz wurdc auf
Anregung von der Regierungsbank gcstrichen,
und in denselben Paragraphen die Bestimmung
des Regierungscntwurfes wieder ausgenommen,
wornach den Gerichtsrevisoren die Ausscrti-
gung der Schuld- und Pfandurkundcn verblei-
ben soll, mit Nücksichl auf die denselben durch
das Landrecht vblicgende Schadenersatzpflicht.
Gleichzeitig fand auf Anirag deS Stadidirec-
tors Grafen von Hcnnin ein Zusatz zu diesem
Paragraphcn Ausnahmc, dahin gehend, daß
auch den Gerichtsrevisoren auf Verlangen der
Berhciligten ein Beglaubigungsrccht cingeräumt
werde. Wegen der Faffung wird drescr Ge-
genstand an die Cvmmission zurückverwiesen.
Vor §. 4 wird auf Antrag des HofrathS
Bluntschli statt „GerichtSbarkeit" „Geschäfts-
kreis der Notare" gesetzl. §. 28, der über
dic Zuständigkeit der Notare handelt, erhält
auf Anlrag des Stadtdirectors Grafen Hennin
einen Zusatz, Betrcffs der Ausnahmen von
Geschäftsvcrrichtungen, die die Notare auch
außerhalb ihrcS Districts vornehmcn können.
Als cinzige Ausnahmc war die Siegelanlegung
angeführt; hierzu sollte nun auch die Auf-
nahme der Bermögcnsverzeichniffe in den ge-
setzlich gebotenen Fällen kommen, was von
dem hvhen Hausc angcnommen und zur Fas-
sung an dic Commission zurückgcwiesen wurde.
Bei 8. 62 frägte Hofrath Bluntschli an, wa-
rum man den Notarcn nicht auch wie den An-
wältei^dic Errichtung einer Disciplinarkammcr
von StandeSgenvffen zugebe, worauf Herr
Staatsminister Stabel erwiederte, daß dies
geschehcn könne, wenn einmal die Notare den
Anwälten an wiffenschaftlicher Bildung gleich
stünden. Bci §. 62 hatte Regierungsrath Zolly
eineii Antrag eingebracht, welcher die Versetzung
eines Notars gegen seincn Willen von einem
vvn dem Ausschuß deS Notarvereins einzu-

holenden Gutachten abhängig machen wollte,
gegen den sich aber die Regierungscommisflon
aussprach. Er wurkc fchließlich auch von dem
hvhen Hause nicht angenommen. Di'e übrigen
Artikel wurdcn zum größten Theile ohne Be-
sprcchung, seboch alle nach dcm Vörschlag ver
Eommisston ängenommen. Die Sitzung wurde
sobann auf kurze Zeii unterbrochen, die Com-
mission regelte die an ste gewicsencn Fäffungen,
unb trug solche sodann nach Wiedereröffnung
dcr Sitzung dem Hause vor, worauf die na-
mentlichc Abstiwmung statifand, bie wir be-
reils mitgetheilt haben. Für den Namen Ge-
richtsrevisor vermochte bie Commission keinen
andern Titel zu sinden, und die Kammer be-
gnügte sich sodann mit dieser Bezeichnung.

(B. L.-Z.)

Franksurt, 25. Mai. Zn der gestrigen
dahier abgehaltenen Sitzung der ständigen Com-
mission des Abgevrdnctentages wurde beschlos-
sen, auf den 20. und 2l. Zuli dieses Zahres
den Abgeordnetcntag nach Frankfurt zu berufen.
Als Tagesordnulig wurde festgesetzt: 1) Schles-
wig.holsteinische Fragc; 2) das deutsche Jnte-
reffe in Bcziehung auf die polnische Frage;
3) die Bebeutung ber preußischen Verfaffungs-
krisis für Deutschland; 4) weitere Ausbildung
der Organisation dcs Abgeordnetentagcs, ins-
besondere mit Nücksicht auf die Förderung einer
größercn Gemeinsumkeit der Gesetzgebung
Dcutschlands.

Mainz, 2t. Mai. Der „Mainzcr Anz."
berichlel über daS bortige Auftteten des Hrn.
Laffalle: Der kurze Jnhalt der gestrigen langen
Rcde deS Hrn. Laffalle war etwa svlgender:
„Sie sind alle nichts werth, die Zdeologen u.
Büchermenschen, vie Fortschrittspartei, dic
preußische wie dic allgeiiicine deutfche, ber Na-
tionalvcrein, die ganze „liberale Bourgeoste",
alle taugen nichtS und thun nichts sür euch,
ihr Arbeitcr, nur ich und meine greunde, wir
sind die Erlöser. Die Schulze-Delitz'sche Lehre
von der Selbsthülfe der Arbeiter taugt nichiS,
ihr könnt es billiger und näher haden: allge-
meines Stimmrecht und dadurch Unterstützung
vom Staate; also auch einmal für euch Geld
ohne Arbeit. Gefällt euch das, so beschickt
den vvn mir agitirten Sonderarbeitertag in
Leipzig." — Ja, sprachen mit wenigen Aus-
nahmen die erhobenen Hände; die anwesen-
den 800 Arbeiter erklärten sich mil allen gege»
2 Stimmen für ihn.

Coburg, 20. Mai. Die „officiöse Co-
burger Ztg." bringt heuke die Mittheilung,
daß sich bie großh. badische und vie herzogl.
coburg-gvthaische Regierung über ihr Verhal-

Ehrgeiz in dcr Kiiche.

Herr Peter war scit Jahrcn Küchcntyrann bcb-
einem Resiaurant in PariS. Wenn er seinc Stirne
runzeltc, bcbte daS ganze Küchcnpersonal und dic
erste Köchin wie der letzte Laufbursche bcugtcn sich
tn Ehrfurcht vor dem Kochlöffcl dcs Hrrrn Petcr.
Abcr dcr Herrschcr der Küche hattc sein glorreichcs
Amt nicht von dcr Gnadc Gottcs crhalten, scinc
weiße Mütze hatte cr vom unheiligcii Küchcntüsche
genommcn, ein Höhercr stand über ihm und dicser
Höhere, der ihn cingesetzt hattc, hatte sich auch dic
Macht «orbehaltcn, ihn abzuscvcn, und so gcschah
rS, daß einer Morgens die crste Waschfrau, die
lebcndlge Zeitung der Küchc, die Nachricht brachtc,
Herr Peter sei gefallen und ein Systcmwcchsel
stehc h-vor. Die Acticn sämmtlichcr Küchen-
jungcn sticgen und Thronkandidaten mrldeten fich
zahlreich «ic zum gricchischcn Thronc.

Obglkich Hcrr Pcter in dcr ncuesten Zdit nicht
wenige Lollegen erhalten hat, konnte -r fich doch
nicht so letcht >n die Rolle eincs entthronten Re-
genten fügen. Es ging ihm, wie es bts jetzt noch
krstiem seiner Eollegen, «enn «ir KLnig Lear ntcht

mitzählcn wollen, der aber nur ein Phantafiebild
ist, gegangen, er vrrlor mit setnem Scepter zu-
gleich scinen Vcrstand. Er beschloß, seinen Küchcu-
thron zurück zu erobern odcr fich an dcr Menschheit
zu rächen und die ganzc Wclt zu bchaudeln, als
ob fie ihm zur Küchc gegcben wäre.

Rachcschnaubend trat cr in cine Weinstubc und
ließ zunächst sctne Wuth an eintgen Schoppcn Wein
aus, die er alS Opfer hinabschicktc in daS Rctch
cwigcr Nacht. Dann kam sein llhrglas an die
Rcihc, er zcrbiß es, und, wie einLöwe, der Blut
gclcckt hat, blickte cr gterig im Zimmcr umhcr und
murmcltc vor fich hln: „Ach haltc cS nicht aus,
ich muß Eincn verzehren."

Wcr tiescr Etnc sei, darüber konnte noch Zwei-
fel herrschen, und die Anwcsendcn blieben ruhig,
«cil fie in dem Einen irgcnd etnen Lcckerbiffen dei
Speisekartc vermuthetcn. Aber so war cs nicht gc-
meint. Dcr wahnfinnige Küchenmcister «olltc einen
Bratcn für fich zurichtcn, wic ihn noch kcine Tafcl
getragen hattc. Er machte Ernst auS sciner Drohung,
dic ganze W-lt al« Küche zu betrachtcn und über
die ganze Welt sein Küchenmeffer zu schwingcn.

Bei einer Flafche Wetn saßen friedlich 4

und unterhielten fich über die Tagcscrcigniffe. Zu
iyncn trat der Wüthendc.

„Euch alle vier werde ich verspeisen!" rief er mtt
furchtbarer Stimme, „und mit dem Größten will
ich anfangen."

Der Fcttestc beS vierbiättcrigen Klceblattes war
mcrkwürdiger Weise der Corrector eincr Zeitung,
der wahrscheinlich durch die vielcn Böckc, dic er
geschoffen, fett gewordcn war. Auf ihn stürztc fich
dcr Wahnsinnige, um ihn zucrst zu oerspeisen. Aber
dcr bicke Eorrcctor, der wohl manche Ente tn die
Wclt gcsetzt haben mag, keincswegs aber die Lust
verspürtc, selbst als cine Entc vchandelt zu «erden,
ergriff schlcunigft dic Fluckt.

Glücklicherweise hattc in diesem Fallc die Prcffe
dic Polizct auf ihrei Seite, man coNfiScirtc nicht
fic ftlbst, wohl aber ihren Feind, der fie mit Haut
und Haaren:u vcrschltngen drohte. Ein Wächtcr
dcr offentlichen Sicherhcit eiltc herbei, den Angret-
ftr deS Eorrectors zn verhaften. Dicftr aber ließ
fich nicht schrecken, er sah im Gegenthetl in dem
Polizistcn ein neues.Opfer und rtef dahcr dem
Herbeicilenden mit kannibaltscher Frcnde entgcgen:

' „Auch dich werde ich verspeistn."
 
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