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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Januar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2820#0017

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9^» ^rrscheint, MontagS auSgenommen, taalich.

PreiS vierteljährsich 54 kr.

Mittwoch, 7. Jamrar

ZllsertionSgebLhren für die Sspaltige Petit-
zeile werden mit 3 lr. berechnec.

L8SS.

Bestellu ngen auf die „Heidelberger
He«tung" nebst Beilage „Hei-elber-
ger Farurlienblätter" für das mit 1.
Zanuar 1863 begonnene 1. Quartal
werden fortwährend angenommen.

Die Expedition.

Politifche Rundscha«.

(Schluß.)

Jtalien ist immer noch von den Einflüffen
Les Bonapartismus umgarnt, welcher nach
wie vor Rom festhält, und im verfloffenen
Zahre seine bestimmende Macht der italien.
Regierung gegenüber hanptsächlich dadurch be.
währte, daß er diese nöthigte, dem Garibaldi-
schen Unternehinen auf jene Hauptstadt mit
aller Entschiedenheit entgegenzutreten. Der
militärische Sieg bei Asprvmonte ward aber
für Victor Emanuel zuglcich zu einer morali-
schen Niederlage der vffentlichen Meinung Jta-
Ilkns gegenüber, und er sah sich nicht lange
nachher genöthigt, das bonapartistisch gesinnte
Ministerium Ratazzi zu entlaffen und etn aus
gemischten Elementen bestehendes zu berufen.
Sein hauptsächlich auf innere Resormen be-
züglichcs Programm sieht sich dieser genöthigt,
unter einer drückenden Schuldenlast und untec
Aufnahwe einer neuen Anleihe im großartigen
Maßstabe auszuführen. Ob und wie weit dic-
ses letztere gelingen wird, ist zweifelhast, in-
dem sich- eben jetzt wievrr tn verschiedenen
Provinzen des unfertigen Reiches der repu-
blikanische ebenso wie reactionäre Parteigeist
von Neuem regt. — Von Frankreich sind
aus dem vorigen Jahre äußere Ereigniffe von
besvnders auffälliger Bedeutung nicht zu be-
richten. Anstatt solcher muß die Menschen u.
Geld hinwegraffende Erpedition nach Meriko
der Ruhmsucht der Franzoscn in sehr zwcisel-
hafter Weise Genüge leisten. Wenn es der
miliiärischen Tüchtigkeit der französischen Trup-
pen mit verstärkten Hülssmittclii unb bei dem
Eintrittc der beffern Jahreszeit auch gelingt,
die Hauptstadt zu nehmen, unb die Merikaner
völlig zirPaaren zu treiben, so dürfte schließ-
lich doch nur cine Colonie von noch zweisel-
hafterem Werthe als Algier für Frankreich
geschaffeu werden, welchen der etwaige Vor-
theil, den wohl Napoleon im Auge hat,
einen Stützpunkt für die amerikanischen Süd-
fiaaien und zngleich eine Colonie an der Welt-
handelsstraße zu einigem Abbruche der politi-
schen und commerciellen Beziehungen Engländs
zu besitzen, kaum auswiegen dürste. — Ruß-
land beging in diesem Zahre die Feier sei-

nes tausendjährigen Bestehens, während in
dem coloffalen Reiche seldst der Geist ber Neu-
zeit immcr reger wird. Mit Muth und Zu-
versicht bestand der reformatorische Kaiser
Ale'rander ll. bis jetzt bie Erschütterungen,
die Vvn umgestaltenden Maßregeln unzertrenn-
bar sinb. Oft war er in der Lage, innerc
Feinde niedcrzuhalten und bestrafen zu müffen,
aber nie ließ er sich bis jetzt vom Fortschritte
abhalten, vbwohl eine ertreme Partei ihn zur
Ueberstürzung, eine andere ihn zur Neaction
dräugen wollte. Durch bie Feucrsbrünfte in
Petersburg und durch revolutionäre Schriften
wurbe die den gemäßigten Reformbestrebungcn
zugewandte öffentliche Meinung nur bestärkt,
welche stch zuglcich von den durch die Flücht-
lingsliteratur verbreiteten utopischen Ansichten
abkehrte. Die Agilation in Polen dauert
zwar neuerdings fort, aber dieselbe schwächt
sich durch craffe Uebertreibungcn, denen sie im-
mer mehr verjäüt, durch den Terrorismus, den
sie zu üben sucht, und die mit ihrem
Treibeu verbundenen vielseitigen Verbrechen,
insbesondere des Meuchelmords. Die propagan-
distischen Bestrebungen der Polen sind zugleich
— und dieses ist eigenilich eine gute Seite
derselben — ein Gegenmiltel gegen ein sran-
zösisch-ruffisches Bündniß. — Jm eurvpäischen
Oriente haben die, zunächst im Königreich
Griechenland durch ruffische und franzvsische
Einflüffe angezettelten Machinationen, nach
dem Sturze des Königs Otto, gerabe das
Gegentheil von dem bezweckt, was sie beab-
sichtigrcn, indem unter bem Entgegenkvminen bcr
Volksstimmung in Griechenland lediglich das
Uebergewicht Englandö in jenen Theilen ber
Lcvante besestigl wurbc. — Wir werben uns
über diese auffallenbe pvlitische Erscheinung
in einem besonderen Aufsatze aussprechen.

Daß England, dcr älteste unb treueste Ge-
schästsfreund der Türkei, dieser de» Rücken
kehrt unb seine Spmpalhien einer neu aus-
keimcnden Nationalität, zugleich dem bittersten
Feinbe der Psvrte zuwenoel, ist jebenfaUs
für die letztere ein sehr schlimmes Zeichen,
das auf den balbigen Bankerott zu deulen ist.
Zugleich wird in allen Blättern wiederholt bie
nicht zu bezweiselnde Nachricht mitgetheilt,
daß eben erst nach Serbien eine ungeyeure
Menge von Gewehren, zusammen 5S,00l1
Stück, eingesührt wurden; zu welchem End-
zweck, ist leicht zu crrathen. — Gebenkl elwa
der aus der illirischcn Halbinsel vergöt-
terte Garibaldi, nach seiner Genesung, einem
srüher schvn von seinen politischen Freunben
und Gegnern gleichzeitig ertheiltcn Rathe ge-

mäß, sich für das Mißlingesi keines Unterneh-
mens wider die westliche HauPlstsbt Rom,
dadurch zu cntschädigen, baß er an Spitze
der ausständischen Sübslaven und Gcie'Ek«
einen Kreuzzug wider die östliche Weltstadk,
Bpzanz ins Werk setzt, den Halbmond der
Osmanen vom Svphientempel stürzt — ?

S» viel ist gewiß, mit oder ohne Gari-
balbi werden wir, der politischen Sachlage ge-
mäß, am ehesten noch im Oriente ernsten Er<
eigniffen entgegensehen dürsen, besonders Lan»,
wcnn die prccäre unsichere Lage GriechenlandS
flch in dic Länge zieht, unb nicht in Bälde
burch Einsetzung einer zugleich starke» und
volkSthümlichen Rcgierung beendigt wird.

Auch von bem transailantischen Westen, von
Amerika, ist nichts Erfreuliches zu bcrichten.
Der unionslreue Norden hat trvtz aüer Hin-
gebung seiner Truppcn sür die Sache der
Union bei bem fast gänzlichen Mangel an fähi«
gen Generalen und Ossicieren, und bei den vie-
len Zntriguen dcr poliiischen Gegner im eige-
nen Lager, seil einem Jahre kaum einen Schritt
vorwäris gcmacht, unv sind bie wenigcn Er-
solge, bie er erziclt haltc, wohl in Folge der
letzien bluligen Nieverlage bei Fredericksburg
(gegen Enbe des vorigen Jahres) als völlig
verloren zu erachten. Dic kurz vorher er-
stattele sog. Bvtschast des Präsideuten Lincoln
stach durch ihre claffische Ruhe wider diese
äußere Ungunst des SchicksaiS selisam ab.
Zhr wichtigsler Theil war unstreitig berjenigc,
wenn Vorichläge zu einer allmählig zu ge-
schehenben Lvökausung Ver Sclaven, bcziehungs-
weise Ablösung der Sclaverei gegen eine Gelb-
enlschädigung sür die Sclavenbesitzer gemacht
würden. —

* Politische llmschau.

Man schrcibt dem „Dr. Z." von Wien i
Ein neuer Ausbruch der italicnischen ActiönS-
partei ist avisirl, unv um die letzien Verab-
redungen mit Garibaldi zu treffen, ist Mazzini
am verfloffenen Moniag von Loiibon nach Cap-
rera abgereist. Die Bauben sammeln sich be-
reils zu Livorno, Neapel und Palermo, und
ihr nächstes Ziel ist Rom. Dort soll dic Frei-
heit der italienischen Republik proclamirt wer-
den.

Die am 5. Januar in Dresden zusammen-
tretenbe Bundes-Commiffivn sür AuSarbeiiung
eines aUgemeineii beuiichc» ObligaiionSrechieS
wirb bcschickl vv» Oesterreich, Bapern, Sach-
sen, Wuritemberg, Hannvper, Grvßherzogthum
Hessen, Mecklenburg.Hchwerin u»b der sreien

Eine außcrorüentliche Gcschichte.

Ans dem llngarischen von S. I. Huber.

Doctor R., einer der auSgczeichnetsten Aerzte
Pesth's, wnrde eineS Morgcns dei TageSanbruch
aufgcweckt, um Iemand zu cmpfangen, dcr sehr
dringend vorgelaffcn zu werden verlangte. Der im
Vorzimmer wartende Besncher trug dcm Diener
auf, beizufügen, daß jcder Moment Zögcrung ge-
fährltch sei und daß er augenblrcklicher Hilfc bedürfe.

Der Arzt, etligst setnen Nachtrock wegwerfend,
befahl, ihn sogleich herauskommen zu lasfen.

LS war ein völlig Fremder, aber ciner, deffen
Anzug und Bcnehmcn ihn als cinen Mann aus
der bcsten Klasse der Gesellschaft darstellte. Seine
blaffen Wangcn vcrricthen einen tiefcn, tnneren,
körpcrltchen und geisttgen Schmerz, und seine rcchte
Hand ruhte in einer seidenen Schlinge. Obschon
es ihm voükommen gelang, den AuSdruck seiner
Miene zu bemeistern, brach, setnen Anstrengungen
zum Trotz, ein Murmeln des Schmerzes wieder-
holt aus seinen Lippen hervor.

„Habe ich die Ehre, Doctor N. zu sprechcn?"
fragte er mtt schwacher, matrer Stimme, als er
sich dem Arzt naherte.

„Ja, mein Herr."

„Verzeihen Sie die Frage. Jch wohne nicht in
P., ich kam vom Land und kennc' Sic nur nach
Jhrcm Rufe. Jch bedaure, Zhre Bekanntschaft
ntcht unter glücklichern Umstanden machen zu kön-
nen —"

Der Arzt, sehend, daß der Besucher kaum auf
scinen Küßen ftchen konnte, bat ihn, sich aus den
Divan zu sctzcn.

„Zch bin müde. Eine ganze Woche lang habe
ich meine Augen nicht gcschloffen. Jch hatte einen
Schmcrz in der rechten Hand, dem ich gar kcinen
Namen gcbcn kann. Im Anfang fühlte ich nur
ein letchtcS Stechcn; tn kurzer Zcit jcdoch begann
cs mit brständig zunchmcnder Hestigkeit zu brcnnen,
«elches zu eincr Qual sich steigrrte, die außer dem
Beretche der geringsten Erleichterung war. Jch habc
jedeS erhältlichc Miktel versucht, von ferne und aus
der Nähe, aber ntchts hilft mir, der nämltche boh-
rcnde, schneidende, tödtliche Schmerz verbleibt. End-
lich konnte ich es nicht länger erträgen; ich nahm

ein Fuhrwcrk und eilte zu Ihnen, damit Sie mich
durch cine Opcration von mcincr Qnal bcfreien —
daS Mcffcr odcr das glühende Eisen — dcnn ich
kann es nicht mehr aushalten."

Hier vcrsuchte der Arzt, ihn aufzumuntern, in-
dem cr sagte, daß seinem Leiden durch mildere
Mittcl, als daS M-ffer, abgeholfen werdcn könnte.

„Nein, Doctor, wedcr cin Pflastcr noch sonst ein
Palliativmittel kann es geben; waö ich nöthig habe,
ist das Meffer. Wcgcn dcm allein bin ich herge-
komincn."

Doctor N. ersuchtc ihn, dtc Hand zu zeigen,
worauf ber Leidcnde, dic ZLhne fest zusammen-
beißend, sie vorhielt. Dcr Arzt bcgann uiit größ-
ter Sorgfalt dcn Vcrband zu löscn.

„Laffcn Sie mich zum VorauS bitten, Doctor,
daß Sie sich durch nichts überwälrigen laffen, daS
Sic sehen wcrdcn. Mein Schmcrz ift so sonderbar,
so außcrordrntlich, daß er Sie gcwiß überraschen
wtrd. Schrccken Sie vor nichtS zurück, ich bittc
Sic."

Der Arzt versicherte den Fremden, daß er in sci-
ncm Beruf an AlleS gewöhnt sei, und »ersprach,
»or nichts sich abschrecken zu laffeiz.
 
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