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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Mai
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https://doi.org/10.11588/diglit.2820#0439

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R» 111. Mtttwoch, 13. Mat

Auf die „Heidelberger
Zeikung" kann man fich
noch für dic Monate
Mai und Iuni mit 36 Kreuzern abonniren bei
aücn Postanstalten, dcn Boten und Trägern,
sowie der Erpeditiou (Schiffgaffe Nr. 4).

* Polttische Umschau.

Das „Comite für den deutschen Schützen-
zug »ach der Schweiz", resp^in dessen Namen
Herr Dr. S. Müller in Fraukfurt, hat einen
Aufruf an die dentschen Schützen erlaffen,
nachdem der Vorstand ves deulschen Schüßen-
dundeö die Frankfurter mit den Anordnungen
betraut, um säminiliche an dem Feste theil-
nehmende Bundesglieder zu einem gemeinsamen
Schützcnzuge zu vereinigcn. Der Zug wird
militärisch geordnet; an der Spitze desselben
steht dcr Vorstand deS deutschen Schützenbun-
deS. Der Zug marschirt unter einer einzigen,
nämlich der deutschen Fahne; -besvnderc Fah-
nen von Ländern, Städten und Vereinen wer-
den nicht zugelaffen. Der Abgang erfolgt von
Frankfurt am 10. .Juli früh; es wird Nacht-
lager in Basel genommcn und der Einmarsch
in Chaur de-Fonds findet am 11. statt.

Dcr Bunbesrath hat aus die Aufforderung
Englands zum Anschluß an den Notensturm
auf St. Petersburg mit Berufung auf die
schweizerische Neutralität ablehnend geant-
wortet.

Die „France" erfährt auö Kopenhagen, daß
die griechische Frage noch keine Lösung gefun-
den hat, da ber König von Dänemark keine
definitivc Antwort geben will, bevor er sich
n;it allcn Mächten vcrständigte.

Rußland hat für die verschiedenen Vcr-
letzungen der österreichischen Grenze .Genug-
lhuung- gewährl.

Die „France" schreibt aus St. Petersburg,
daß das zum Kreuzen im baltischcn Meere
und dem Busen von Finnland destimmte Ge-
schwader armirt wird. Eine Division von 5
Kriegsschiffen ist bercits nach dem Busen von
Riga abgegangeu, um bas Ufcr zu bewachen.

Die letzten Nachrichten lauten sür dic Eon-
södcrirten entschieden ungünstig. Ueberall im
Süden, wohin die Unionisten vordrangen, fan-
den sie verarmte Pflanzer, welche sich mit dem
größlen Unwillen über die Rebellion ausge-
fprochen und crklärten, schlimmer als bisher
könnten sie selbst vom Feind nichl geplündert
werden. Jn vielen Städten plündert das
hungrige Volk die Lebensmitkelläden, während
bewaffnete Weiber an der Thüre Wache hal-

ten. Die Noth wird nun noch schlimmer, da
die Zufuhr von TeraS abgeschnitten ist. Die
Eisenbahnschienen sind abgenutzt, das Land
.licgt unbebant, eS fehlt an Transportmitteln,
und selbst die Soldaten find auf halbe Ration
gesetzt worden.

Deutschlan-

Karisruhe, 11. Mal. Se. Kgl. Hoh. dcr Groß -
herzog haben den Vorstand des EtsenbahnamtS KarlS-
ruhe, Oberpostmetster Widmann, auf sein unterthänigsteS
Ansuchen wegen vorgerückten Alters, unter Anerkeonung
sctner langjährtgen und treuen Dicnste, tn den Ruhestand
zu versetzcn geruht.

Karlsruhe, 8. Mai. 86. öffentl. Sitzung
der ll. Kammer. Vorsitz: Hildebrandt. Am
Regierungstisch: Staatsrath Dr. Lamep und
Ministerialrath v. Dusch. Die Tagesorbniiiig
sührt zur Berathung des Berichtö des Abg.
Kirsner über die Organisalion der inne-
ren Verwallung. Tit. IV. Von dem
Mrnisterium des Znnern und dem
Verwaltungshofe. 8. 18. Die oberste
Leitung und Aufsicht über bie innere Verwal-
tung blcibt dcm Ministerium des Znnern. An-
genommen. §. 18s. Die der Zuständigkeit der
Kreiöregierungen seither überwiesenen Verwal-
tungsjachen, welchc in diesem oder andern Ge-
setzen nicht besonders genannt sind, und durch
RegierungSverordnung nicht einem Ministerinm
vdcr den BezirkSämlcrn zugctheilt werden,
svllen dem Verwaltungshof überwiesen wer-
ben. Kusel fragt an, ob es nicht möglich
geibesen wäre, die Geschäfte des Verwaltungs-
hofcs der Vereinfachung des Geschästsganges
wegen und um die Errichtung einer neuen Bc-
hörde zu umgehen, dem Ministerium des Jn-
nern selbst zuzuweisen, sv daß ctwa dafür eine
Section in dem Ministerium des Jimcrn ge-
bildet werde, wie z. B. im Kriegsministerium
die ökonomische scction. Der Minister des
Jnnern würde dann auch diesc Gejchäfte un-
miitelbar leiten. Staatsrath Lamep legt
diesem Vorschlage keinen besvnderen Werth bei.
Es müßte ja immerhin eine Ministerialsection
errichtet werden, so umfangreich wie ein Ver-
waltungshof. Die Verglcichung mit Vem Kriegs-
ministerium sei nicht statthaft; denn der Ver-
waltungshof werde Geschäfte bekommen, die
ihm zum großen Theil nöthig machen, mit der
Landesbevölkerung vcrhandeln zu müffen. Dem
Ministerialchef könne man doch uicht zumuthen,
mit den betreffenden Parteien zu verhandeln,
seine Thätigkeit durch cine Masse kleinlicher
Arbeiten zu zersplittern. Das Land sei zu
groß, als daß Ccntralmittelstellen nicht noth-

ZnsertioaSgebühren sür die 3spaltige^Petit-
zeile werden mit 3 kr. berechnek.

wendig wären, wie z. B. auch das Finanz-
ministerium solche Stellen habe. Dann aber
müffe man doch für bestrittene Sachen der Be-
völkcrung ein Recurs- oder Beschwerdegericht
delaffeu und nicht daS Ministerium als erste
und leßte Jnstanz aufstellen. Kirsner erklärt,
daß die Commisston ähnliche Bedenken auch
gchegt, sich aber bei den Erklärungen der Re-
gierung beruhigt habe. Regenaucr ist mit
Staatsrath Lamep einverstanden. Man dürfe
das Ministerium des Znnern nicht mit einer
Maffe von Detailgeschäftcn belasten, denn viel.
leicht werde dieS schon in allzu großem Maaße
durch diese neue Organisation wenigstens in
erstcr Zeit der Fall seiir. Das Kriegsministe-
rium habe allerdingS eine ökonomische Section,
allein alle Sectionen dieses MinisteriumS bil-
den zusammen wieder das Ministerialcollegium.
Der Jnstanzenzug müffe bleiben. Er halte
den Berwaltungshof für eine gute Einrichtung.
Hiermit wird der Gegenstand verlaffen und
der Antrag angenommen. §. 19. Das Mini-
sterium des Znnern kann Bevollmächtigtc aus
seiner Mitte als Landescommiffäre verwenden,
welche in dcm Ministerium Sitz und Stimme
behalten. Dieselben führen über die Amls-
und Kreisverwaltung und dercn Beamte die
unmittelbare Aufstcht unv es kann ihnen ihr-
Wohnsiß auswärts angcwiesen werden. Diese
LanbeScommiffäre sind insbesondere beauftragt:
1) Die Dienstführung dcr Beamtcn der Staats-
verwaltung, der Kreis- und Bezirksverbände
und Gemeinden zu beobachten und zu über-
wachen, auch die Zustände der Verwaltung an
Ort und Stelle eingehend zu prüfen; 2) Be-
schwerben gcgen die Amtsführung dcr Beam-
tcn oder sonst von ihnen wahrgenommeiie
Mangel der Amtsführung zu untersuchen, die
nöthigen Auordnungen zur Abhilfc von Be-
schwerden nnd Mißständen sofort zu erlaffen,
in dringendc» Fällen vorläufige Enthebungen
vom Dienste zu verfügen und dem Ministerium
des Jnnern Vortrag hierüber zu erstatten; 3)
überhaupt anregcnd und sördernd einzugreifen,
wo fie Vernachlässiguug in der Pflege der Zn-
tereffen der Kreise oder Bczirke wahrnehmcn,
vder wo diefe Jntercffen ihrer Wichtigkeit und
ihreS räumlichen Umfaugs halber die Fürsorge
der Staatsrcgierung besonders in Anspruch
»ehmen; 4) nach Gutfinden den Sitzungen der
Kieisvcrsainmlungeii, der Kreisausschüsse und
dcr Amtsräthe beizuwohnen und in den Kreisver-
sammlungen den Vorsitz zu führen; 5) in außer«
ordentlichen Fällen sofortige Maßregeln, inSbe-
sondere bei Nothständen u. Störungen der öffcnt-
lichen Ordnung, zu treffen. B e ck erklärt sich als

Eine merkwürdige Hiftorie, wie man zu Reich-
thümern kommt.

Kürzlich feierte in ... etn bedeutender Gelehr-
ter, Dr. Wilhelm S., seine Hochzeit mit der einzt-
gen Tochter eines reichcn Bankiers, Fräulein Ger-
trud S., und dte Geschichtc der beiderseitigen Mtt-
gtft der beiden Neuvermählten ist intereffant und
ungewöhnlich gcnug, um das Erzählen werth zu
sein.

Der Großoater mütterlicherscitS von Fräulein
Gertrud hieß Johann Maria und war ein vielge-
plagter uno schlechtbezahlter Darjschullchrer in der
llmgcgend «on Köln. Die einzigc Hcrzcnssreude
deS jungen LehrerS war Grrtchcn, die Tochtcr sei-
nes Nachbars, des reichen Müllers; er liebte das
hübsche Gretchen mit vollem Herzrn und ein flüch-
tigcr Blick aus ihrcn freundlichc» Augen dünkte
ihm dic liebrcichstc Ersrischung nach einem Tagc
voll Mühc und A-rgcr. Gretchen war auch gar
nicht unempfindlich sür die Scufzer und schmach-
tendcn Verse, welche der junge Schulmcister ost
genug an fie richtete, aber ach, ihr Vater, der

Muller, hatte ntchts als Grobheit und Hohn zur
Entgegnung sür Zohann Maria's Vcrgißineinnicht-
srräußchcn und Gedichtc, so gelungcn auch dte Verse
scin mochten.

An einem stürmischen kalten Winterabcnde faß
dcr arme Zohann Maria traurig an seinem Ofen,
in dem ein spärlichcs Feuer brannte und träumte
von dem blondcn Gretchen, als plötzltch stark an
bie Thür gcklvpst wurde und cin tn cincn Mantcl
gchüllter Mann eintrat, dcr fich ohnc wetterc llm-
ftäiidc an dem Ofen gegenüber dcm Schullehrer
nicdcrlicß und thn anredctc: „Warumfchrcibcn Sie
fich immcr nur mit Zhrcm Vornamen Johann
Maria?" — „Wetl es mir so gefällt", entgegnetc
Lrgcrlich der Schulmcister, der vcrdrießlich war übcr
eine solche Frage und die Störung seiner sentimcn-
i talcn Gcdanken.

„Zch weiß es wohl;, cs geschicht, «eil ihr Vater
starb, nachdem er bankerott gewvrden war, wcnn
auch dte Vcrhältniffc mchr Schuld an diescm Iln-
glück hatte» alS er selbst."

„Wie kann daS Sie aber interesfiren s"

„Zch komme, Zhnen dte Wiederhcrstellung des

guten Namens JhreS VatcrS anzubteten; seine
Gläubiger sollcn vollkommen bcfriedigt wcrden"

„Sie, mein Herr?"

„lleberdieS sollen Sic fünf Zahre lang cine Rente
von 300 Thalcrn und nach Ablauf der fünf Aahre
daS Kapital diescr Rente ausbczahlt erhalten."

„llnd was verlangen Sie von mir gegco das An-
erbieten solcher Summcn?" rief Zohann Maria,
der.nicht wußte, ob er träumtc oder ob der Teufel
mit ihm um stine Seele handeln wolle.

„Sie wcrden fich sofort verhclrathcn."

'„Licbcr unglücklich, liebcr todt stin, als Gret-
chcn untrcu werdcn!"

„Nun gut, so heirathen Sie Grctchen, aberspä-
tcstenS binncn vicrzehn Tagcn; dazu geben Sie mir
daS Versprechen, daß alle Jhre mannlichen Rach-
kommen dcnsclben Taufnamcn «ie Sie, Aohami
Maria, erhaltcn sollen. Wann soll die Hochzeit

stattfindcn?"

„Ihr Vatcr will mir fie aber nicht gcbcn."

„Wer ist ihr Vater?"

„Ein reichcr Müller hier im Dorfe."

„Er wird fie Jhnen schon gebcn, wenn Sie svvtel
Geld haben werden."
 
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