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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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März
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F-reitag, 13. März

Z Die Erhebung Polen's i« ihrer
«euesten Gestaltung.

Es mögen jetzt etwa 6 Wochen versioffen
sei'n seil der Zeit, als aus Ruffisch-Polen die
erste ungenaue Kundc kam über das Zusam-
menrottea flüchtiger Recruten iu den Wäldern
uud Sumpfgegendcn dcs Warschaucr Regie-
rnngsbezirkes. Wenige Tagr spater ersolgtc
dic Abreise eines großen Theileö der im Aus-
lande sich aufhaltenden Polen nach der Hei-
nrath und es steüte sich zugleich heraus, daß
zu den flüchtigen Necrutcn sich auch andere
Klemente gesellten. So folgten die Nachrich-
ten Schlaq auf Schlag; es wurden nun plötz-
lich eine Maffe rufflfcher SiegesbüUetius in
die Welt posaunt, nach denen die Jnsurgen-
len ganze Hekatvmben vsn Todten, Verwun-
detkii, Gesangenen und Versprengten opsern
mußten, während die Sieger gewöhnlich einen
bis vier Todte, ost auch nur ein paar Ver-
wundete einbüßten. Sonderbar aber mußte
dem denkenden Leser der Umstand vorkowmcii,
daß die prkußische Rcgiernng nichts Eiligeres
zii thun hatte, als einc große Truppenzahl
nach der Grenze z« merfe» und die berüch-
tjgte Conventivii abzuschlicßen. Wozu, konnte
man fragcn, braucht Rußland auswärtige
Hnlse gegen seine polnischcn Aufständischen,
da doch dieselben in höchft unbedeutender Än-
zahl austrcten, die Bauern und den hohen
Avel gegen. sich haben, außerdem aber auch
überall von den Trnppen des Czaren beflcgt
und vernichtet werden? Die Lösung des Räth-
scls ist fetzt leicht zn findcn, denn es ist seit
etwa 2 Wochcn aller Wekt klar geworden, daß
man es in Polen nicht mit ciner klcinen Re-
beüion, sondern mit der größten Nevolution
zu thun hat, welche in diesem Lande je statt-
sand. Da es nunmehr bekannt ist, baß die
Wellen der Bewegung nördlich und östlich be-
reits bis Mistsk, Dünaburg und Pinsk reichen,
so weiß man auch, daß der Ausstand heute
schon stch über ein größkres Gebiet erstreckt
als in den Jahren 1830—31. Nie hat Po-
len seit der letzten Theilung einc größere Aus-
sicht auf Befreiung vom ruffischen Zoche gc-
habt als eben jktzt. Die so sehr verbreilete
Meinung, als ob währcnd des Krimkrieges der
rechte Zeitpunkt gewesen, ist grundsalsch, de»n
damals, unter dem ciserne» Rcgimentc Niko-
lqus, fehlte einer Revolntion die nöthigeOr-
ganisation und aiißcrdem wurde dic Jugend
durch die Necruiirungen, welche des Krieges
wegen 4—5 Mal im, Jahre stattsanden, aus
der Heimaih geschleppt. Wie sehr habe» sich

aber die Zustände scither geändert! Wie wenig
wird uoch dcr wichtige Umstand beriickfichtigt,
daß scit dem Frieden von Paris keine Recru-
tirung im ruffischen Reiche vvrgenommen wurdc,
wodurch der Bcstand des Heeres fich ganz
wcsentlich verkleinert hat! Abgesehen davon,
svrgten schon die Abchasen, eines der wildestcn
Bölker des Kaukasus, durch ihre neueste gewal-
tige Erhebung sür eine Ableitung allcr irgcnd-
wie entbehrlichen Truppen aus dem Znnern
Rußlands nach Kaukafien. Ein dritteö Mo-
ment von Bcdeutung ist die beabfichtigte Re-
volutionirung Serbjens, der Wallachei u. s w.
von Seiten der ruffischen Regierung, denn das
zu diesem Behufc an der türkischen Grenze
aufgestellte Truppencorps kann erst in ungc-
fähr 1>/z Mvnaten den jetzigen Herd des pol-
nischen Aufstandes erreichkii. Täglich kommen
den Jnsurgenteii neue Genoffcn zu, täglich er-
halten sie mehr Gcld und Waffen, stünrlich
vervollkommnen sie ihre militärische Organi-
sation unv Ausbildung und neuerdings trafen
auch verschiedene Oberosficiere, die bisher im
Auslande gedient, bci den Aufständischen ein.
Dic osficieüe» Nachrichten von der Abgeneigt-
hcit der Bauern gegen die Jnsurrection siud,
wenige Ausnahmen abgercchnet, thatsächlich
unrichtig, da dcr Haß des Landmannes gegen
seinen Adel, welcher in den letzten Zahren viel
gelernt hat, im Verschwinden begriffe» ift. So
stehen die Sachen jetzt, wo dic Jahreszeit noch
sehr ungünstig für die Erhebung ist und man
uoch an der Schwell« der Ereigniffe unter der
ruffischcn Bevölkerung selbst steht. Wie aber,
wenn die bcfreiten Leibeigenen, durch vie plötz«
lich erlangten Rechte in Taumel versetzt, ihre
Freiheit, die sic noch nicht recht zu begreifen
vermögen, mißbrauchen und fich von den Agi-
tatoren dcr revolutionären ruffischcn Partei
benützen laffen, was rann? Man wird wohl
daran thun, nicht zu vergeffen, daß die seither
in London bcfindliche russische Emigralion nach
Belgrad überstedelt. Die Verlegenheiten der
Petersburger Regierung mehren sich mit jedem
Tagc; das Reich ist durch den Krimkrieg und
dic neuestcn Vorgänge in Pvlen u. Litthauen
ungemein geschwächt, halb bankeroit, vhne
Credit. Obgleich es uumöglich ist, geuau vor-
auszusagen, welche neuen politischen Gestal-
tuirgen aus dcm gegenwärtigen Chaos hervor-
gehen werden, so steht doch Eins jetzt fest:
der Kamps wird für Polen wie für Rußland
nicht ohne gutc Früchte bleiben. Bereils mel-
den die fraiizösischen und englischen Zeitungen
von klncm europäischen Congrcß, welcher die
poluische Frage entschciden svll, unb je harl-

näckiger die Polen ihre Sache vertheidigen,
desto krästiger werden die Westmächte sich sür
sie verwenden, dcsto erwünschter wird für die
Ruffen ein Csmpromiß erscheinen. Seldststän-
dige Verwaltung, Constitution und ein eigener
Vicekönig sür Polen, sowie Vereinigung mit
Litthaucn unker denselden Bedingungen dürsten
zum Mindesten bie Resultate res blutigen
Kampses sein, der gegenwärlig das unglück-
liche Lanb verheert. ^)

Borstehenden in eiwa« -llz« rofigem Lichie abgek-ßten
Arttkel, -rhicllen n>ir berctlS vor 8 Lagen, t» ivelcher Zeit
flch dte kricgertichen Berhäilnifle mannigfach veränderl haben.
Wit dem Hr». Versaffer können ivir ader leider nicht über-
etnstimmen, wenn >r die Änficht von cinem daldigen Gc-
Ungen der poinischen Erhcbnng hcgl. — Wtr ancrkennen
die Vercchlignng der mit Waffengewall nicdcrgedrüiktcn na<
glücklichen polnischcn Nalion, thre Sclbstständtgkcit zn cr-
rtngen, voltkommcn an, und wünschcn auf daS Lcbhaftcste
daS Gelingen thrcs IvdeSmnIhigen KampfcS — allcin bc-
dauern mnffcn wtr, dcm ltnlernehmen ans drm blutigen
Wege schlicßltch kctn günstigcS Prognostikon stcllen zn kön-
ncn — nnd vermögen höchstenS nnr cinigen iärsolg fül dte
Znknnft der nach Kreiheit ringenden Naltvn in lincr dtplo-
matischen Zalcrvenlton zn -rblickcn.

Dtc Rid. d-r Heidelb. Zig.

* Polttische Umschau. '

„Europe" crfährt, daß die vom Fürsten
Dolgoruckp nach Paris gebrachteu Depeschen
die Wichtigkeit ber Ziijurrection bestreiten und
sie als das Werk fremver Svcialisten bezeich-
nen; die Truppeu würbeu ihrer bald Herr
werden. Die russische Regierung woüe mithin
die Jnsurrection als innere Angelegenheit be-
trachlet wiffen, bei welcher nach dem Völker-
rechi kcine frembe Einmischung zulässig sel,
erkenne übrigeüs bie freuubschastlichen Absich-
ten bes Tuilleriencabinets an. Untcr diescm
Vvrbehalt, und wenn jeder Schein vermieben
werde, der die Gewährungen als nnfreiwiUige
erscheinen licße, gibt bie Depeschc Auskunst
über bie wohlwoüenben Absichten dcs Kaisers
für Pvlcn. Däß diese Noie nicht gut aufge-
nonimen worben, habe Budberg burch ben
Telcgraphen angezeigt, und nun sei ein eigen-
hänbiger Bries des Kaisers Aleranber unrer-
wegs. Billault werbe im Senat erkiären, daß
der Kanipf in Polen zur europäischen Fräge
gcworben sei, zu deren Lösung ker Kaiser,
auch wenn er allein stände, keine Bcuiuhung
sparen werbe.

Die „France" enlhält Berichte aus Vera-
cruz vom 7. Februar. Zn der miIitLrischen
Lage hatte sich nichls NeueS zugetragcii. ES
heißt, Hr. v. Salignp, bcr diplomalischc Ver-
treter Frankrcichs in Miriko, habe in Folge

London, 7. März. Dle Prinzesfln-Braut war
mit dcm sic begicitlnben Gcschwader schon amDon-
ncrstag Nacht um 11 llhr auf dcr Höhc von Mor-
gatc angclqngt, und da dichte Nebkl sich auf den
Kanal lagerten, ging daS Geschwader dasclbst vor
Anker, uin crst »ier Stundcn später in bic LuKerc
Themskmündung einzulaufen. Am Norc, wo cin
rothes Wachtschiff die Mündungsstellc nautisch mar-
kirt, wurde Halt gemacht. Dort stcllten sich allc
Schiffe, welchc zur BcgrüKung der Prinzesfin com-
mandiii worden warcn, in zwcl Linien auf, um
zu salutircn; die Kanalstotte, bkstehend aus den
nencn Panzerschiffen mit den schwcrsten Gcschützen,
die je schwimmenden Fahrzeugen aufgeladcn wor-
den sind, dann csnxir Thcil der Rcserveffotte bon
Portsmourh und Chatham, und zunachst etnc Ab-
theilung von Dampfkanoncnböten, denen sich Fahr-
zeuge jeder Art uno Gesialtung angeschloffcn hat-
ten. Gcgen 6 Uhr Morgcns wurden die Ankcr ge-
lichtct, um die Fahrt ffromaufwärts fortzusctzen.
Dic schweren Linienschiffe und Fregatten konntcn
der königlichen Uacht nicht mehr weit folgen, dasür
wimmelte es aber auf dcm Kluffe «on Segel« klei-

nerer Art, die mit bunten Klaggen und Musik da- ,
hergezogen kamen. Vor Gravesend wurde zum
dritten Male Halt gemacht, zum tetzten Male der
Anker ausgeworfen; dcnn Graoesend war zum Lan-
dungsplatz erloren. Es daucrtc geraume Zcit, bis
die Aacht an dcn Landungsplatz herangcsteuert wcr-
deil kvnntc, dcnn dcr Wind blies scharf von SW.
und die Flutwelle war tm stärksten Zugc, und bci
jetzer Drchung dcs Schauselradcs war Gcfahr, cin
Dutzend KLHnc in dcn Grund zu bohren. Doch
cndlich «ar auch dicses Manövcr vollzogcn, und
unter Geschützsalven «on den Höhcn und unend-
lichen Hurrahrufen begab sich dtc Prinzesstn am
Arme ihrcs Bräutigams, dcr früher an Bord der
Aacht gesticge« war, nach dem scstlich geschmückten
LandungSplatzc. Von diesem Puncte an begann
dcr seterliche Empfang auf terrs ürma, mitten durch
blumengeschmücktc StraKen, Trinmphbogen, Mili-
tärspalicre, Livilbehörden im Ornatc rc. Selbft
langs der Eisenbahn zwischcn Gravescnd und Lon-
don fehlte cs nicht an Triumpharcadcn und be-
grüKenden Mcnschenmaffcn, trotzdem daK dcr Zug
mit vollcr Erpreßgeschwindigkcit dahinsauste und
selbft auch »n den Stationen, die er be eührte, mit

eincr Schnelligkeit »on zehn Meilen pcr Stunde
vorüberflog. Es mag diesc Eisenbahnfahrt cine
Erhvlung sür die Prinzessin gewesen sein, doch
daucrte sie nicht viel über 40 Minutcn, und m
London angckvmmen ging sie erst den größtcn Stra-
pazen des TageS entgegen. Auf dcm Bahuhvfe
wurden rasch einige Erfrischungcn eingenommen.
Dann trat der Lord Mayor mit deu Spitzcn der
Ettybchördcn vor, um die Prjnzesffn zu bewsll-
kommnen, und nachdem dieft unumgängliche Förm-
ltchkeit crst abgethan war, fttzte sich der lange Zug
tn Bewegung. Bcrittcne Feftherolde, Garden und
Polizisten voran, dann Bannerträger ohne Zahl,
an 80 Prachtwagen ber cinzelnen Gtlden und Eor-
porationen, dcr Lord Maqor mtt den Setnen im
vollcn Staat, ftchs vierspännige Hofwagen mtt dem
Brautpaar und dcn dänischcn Gästcn, und eine
Escorte der Lcibgarde zum Schluß. Zn dieftr Ord-
nung bcwegtc fich dcr Zug mber London Bridge,
und der Anblick dieftr mlt ungeheurem Kostenauf-
wandc geschmückten Brücke, ihrcr ricsigen mft Ver-
goldungen, Laubgewindcn und Emblemcn reichbc-
kleideten Triumphpforte, und vor allem dft un-
zähligc Menschenmengc, welche sich Kopf an Kopf
 
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