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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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März
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M 76


Dienstag, 31 März

InsertionSgebühren fär die SspaltigeWetit-
zeile werden mit 3 kr. berechnec.

L863.

* Politische Umschau.

Die „Pommer. Ztg." schreibt: Am Köni'gs-
geburtstag hat der Superintendent Lehmann
tn seiner Predigt unter Anderem folgende
Aeußerungen gethan: Der Köni'g weine über
den Abfall des Volkes; er sehnc sich darnach,
die Krone niederzulegen, aber er sagc flch
selbst, daß er das nicht dürfe, wcil er ein
König von Gottes Gnaden sei und aushalten
müffe auf dem Platze, auf welchen Gott selbst
ihn gestellt. Di'e Mini'ster könnten und dürf-
ten gar nichtS AndercS thun, als was ihnen
der König befohlen habe, deßhalb sei Wider-
streben gegen dke Minifter llntreue gegen den
König.

Wie die Bcrliner „Kreuzzei'tung" hört, wer-
den die Reserven, wclchc behufs Truppencon-
ceutrirung an den polnischen Grenzcn cinge«
zogen worden sind, am 1. Apri'l entlassen.

Die bereitS gestern mitgetheilte Nachricht
der „Köln. Ztg.", nach welcher die französtschc
Regierung die vollkommene Unabhängigkeit
Polens mit dem Herzog von Leuchtenberg als
souvcränem König will, wird ihr bestätigt
durch solgendes Schreiben aus Paris, 26.
März: „Die politische Welt hat flch bisher
m ihrer Beurtheilung der polnischen Angele-
genheit in einem gewaltigen Jrrthume befun-
den. Man hat Frankreich, selbst in den un-
terrichtetercn Kreisen, auch währcnd und nach
der Reise deS Fürsten Melternich nach Wien
nur die Absicht zugetraut, eine eiüfache Wic-
derherstellung der polnischen Vcrfaffung von
1815 anzustreben. Die Dinge stehen hier aber
ganz anders: Frankreich will die gänzliche
Unabhängigkeit Polens und steht auf dem
Punkte, öffentlich den Herzog von Lcuchtcn-
berg für den neuen pvlnischen Thron vorzu-
schlagen. Der Gedanke ist ein bedeutender,
jedenfalls der bedeutendstc, dcr bishcr bci den
verschiedenen Combinationen über eine end-
liche Lösung der polnischcn Frage aufgctaucht
rst."

Für die eclatante Gränzverletzung Seitens
der Ruffen bei Baran und die empörende Be-.
handlung einer österreichischcn Patrouille (s.
Wien 26. März) durch dieselben ist, wie wir
vernehmcn, dem Grafen Rechberg von Herrn
v. Balabine eine glänzende Genngthuung zu-
gesichert worden.

„TimeS" berichtcn, das Schiff „Peterhoff",
von London nach Matamoras in Meriko mit
englischer kadung im Werih von 70,000 Pf.
St. und einem eNglischen Postfcllcisen segelnd,
sei bei St. ThvmaS von dcm bekannten Com-

modore Wklkcs weggenommen und vor daS
Prisengericht iu Kep West gebracht worden,
obgleich cS nichts von Contrebande an Bord
hatte. Der Fall wurde vom Grafcn Ruffell
dem Kronadvocaten vorgelegt. — „Moriiirig-
post" crklärt, Wilkes sei bei der Wegnahme
des „Peterhoff" in seinem Recht gewesen. Die
englischc Flotte in Westindien wcrde nicht ver-
stärkt.

Aus angeblich glaubwürdiger Quelle geht
der „Schlesischen Zei'tung" aus Warschau die
Nachricht zu, Marquis Wielopolski habe allen
Einfluß verloren, er stehc in vollständiger Un-
gnade beim Großfürsten und werde von die-
sem nur mit Widerwillcn empfangen.

Der „Monitcur" meldet, daß die beidcn von
Preußen angehaltenen Polen Pässe nach Nizza
über Paris erhalten haben und in Königsberg
nun unter dcm Schutz deS französischcn Con-
sulats stehen.

Für die Daucr der Minderjährigkeit dcs
am 21. Decbr. 1845 geborenen Prinzen Wil-
hclm von Dänemark wird, wenn derselbe den
griechischen Thron besteigt, iis Athen ein Re-
gentschafksrath eingesctzt werdcn. Hr. Droupn
de Lhups soll nach der „Mörningpost" dem
Prinzen Wilhelm die Zusicherung der „herz-
lichen Unterstützung Seitens Frankreichs" er-
thcilt haben.

Die Königin Marie von Neäpel soll ent-
schlossen sein, am 8. April zu ihrem Gatten
nach Rom zurückzukehren.

In Neuseeland ist eine pokizeiliche Verord-
nung erganzcn, daß, wenn vvr zwei Fricdens-
richtern erwiesen wird, daß Jemand durch
Trunksucht seine Gesmidheit aufreibt und sein
Gcld vcrschwendet, deffen Ramc in den Zei-
tungen vcröffentlicht und jedcm Wirth bei Ge-
fängniß vcrboten werden soll, ihm während
der nächsten zwei Jahre geistige Getränke zu
verkaufen.

Deutschland

Karlsruhe, 28. März. Der lang ersehnte
Tag des EiiizugeS Sr. G. Hoh. des Prinzen
Wilhelm von Baden mit Höchstseiner durch-
lauchiigsten Gemahlin, Jhrer Kaijerl. Hoh.
der Prinzcssin Maria von Leuchtenberg, ist er-
schicnen und schon steht die Residenzstadt Karls-
ruhe zum fcierlichen Empfangc der hohen Neu-
vermähltcn in hohem Festschmucke. Die Ge-
bäude sind mit deutschen, badischen, russischen
und leuchtenbcrgischen Fahnen, mit Guirlan-
dcn, Kränzen, Blumen, Teppichcn u. s. w.
reich vcrzicrt und namentlich siud die Herren-

straße und Waldstraße, zwischen welchen der
Palast deS hohen geseierten Paares steht, und
die Karl-FriedrichSstraßc ausnehmend schön ge-
schmückt; die Herrenstraße gleicht einer langen
Festlaube, an beiden Enden mit hohen Triumph-
pforten mit Jnschriften und fürstlichen Namens-
zügen u. dgl. schließend; die Waldstraße ist
einer herrlichen Tanncnallee ähnlich und theil-
weise mit Beleuchtungsapparaten, Wappen u.
Jnfchriften reich geschmückt. Schon derBahn-
hof ist reich geziert unv der große Wartsaal
zum fürstlichen Empfangssaale in der That
fürstlich umgewandelt. Das prinzliche PalaiS
selbst tst unter Hofbaurath BerkmLllers Leitung'
wahrhaft prächtig ausgeschmückt mit Laubbögen,
Fenstercinfaffungen, badischen und leuchten-
bergischen Wappen, Fahnen, Kränzen und
das Jnnere soll durch Schloßinspector Berb-
linger außergewöhnlich schön hergestellt sein,
insbesondere rühmt man das feenartige Boudoir,
welches Herr Hoftapezier uyd Möbelfabrikant
Haßlinger erdacht und auSgeführt haben soll.
Der kais. ruff. Gesandte am hiesigen Hofe,
Hr. Stolipine, ist mit Gemahlin zum Empfange
des hohcn Paares nach Heidelberg abgcreist
und Hr. Regierungsdirector Fieser wird Höchst-
dasselbe an der Grenze unseres Kreises em-
pfangen. Gegen 2 Uhr war der große Platz
am Bahnhofe schon angefüllt, wo ein Bataillvn
dcs Leibregiments aufgestellt war. Jn offenen
Hofcquipagen erschienen vor Ankunft des Eiscn-
bahnzuges Zhre Königliche Hoheiten der Groß-
herzog und die Frau Großherzogin, sodann
waren anwesend Hoschargen, Diplomaten,
Minister, Generäl- und L>tadsofsiziere, der
Stadtdirector, der Gemeindcrath, der Bürger-
ausschuß u. s. w. Um 3 Uhr langte der Zug
mit den hohen Neuvermählten an, welche auf
dem Perron von den höchsten Herrschaften
aufs Herzlichste begrüßt wurden. Durch dcn
fürstlichen Saal erschienen bald, vom Jubrl
der harrenden Menge bcgrüßt, die Gefeierten
des Tages und bestiegen mtt II. KK. HH.
dem Großherzog und der Großherzogin den
4spänni'gen offencn Hoiwagen,welcher sie durch
das Ettlingerthor,die Karl-Friedrich-, Lange- u.
Herrenstraße zum prinzlichen Palais führtes
wo die weiteren Mitglreder der großh. Familie
zum Empfange bereit warcn. Wie wir hören,
wird daS Familiendincr bei I. K. H. der
Großherzogin-Mutter statlhaben, wohin sich
die shoheu Neuvermählten bald nach der An-
kunft begaben. (K. A.)

Coburg, 26. März. Die heutige Schü-
tzen- uad Wchrzeitung knüpft an die Einla-
dung der Schweizer zum L.chützcnfest in

Der Mitzgriff.

Vom Polizei-Director Dr. Stieber.

Der alte Eriminal-Director, welchem ich zur
Dienstlcistung beigeordnet war, befand sich in Folge
drr starkcn körpcrlichen und geistigen Anstrengun-
gen, denen er fich in seinem Berufc aussetzen mußtc,
zuweilcn rccht hinfällig und ich war mehrfach in
dcr Lage, ihn zu vcrtrcten. Zn solcher Weise führte
mich dcr Zusall auch in cine der Rcfidenz zicmltch
nahe gelegene Garnisonsstadt. Eben hatte fich ein
recht fatalcr Vorfall ercignet. Einer der Minifter
unseres Ländchens, Graf v. Z., ein bejahrter, aber
noch sthr lebhastcr Herr, hattc fich tn Begleitung
seiner Schwester daselbst behuss ciner RcvifionS-
retse cinige Tagc aufgehaiten. Die Schwcster war
eine alte würdigc Matronc, dercn rcichlich gescg-
nete Kasse, wie allgcmein bekannt war, dem Mi-
nister ntcht sclte» aus Gcldvcrlcgenhciten h-lfen
mußte. Beide Gcschwister hatten in dcm besten

*) Aus dem „Hausfreund."

Gasthofe des OrtS zwei neben einander gelegene
Ztmmer innc gehabt.

Die Schwestcr hattc ihrc Geldvorräthe in ErmaN-
gelung cincr andcrn paffenden Lokalttät am Fuß-
bodcn deS Kleiderschrankes in Form cines unschein-
barcn mit Bindfaden umschnürten Paquetchens auf-
bewahrt. Eines Morgcns war das ganze Paquet,
welchcs cinc Summe von mehreren tausend Thalern
enthielt, spurlos vcrschwundcn. Die angcstrengte-
sten Rechcrchen blieben ohnc Erfolg. Der Dieb-
stahl war zwar sorgfältig gcheim gehaltcn worden.
Dennoch verbrcitete fich unter dcn inniger einge-
«eihten Pcrsonen sehr bald die Anficht, daß das
Paquet gewiß nicht in fremdc Hände, sondern in
dic dcs Ministcrs sclbst gewandcrt sct, da dersclbe
zu sehr als Lebemann bekannt war. Diesc An-
ficht' war dcm Minister sogar in cinem hämischen
Brief mitgcthctlt «orden. Desto mehr lag dem-
sclben, als er endiich unverrichteter Sache mit sciNcr
Schwester nach der Refidenz zurückgekehrt war, an
der Entdcckung des THSterS und derselbe war schr
erfreut darübcr, daß die Recherchen in nzeiner Hand
geläffen «aren, da cr ein großeS Verträucn in mich
setzte, und «r mtch bei mehreren Gelegenheitcn aus- !

gezeichnet hatte, er also «ußte, daß ich ihm treu
crgeben war.

Wtrklich schien es auch, als ob meine Bcmühun-
gen cinen Erfolg haben sollten. DaS Dienstper-
sonal war etn sehr geringeS und war auch durch
lange Erfahrungen so bcwährt, daß eS außer Ver-
dacht gelaffen werden mußte. ES hatte aber in
dem Gasthofe zu der fraglichen Zeit ein junger
Mann logtrt, dcr fich für eincn Edelmann ausge-
geben, deffen Vcrhältntffe abcr nach näheren Er-
mittlungcn nicht mit setnen Angabcn übereinstimm-
ten. Der Schlüssel zu dcm Zimmcr, «elches der
Fremde bewohnt hatte, schloß nothdürstig auch die
allerdings in einer andern Etage gelegene Stube,
in wclcher dcr D-ebstahl verübt war. Das Schloß
zu dem Kleiderschranke selbst, in welchem daS Geld-
paquek gelegen hattc, war so einfach construirt,
daß dasstlbc mit jedwedem fremden Schlüffel leicht
zu öffnen war. Auf dicsen jUngen Mann richtete
jch also die ganze Kraft meiner Rccherchen, obwohl
er in dcm Orte mit mehreren jungen Leuten der
höchsten Stände verkehrt hattc, und diese ihn zwar
früher nicht näher gekannt hatten, thn abcr als
j einen durchaus seinen Eavalier schildcrten.
 
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