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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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April
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N; 88


Dienstag, 28. April

ZnsertioaSgebühren für die bspalkige^Petit-
zeile werdea mit 3 kr. berechner.

1863.

* Politische Umschau.

Jn Wiesbaden soll im nächsten Monate eine
zahlreiche Zusammenkunft französischer Legiti-
misten stattsinden.

Di'e Gründe, weßhalb Herrn v. Bi'smarckS
Protestati'on gegen die jüngste dänische Gewalt-
that so verspätet koinmt, rühren daher, daß
derselbe, bevor er eine Depesche nach Kopen-
hagen abgehen ließ, den preußischen Gesandten
zu PariS beauftragt, sich genau über Napo-
leons Jntentionen zu verlässigen, und erst
nachdem Graf von der Goltz ihm miigetheilt,
daß Droupn de LhnpS sich in einer zu Wien
überreichten Note enischieden gegen die dänische
Ordonnanz ausgesprochen, fand er für gut,
auch seinen Protest zu rrheben. Also in einer
deulschen Angelegenheit geht das Bismarck'sche
Prenßen im Schlepptau Frankreichs!

Die „Kreuzzeitung" ersährt aus Frankfurt
a. M., daß, während verschiedene deutsche
Höfe das von französischer Seite in einer
Depesche gestellte Ansuchen, stch den Schritten
gegenüber von Rußland anzuschließen, abge-
lehnt, die badische Rcgierung eine freundlichere
Stellung zu diesem Ansuchen eingenommen
habe.

Mach der in Stettin erscheincnden „Balti-
schen Ztg." beruft ein kais. Ukas den allge-
meinen Landsturm in sieben an die ehe-
maligen polnischen Provinzen angränzenden
russischen Gouvkrnements; jedes Gouvernement
soll 8vlX> Mann stellen.

Nach der „Presse" hat der Kaiser dcm Ge-
suche der evangelischen Gemeinde augsburgi-
schen Bekenntniffes in Wien um unentgeltliche
Ucberlaffung eines Bauplatzcs auf den Stadt-
erweitcrungSgründen, behufS Errichtung einer
geräumigeren evangelischen Kirche, „keinc Folge
zu geben befunden."

Die „Wochenschrift des Reformvereins«
sagt, daß das Wiener Cabinei demnächst in
der Bundesversammlung selbst mit Bundes-
reform-Vorschlägen hervortreten werde. Wic
die „Pressc" vernimmt, ist diese Mitlhcilung
begrundet. Es heißt, daß von österreichischer
Seite beabstchtigt wird, in Bälde erweiterte
Anträge auf der früheren Grundlage (Dele-
girten-Projekt) zu stellen, und daß hierüber
eine vorläufige Versiändigung mit den Bun-
desregierungen herbeizuführen gesucht werde.
— Deutschland verlangt nach einer ausgiebi-
gen wirklichen Refvrm; es will einen schützen-
den Mantcl; mit ciner bloßen Jacke ans
dünnem Stoffe, die ihm nirgends paßt und
keinen Schutz gewährt, kann ihm nicht gedient

sein. Jst man uicht im Stande mehr zu geben,
als die Jacke, so laffc man es lieber bei dem
altmodischen Bundesfrack bewenden.

Aus Paris erhält dic General-Correspon-
denz von sehr beachtenswerther Seite folgende
Mittheilung: „Wie kaum anders zu erwarten
war, gestaltet sich die durch die polnische Frage
geschaffene Situation zu einer sehr crnsten;
das isi unverkennbar, gleichwohl glaube ich
nicht an eine unmittelbare Kriegsgcfahr. Jch
stütze mr'ch hierbe« zum Theil auf die Thatsache,
welche ich Ihnen verbürgen kann, daß der
Fürsi, welcher seit dreißig Jahren der Freund
und Rathgeber aller Souveräne in Europa
ist und deffen ebenso reiche wie geschickt be-
nützte Erfahrung gar oft schon den europäi-
schcn Frieden bedrohende Gefahren abgewendet
hat, in der großen Frage des Tages thätig
ist. König Lcopold nämlich bemüht sich in
diesem Augenblick auf'S Eifrigste, die englische
Regierung davon zu überzeugen, wie es vor-
zugsweisc ihre Aufgabe sei und wie es zugleich
in ihrer Macht liege, die mit jedem Tage
drvhender sich geftaltenden Aspecten abzuwen-
den. Der Köniz der Belgier ist fest überzeugt,
daß es noch Zeit ist, den Katastrophen vorzu-
beugen. Jn der That hängt jetzt Alles von
dem Entschluffc Lord Palmerstvns ab; diese
Entschlüffe müffcn für Napoleon lll maßgebend
sein.«

Die „Europe" meldet, dic drei Großmächte
hätten bcschloffen, ihre Gcsandten aus St.
Petersbürg abzuberufen, wenn der Zar den
bekannte«, in den betreffenden Noten aufge-
stellteir Korderungen nicht entspreche. Sie wiü
ferner aus officieller Quclle wiffen, dir russische
Diplomatic fti instruirt, durch möglichsics
Lemporisirc» die drei Großmächte hinzuhallen,
damit Rußland sclbst Zeit gewinnc.

Das englische Unterhaus hat auf Lord
Palmerston's Antrag 50,000 Pfd. Strlg. zur
Errichtung des DenkmalS für den Prinzen
Albert bewilligt.

„France" versichert, Napier sei durch eine
Depesche von London aufgefordert worden, den
Eingang der Antwort des Fürsten Gortscha-
koff zu beschleunigen.

Das Oppositions-Wochenblatt dic Londvner
„Preß" behauptet, Russel habe ein Ultimatum
nach Washington in Betreff der Consiscationen
geschickt. Wofern die Fordcrungcn des Ulti-
matums abgelehnt werden, solle der britische
Gesandte sofort zurückkehren.

„Offerv. romano stellt die Nachricht, daß
der Papst den beiden katholisLen KaVsern
Briefe f.ür Polen geschrieben, in Abrede.

„Charivari" bringt ein Bild, auf welchem
Diplomaten, auf Schildkröten reitend, zur
Hülfe Polens herbeiziehen.

Zn der von Odillon Barrvt der Königin
von Spanien übergebenen Petition von 30,000
französischen Damen zu Gunsten der vcrur-
theilten Protestanten heißt es: Jn.ganz Europa
gestatte man Spaniern, Gott, wie ihr Gewiffen
es ihnen gebiete, zu verehren; die Königin
möge daher auch den Leiden dieser Gefangenen
ein Ende machen, die nichts weiter verbrochen,
als daß ste das Evangelium geleftn und dar-
über Vorlräge gehalten hätten. Die Königin
hat durch den Herzog von Montpensier mit
einer bestinimten Wcigerung gcantwortet.

Der „New-Aork Herald« glaubt an die
Wahrschcinlichkeit eines nahen Bruches mit
England wegen der Haltnng dieser Macht be-
züglich der Corsarenschiffe.

Deutschland

Karlsruhe, 23. April. (76. öffentliche
Sitzung der II. Kammer.) Vorsitz: Hilde-
brandt. Am Regierungstische: Dr. Lamey,
Burgcr, v. Frepdorf. Die Tagesordnung führt
zur Berathung des Bcrichts des Abg. Eck-
hard über daS Polizeistrafgefttzbuch u. zwar
über den ll.. Theil, die bcsondern Bestimmun-
gen über die einzelnen Uebertretungcn; Tit.
l. Uebertretungen in Bezug auf dic öffentliche
Sicherheit, Ruhe und Ordnung. 8- 36. Wer
ohne Bewilllgung der zuständigcn Behörbrn
Risse vder Pläne von Festungen oder FestungS-
werkcn aufnimmt, wird an Geld bis zu 100
Gnlden vder mit Gefängniß bis zu 4 Wochcn
bestraft. Risse und Pläne unterliegcn der Con-
fiscation. Ohne Besprechung angenommen.
8. 37. Wer ohne Staatserlaubniß im Groß-
herzogthum für fremde Kriegsdienste wirbt,
wird an Geld bis zu 100 Gulden oder mit
Grfängniß bis zu 4 Wochen bestraft. Seitz
schlägt vor, die Worte: „ohne Staatserlaub-
niß" und „an Geld bis zu 100 fl. oder« zu
streichen ; die Negierung soll zum Werben nie
beitragen und für einen Wcrber sei eine Geld-
strafe keine Slrafc. Slaatsrath Dr. Lamep:
Es liege hier keine Fragc über die Befuzniß
der Staatsregierung vor, sondern eine polizei-
rechtliche; wenn die Worte „ohne Staatser»
laubniß" auch jetzt gestrichen würden, so wäre
die staatsrechtliche Frage doch nicht entschieden.
Die Geldstrafe sei nicht in allen Fallen dem
Bestraften gleichgillig. Solche Gleichgiltigkeit
werde bci allen Geldstrafen vorkommen. Eck-
hard würde mit Seitz stimme», abcr er halte

Napoleon III. und seiu Hof.

(Fortfttzung.)

Als Napolcon noch im Elyftc wohnte, war eS
noch nicht lange her, daß die Königin Victoria von
England eines AbcndS im Theater zu einem Prin-
zen ihrcr Bckanntschaft gesagt:

„Vonx tu voir les äeux plus Arsnäs coguins äu
mvuäe? vvis äooo oetto logv!"

Zn der Loge, auf «elche die Königin thren Vet-
ter aufmerksam gemacht, befandcn sich der vertrie-
bene Hcrzog von Braunschwelg und — Louis jNa-
poleon.

Bcide waren damals — in den Jahren 1846 bts
1847 — vertraute Freunde.

Napoleon III. hat wohl keine Ahnung von dem
schmcichclhaften Beinamcn, den ihm Victoria einst
beigelegt — ob ihr der ,!a ^lus Krsnä ooguin äu
mouäs" einfiel, alS fie dem Kaiser in üherbourg
gegeniiberstand?

Er «eiß auch nicht, daß die Königin vor Aerger
Krampfe bekam, als er es fich herausnahm, ste
beim Empfanqe tn Cherbourg auf die Wange zu

küffen. Diesen kühnen Kuß des ihr so verhaßten
ManneS konnte Victoria lange nicht verwinden.
Außcr von dem Herzog von Modcna «ird Napo-
leon lll. wohl von Niemandem so unvcrsöhnlich ge-
haßt wie von der Königin Großbritanniens. —

Bei Trcviso in Venetien lebt ein Gutsbesitzer,
dcffcn Vater im Dienste deö Königs Lvuis Bona-
partc von Holland stand und sich ftiner Zeit in
dcn Befitz authentischer Schriftstücke zu setzcn wußtc,
wclchc auf das Ehelcben zwischen Louis und Hor-
tcnfc einigc Streifltchtcr warfen. Dtese Schrift-
stückc bot der Sohn dcm Kaiscr zum Kauf an.
Der General Kleury führte dic Nntcrhandlungcn,
dic dem Abschluffc bereits nahe waren, als der
italienische Krieg darwischcn kam. Dcr Handel zer-
schlug sich. Ictzt sollen die Feindc dcs Kaiscrs in
Jtalien auf ditse Papiere und den Scandal, den
ihrc Veröffcntlichung hervorrufcn würde, speculircn
und fic angekauft haben.

Sollte viellcicht mit dicser Affaire dic ungestüme
Aufforderung zusammenhängcn, welche dcr kaum
zur Gewalt gelängte Kaiftr an den Archivar von
Haag richtcte, ihm den tm Haager Archiv ltcgen-
dcn Tauffchein herauözugeben? Der Archivar soll

sciner Zeit das Ansinnen entschieden zurückgewieftn
haben.

Auffallend ist jedenfalls, daß der von Hortenft
geschiedenc Erkönig »on Holland im Iahre 1815
einen Proccß gcgcn feinc Gemahlin ber dcn Pa-
riscr Gerichten einleitete, in «elchem er nur ftinen
altern Sohn reclamirte. Dcr Proceß «urdc vom
31. December 1814 biS 20, Ianuar 1815 in Pa-
ris öffentlich verhandelt. Trlpicr, der Advocat des
Erkönigs, hatte den Antrag auf dic Auslicferung
dicses Sohnes an dcn Vatcr gestellt» Bouet ver-
thcidigtc die Königin. Courtin, der Procnrator
des Königs, b-antragte, den Vatcr abzurveiftn. Der
Gcrichtshof vcrtagte ftinen Spruch und er wurde
nic gcfällt, da die Rückkehr deS Kaisers von Elba
dazwischen kam. Später schienen fich die Eheleute
verglichcn zu haben. Wemgstens verlautet nicht,
daß dcr Proceß wicder aufgenommcn «ordc« «äre.
Hortensc überließ thrcn Lltcrcn Sohn ihrcm Ge-
mahl. — Louis Napoleon aber bekümmerte fich
wenig um ftinen Vater. Nur cinmal, als er in
Ham saß, nahm er cine Krankheit desftlbcn zum
Vorwand, um Lvuis Philipp anzugehen, ihn fret-
zulaffen gkgen Ehrenwort, damit er den Bater
pflegen könne. Louis Philipp schien nicht an die
ZLrtlichkcit des Sohnes zu glauben und ging auf
den Vorschlag ntcht ein.- (Schluß f.)
 
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