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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Februar
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Htidelbtrgtr Ititung.



Areitag, 27. Februar


L8«3.

Die aeue Berwaltungsorganifa-
tion in Baden.

Dem Landtage sind, während seines letzten
kurzen Beisammenseins, von »euen Gesetzes-
vorlagen insbesondere svlche über ble Organi-
sativn der inneren Vcrwaltung, über vie Fest-
stellung der Unabhängigkeit des Richlerstanbes
unb über die theilwcise Umgestaltung bes No-
tariatswesens gemacht worven. Faffcu wir
hiermit den erstern Entwurs etwas näher ins
Auge. Derselbe hat sich die Aufgabe gestellt,
die Thätigkeit der Staatsverwaliung auf den
eigentlichen Bereich der Staatsangelegenheiten
zurückzuführen; alles Uebrige aber — unier
Beseiiigung der bisherigen Zuvielregierung —
der Aulonomie und Selbststänvigkeit des Volkes
zu überlaffcn. Sodann wird durch jenen Enl-
wurf seldst der eigentlichen Staatsverwaltung
(auf ihrem eigenen Gebiete) innerhalb gewlffer
Grenzen ein volksthümliches Element an die
Seiie gestellt; zugleich werben- Bürgschaften
sür eine unabhängige und unparteiische Hand-
habung der Verwaliungsjustiz aufgestcllt, end-
lich wird ber Staatsverwaltungsbehörde eine
zweckmäßige Einrrchtung gegcben.

Dic bis jetzt bestehenden Einrichtungen wer»
den ia folgender Wcise umgcstallet!

Für jedes Bezirksamt wird «in Amtsrath
gebildet, in welchen 5 — 8 durch Kenntniffe,
Tüchiigkeit unb Gemeinsinn ausgezeichnete Be-
wohner derufen werden sollen. Dieses Col-
legium enlscheivet unter dem Vorsiße des Be-
zirksbeamten in erster Znstanz übcr streilige
Angelegenheiten des öffentlichen Rechis, die
eine locale Bcdeutung haben; es ist ihm fer-
ner eiiie entscheibende Mitwirkuug bci gewissen
Verwaltungshandlungkn aus dem Gebicte der
Gemeindeaufstcht, Gewerbspolizei u. s. w. und
bei dem Erlaffe von. bleibenven bezirkspolizei-
lichen Vorfchriften eingeräumt. — Als zwcitc
unv letzte Znstanz für streitige Angelegenheiten
des öffenilichen Rechls wirb ein Recursge-
richt i.Verwaltuiigsgcrichtshof) gebilvet.

Die Kreisrcgierungen hören auf; ihre Ge-
schäfte gehen zum Theile an bie Bezirksamter,
zum Theile an das Recursgericht, an daS
Ministcrium des Znnern und an einen beson-
deren Verwaltungshvf über. Um die Zustände
der Verwaliung an Ort unb Steüe zu über-
wachen, unb erforbcrlichenfalls unmiilelbar ein-
zugreifen, nehmen einige Mitglieder des Mi-
nisteriums (Lanbcscominiffärc) in den größern
Stäbten ihren Wohnsttz mit der Verpflichtung,
über ihre Thätigkeit unb die zu erlaffenben

Anordnnngen im Ministerium Vortrag zu er-
statten.

Was dic Selbstverwaltung der Staatsbür-
ger anbelangt, so können zur Förderung ge-
meinsamer Zntereffcn Amtsverbände gebildet
werden. Auch wird für alle Fälle daS Groß-
herzogthum in KreiSverbänbe eingetheilt,
deren jeder durch eine Kreisversammlung unb
die nölhigen Ausschüffe seine Angelegenheiten
verwaliet. Der Kreisverband, deffen Bevöl-
kerung durchfchnittlich 100,000—150,000 See-
len betragcn soll, hat bie Rechte der Corpora-
tionen. Welche Amtsbezirke in einen Kreis
zusammenzufassea scien, bestimmt die Regie-
rung, wogegen später Abänberungen wider ben
Willen der Betheiligten nur durch ein Gesetz
getroffen werden können. Organe des Kreis-
verbanbs sinb, wie gcsagt, die Kreisversamm-
lung unb der Kreisausschuß. — Erstere be-
steht aus20—30 Abgeorbneten dcr Gemeinde,
aus den ö Mitgliedern deS Ausschuffes, so»
sern dieselben nicht ohnehin der Versammlung
angehören, auS einem Abgeordneten von jedem
in dem Kreise befindlichen Amtsrathe, u. aus
dcn Besitzern dcrjenigen Namen- und Fami-
lien-Güter, welche in der Grundsteuer auf
wenigstens 150,000 fl. angeschlagen sinb. Die
Kreieversammlung, welche jährlich einmal, ge-
wöhnlich im Herbst zusammentritt, berälh in
öffentlicher Sitzung, unter dem Präsidium eines
Ministerialbevollmächtigten ober desjenigen Be-
zirksamimanns, der am Versammlungsorte sei-
uen Wohnsttz hat (bes KreishauptmannS).
Dieselbe beschließt über alle für ben KreiSver-
band gemeinnützige Anstalten, als Straßen,
Brückcn, Spitäler, Sparcaffen u. s. w.; für
ben Voüzug der gefaßlen Beschlüffe, der Ver-
waltung des Krcis-Vermögens unb ber Kreis-
Anstalten besteht ein Kreisauoschuß. Die Mit-
gliebcr der Kreisversauimlungen und der AuS-
schüsse verwalten ihr Geschä,t als Ehrcnamt
(vhne Besoldung). Die Slaatsregierung kann
eine Krciöversammlung auflösen und Neuwah-
len anorbnen. Kreisanlehcn sind an ihre Gc-
nehmigung gebunden.

Das Eigenthümliche des badischen EniwurfS
in Bezug auf bieses Znstitut (des Kreisver-
banbS) besteht barin, daß eS nicht, wie in an-
deren Ländern, wo bereits eine svlche Einrich-
tung besteht, mit dem Verwaltungsbezirk einer
bestimmten Staatsbehörde zusauunkii,äUl. Dcnn
es gibt forian keine Kreisregierung, welche
neben ber Kreis - Vertretung steht unb in bie
Geschäfte dcrselben eingreilen könnte. Hier-
dnrch ist daS Princip der Aulonomic u. Selbst-
verwaltung in Bczug auf die dem Kreisver«

bande überwiesenen öffentlichen Jntereffen zur
vollständigsten Anerkennung und Durchführung
gebracht.

Was den Amtsverband betrifft, so ist die-
ser bie Vereinigung ber Gemeinden eines Amls-
bezirks zur Förderung bestimmter gemeinsamer
Zntereffen. Die Gründung eines Amtsver-
bands ist im Gesetzentwurf nicht als nothwen-
dig vorgesehen, und sindet nur statt, wcnn
zwei Driltheile der Gemeinderäthe eineS Be-
zirks darauf aniragen. Auch der Amtsver-
band, wo ein solcher zu Stande kommen wird,
soll — ebens» wie der Kreisverband — die
Rechte einer Corporalion haben. (Forts. f.)

* Politische Umschau.

Unter der Aufschrift „Luropa und Polen"
veröffentlicht die „France" (das Organ des
Herrn Droupn de Lhups) einen von ihrem
Redactionssecretär unterzeichneten Artikel, der
die polnische Frage von dem doppeltcn Ge«
sichtspunkte „der Verträge unb der in Eurvpa
hcrrschenden liberalen Zdeen" auS ins Auge
faßt. „Ein gekaechteteS Polen — heißt es
in diesem Artikel — wäre nichl nur eine Ver-
letzung des moralischen Rechles, sondern auch
ein Wibcrstnn in der Gesammtheit der That-
sachen, welche die politische Eristenz aller gro-
ßen Staaten constituiren." Die „France"
glaubt nicht, daß aus der polnischen Frage
ein allgemeiner Krieg hervorgehen müffe, wenn
nicht gerade die absolute Unabhängigkeit Po-
lens zurückgefordert werde. Lon Rußland
verlangt es nicht, daß es auf Polen verzichte,
sondern daß es diesem liberale Znstitulionen
gebe. So, wie cs vor der Theilung war,
könnte Polen ohne einen allgemeinen Krieg
nicht wiever auflebcn; aber zur Wiederer-
langung der Rechte, welche die Verträge ihm
gewährleisteten, genügt es, baß die Regierungcn
Europas es wollen, und daß Rußland baS
gegenwärtig hereingebrochene Unheil burch
Großherzigkeit wieber gut mache, statt es durch
Strenge zu steigern, baß Nußland ein freieö
Polen wieberhersteUe — und die Freiheit wirb
ihm viese edelmüthige und tapfere Nation wlc-
der zuführen.

Dcr „Constitutionnel" drückt die Hoffnung
aus, daß bie ruffisch - preußische Convention
aufgegeben wirb; die Stimme Europas sei
jetzt noch ein Rath; Preußen werve nicht
waricn, bis sie zur Drohung werbe.

Die Nachrichtcn aus Paris und London ha-
ben in Berlin höheren OriS einen Eindruck
gemacht, der stch kaum schildern läßt. S»

Seltenes Zartgefühl.

Unsere Leser werden «iffen oder viellcicht auch
nicht «iffen, daß der jüngste der jetzigen Fürsten
und Grafen Demidvff, welchcr größtenthcils in
PariS lebt, fich tm Befitz dcs berühmten Diaman-
ten KarlS des Kühnen, gcnannt„Sancy", bcfindet.
Dieser historffche Diamant ist Gcgenstand ciner
Anckdvte, in welcher auch der bekannte sranzvfische
Kritiker Zules Janin einc Rvlle spiclt.

Dcr Gras Paul Dcmidoff, Vater deS gcgcnwär-
tigen jungcn Bojaren, gestorben zu Matnz 1840,
vermählt mit Aurvra von Stjernval, befand sich
zu gleicher Zeit mit Zules Zanin tn Lhon. Da
Letzterer mit dcm Fürsten Anatole Demidoff be-
frcundet ist, verkchrte er natürlich auch mit dcffen
Bruder und bot sich jhm als Cicerone an. So
kam man auch in das Museum. Zm Hauptsaale
bcmerkte dic Gescllschaft, daß die Mengc sich iu
ciner Wclsc um sie drängte, welche sehr unbcquem
zu werdcn bcgann. War es die Schönheit dcrjun-
gen Gräfin, «elche dtesen förmlichcn Aufruhr ver-

ursachte? Sie «ar zwar sehr hübsch, doch ntcht in
dem Grade, um «in solches Aussehcn errrgen zu
können. Die Sachc mußte also einen andern Grunb
haben, und maii kam bald dahtnter.

Graf Paul Demidoff, der dcn,/Iancy" von cincm
spanischen Juden gekauft, hatte ihn seiner Frau
geschenkt und dicse, einc große Freundin der Dia-
manten, trug denselben so oft sic konnte. An jcnem
Tagc nun glänzte er als Broche auf ihrcr Brust,
wo cr cincn kostbaren ostindischen Shawl festhielt.
DieS war dcr Gegenstand dcr Lllgeineinen Ausre-
gung, dic geblendete Menge bcwundcrte mehr den
funkelndcn Edelstein als dcffen schöne Trägertn.

Sobald man die Ursache dcr allgemcinen Sen-
satlon erkannt hatte, nahm dic Gräfin rasch die
Broche ab und bat den berühmten Kritiker, wclcher
gerade an ihrcr Scitc ging, sie einstwcilen an sich
zu nehmen. Aanin verwahrte den „Sancy" in der
Westentafche und man fuhr fort, die Schätzc dcs
Muscums zu betrachtcn. Als die Gcsellschaft sich
später trenntc, dachte Nicmand an den Diamanten.

Nach Verlauf von zwei Tagcn lud der Graf den
Kritiker zum Dincr ein. Dieser kam, man fpeiste,
abcr vom „Sancy" wurde lcin Wort erwähnt.

Bcim Dessert endlich kam das Gespräch, ohnc Zwei-
fel ganz zufällig, auf Edelstcine.

„Apropos", sagte dcr Graf in fast glcichgiltigem
Tone, „habcn Sic auch den Diamanten meiner
Frau angesehen? — Wic gcfällt cr Jhucn?"

Der Kritiker wechseite die Farbe und gebcrdcte
fich als «olltc er in Ohnmacht fallen. Kaum hat
er sich »on dem Schrcck dieser späten Erinnerung
ein wcnig erholt, so springt cr auf, cilt in sein
Hotel, fliegt dic Treppc hinauf und fällt, in seinem
Zimmer angekommen, mit oem AuSrufe: „Meine
Wcste! mcine Wcste!" athemlos in cincn Lehnstuhl.
— „Welche Wcste befchlcn Sie?" cntgegnct der
ganz erstauntc Bcdicnte. — „Die w«iße Piquewcstc,
dic ich am Sonnabend gctragcn." — „Die habe
ich dcr Wäscherin des HotclS mitgcgeben." — „Um
Gotteswillcn! weißt Du daS gewiß?" —„Ganz be-
stimmt."

Von cinem schwachen Hoffnungsstrahle durchzuckt,
eilt Zanin in ein an sein Schlafzimmcr stoßendcS
dunklcs Cabinet, in welches cr dte schmutzige Wäschc
zu wcrfen pflcgte, und siehc da, der crfte Gegen-
stand, der thm cntgegenblitzt, ift ber „Sancy", dcr
wie durch ein Wunder bcim Hinwerscn dcr Westk
 
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