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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Juni
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N 13L


Donnerstag, II Zuni


L8«3.

* Politische Umschau.

Auch das Aeltesten-Collegium der Berliner
Kausmannschaft beabstchtigt fich mil elner Vor«
stellung an den König zu wenden, um darin
auf die Beeinträchtigung hinzuweisen, welchc
Hanbel und Jndustrie unter den gegenwärtigen
Verhältniffen zu erleiden haben, und mit Rück-
sicht darauf auch seine Bitten mit benen zu
vereinigen, welche eine Beseitigung des gegen--
wärtigen Zustandes anstreben.

Die schwcdische Regierung hat nach vielen
Schwierigkeiten das in Malmö weggenommene
englische Dampfboot, welches 200 Polen nach
Curland bringen sollte, herausgegeben, Waffen
und Munition abcr consiscirt.

Dic überseeischen Erpcditionen konimen
Frankreich theuer zu stehen. Nicht blos die
Erpedition von Meriko, sondern auch die von
Cochinchina vcrschlingt ungeheure Sumuien;
der Fiiiäiizministcr soll vor Schrecken über eine
vor Kurzem eingetroffene Apothekerrechnung
des in Cochinchina commandirenden Admirals
nicht zu sich kommen können.

Dem „Nord" zufolge wird die Sendung
neucr Truppen nach Merico dic Zahl von
5000 Mann nicht überschreiten.

Nach dem „Nord" wird der Rücktritt des
Marschalls Randon von der Leitung des
Kricgsministeriums und sein Ersaß durch den
Marschall Niel für eine abgcmachle Sachc ge.
halten.

Deutschland

Karlsruhe, 9. Zunt. Durch Allerhöchste Ordre vom
6. d. M. werden dem AriegScontroleur Bcck die Grad-
zeichen deS OberlieutenantS verlichen.

Karlsruhe, 8. Juni. (99. öffentl. Sißung
der U. Kammer.) Forts. Pagcnstecher
uiid Moll begrüßen den Entwurf vom bür-
gerlichcn Standpunkt aus; sie wollen keine
Beschränkung des Anwaltstandes. Fischlcr
hat im AUgemeinen nichts gegen das Gesetz
eiiizuwcndcn, mcint aber dvch, daß defsen Be»
stimmungcn die Zahl der Vcrgleichc erheblich
vermindern werden. Hofsnieister ist sür
gänzliche Freigebung der Advokatur. Kirs-
ner findct cin Bedenken darin, daß die An-
wälic sich nur an den Sitzen der Collegial-
gerichte niederlaffen dürfen, während doch auch
an Amtsgerichten ihre Verwendung ost noih-
wendig werde. Knies hält die Voraussetzung
von zwei Prüfuugen sür genügend, allc wei-
teren Beschränkungcn seicn nicht zu biüigen.
Es handle sich auch um das Publikum. Bei

dem Oberhofgerichte sei der Proceß in der Ent-
scheidung, in wichtigster Lage, warum solle
man da nicht dcn.Anwält vehmen dürsen, zu
welchem man das beste Bertrauen habe? Kusel
erklärt, daß er persönlich, nicht als Mitglied
der Commission, gegen jede Beschränkung sei.
Minister Stabel erwiedert dem Abg. Achen-
bach, daß dic von ihm bcsprochenen seindlichcn
Bcfii'inmungcn im Gesetze von 1851 und 1852
von den Kammcrn selbst in ven Regierungs-
entwurf eingeschoben worden seien. Die An-
wälte selbst wollen, daß nicht Jeder Anwalt
sein könne; die Freigebung sei auch nur in
wenigcn Staaten und erst seit Kurzem erfolgt,
also noch nicht erprobt; ste habe aber große
Gefahren für den Stand selbst und auch daS
Publikum sei dabei intercssirk. Ob die An-
wältc des Oberhosgcrichts in einer bestimmken
Anzahl vom Znstizministerium ernannt werden
sollen? über diese Frage seien die Anwältc
verschiedener Meinung; dic Regiernng sei für
diese Beschränkung, welchc sie für nöthwendig
halte. Wenn man bem Püblikum freie Wahl
gebc, so werde dies das Geschäft der Winkel-
advokatcn unterstützen, die man beim Oberhof-
gericht noch zulaffen müßte. Die Beschrän-
kungen seien auf das äußerste Maß zurückge-
führt worden. Es sprechen noch Knies und
Berichterstalter Schwarzman, worauf die
specielle Berathung eröffnet wurde. Bei §. 1
bemerkt Kirsner, daß vie Niederlaffungsbe-
fugniß allzusehr beschränkt scheine; ein Anwalt
soll sich zwar nicht an sedem beliebigen Ort,
ja auch nicht in ganz kleinen Ämtsstädtchen,
aber doch an größeren Orten, die entfcrnter
vom Kreisgcrichtssitzc sind, nieberlaffen können.
Gestarte man dies nicht, so vermehrc man ein
großes Uebcl im Lande — die Winkcladvo-
caiur, denn nian werve sich aus Scheu vor
ben Kosten oder dgl. lieber. an ben nahen Win-
keladvocaten als an den entfernten Nechtsan»
walt richten. Kusel: Die Anwälte sollen
nicht vereinzelt wohnen, in wiffenschafllicher
Beziehung schon ware das ein Uebelstanb;
aber auch die Disciplin erfordcre ein Zusäm-
menlebcn der Anwälte, deshalb soll nnr aus-
nahmsweisc außcrhalb des Gerichtssitzes die
Nicderlaffung gestattet wcrdcn. Wolle man
anders, so mache man die Ausnahme zur Re-
gel. Knies stellt den Antrag, den §. 1 so zu
faffen: die Anwälte können den Ort ihrer Nie-
derlaffung frei wählcn. I» Württemberg sei
eS auch so. Die Anwältc hätten dann die
Wahl, ob sie zusammen wohnen wollten oder
nicht. Dcr Antrag wird von Hoffmeister un-
terstützt. KirSn cr ist dagegen. Man dürfc

die Zahl der Anwälte nicht so sehr vermehren,
daß avi Ende ihr geringes Einkommen die
Ehre des Standes gefährde. Kusel: Jn
Württemberg seien dic Collegialgerichte nicht
Gerichte I. Jnstanz, aber im neuen württemb.
Entwürfe sei es gerade, wic man es hicr heute
machen wolle. Ministerialrath v. Freydorff:
Es liege im höchsten Jntereffe der Heranbil-
dung eines tüchtigen, gebildcten Advocaten-
standes, daß die Anwälte möglichst alle am
Kreisgerichtssitze wohnen, wo auch der Schwer-
punkt des ganzen Kreises liegc. Moll würde
mr't Knies stimmen, glaubt aber nicht, daß
dessen Antrag durchgehen werde und macht dcn
Vorschlag zu setzen: daß in der Regel die An-
wälte ihre Riederlaffung an dem Sitze eines
Collegialgerichts habcn. Außerhalb eines sol-
chen Sitzes wird bie Nicderlaffung eines Mi-
walts gestattet, wenn keine dringenden Gründe
enkgcgcn stehen. Lamey (Karlsruhe): Zn
mancher Beziehung. theile er die Ansichten des
Abg. Knies, nicht aber in diescr Fragc. Wozu
seicn die Anwälte da? Um die Rechtsuchen-
den vorzugsweise bei den Eollegialgerichten zu
vertreten, nicht bei Bürgermeistern oder Amts-
gerichten. Die Anwälte könnten daher auch
nicht an jedem bcliebigen Orte wohnen, wo
vielleicht nicht einmal ein Amtsgericht ist. Er
stimme weder bem Antrage von Knies, noch
dem von Moll bei. Dicser wolle die Aus-
nahme zur Regel machen, denn dringende
Gründe zur Versagung werden in der Regel
nicht vorliegen; auch sei es verderblich, wie
Anwältc von kleinen Orten allein arbeiten,
ste verlieren häufig den richtigcn Takt; lieber
alle Anwälte unter allen Umständen am Ge-
richtssitze, als Ausnahmen gestatten. Der Com-
inissioiisvorschlag genüge. Der Antrag des
Abg. Knies wird abgelehnt, jener von Moll
erhielt keine Unterstützung. §. 2 (Zahl ber
Anwälte kann sestgesetzk werden) angcnommen.
Ebenso alle übrigen Paragraphen, dic wir in
diesem Berichtc nicht crwähnen, Bei §. 3 steüt
Knies den Antrag, den letzten Absatz: „Rur
das Rccht, beim Oberhofgericht alS Anwalt
aufzutrcten, muß besonders verliehen werden,"
zn streichen. Kirsner, Kusel, Moll, Pa-
xavicini und Mathp unterstützten deir-An-
trag. Minister Stabel: Ueberall seien an
bem obersten Gerichtshofe eine bcstimmte An-
zahl von Abvocaten bestellt, und Andere wür-
ben dorr nicht zugelaffen, so in Frankreich,
Belgien, deutsche Staaten rc. Diese Bestim-
mung sei weise und die Regierung habe sie
als vie beste in den'Entwurf aufgenommen.
Prestinari, Achcnbach und Schwarz-

Die Hinrichtungen z« Rottweil.

Ueber dre bcreits gemeldete Hinrichtung der vicr
Jtaliener cntnehmen wir der Schw. B.Z. folgen-
den Bcricht: Kurz vor 5 llhr Morgcns am 8. Juni
»ersammeltc fich daS Gericht und die weitern gesctz-
Uch »orgeschriebenen Livilbeamten ncbst dem Com-
manbanten dcs Landjägcrkvrps, Major ». Lan-
daucr, im Hofc dcs Gefängnisses. Wenigc Mi-
nuten darauf trat Orsoltn aus der Thürc dcs
GcjängniffeS und schritt in Begleitung deS Kaplan
Leupolz mit todesmuthigcm Auge unb festen
Trittcs dte 18 Stufcn der fteinernen Trcppc her-
unter vor das hohc G-richt. Zn feierlicher Ltillc
der zahlretchcn zum blutigen Akte herbeigekommc-
nen Zuschauer richtete OberamtSrichter Braun
folgende Wortc an den dem Tode Geweihtcn:
Jakob Orsolin! Zhr habet Dienstag nach Eroff-
nung der allerhochstcn Entschliefiung zuerft das
Wort crgriffen und im Namcn Allcr erklärt: „Zhr
betrachtet die über cuch vcrhLngte Strafe alS eine
gerechte Sühne Eurer Missethat." Zcigct nun auch
auf dieser Stätte, daß dic Reue Euer Herz wtrk-
lich in dem Grade durchdrungcn hat, daß Jhr im

Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit die gesetzliche ^
Strafc deü MordeS standhaft übcr Euch crgchen
laffen könnct! Hierauf verlas GcrichtSaktuar Pfaff !
die Bestätigung dcs Todcsurtheils durch S. M. den
König; dcr Gerichtsvorstand ergriff den schwarzcn !
Stab und warf denselben zerbrcchcnd OrMn mit I
dcn Worten zu Füßen: „Euer Lebcn ist verwirkt,
Gott sci Eurer armen Scele gnädig. Nachrichtcr, '
ich übergebe Euch bcn Gtacomo Orsolin mit dcm
Befehle, ihn zu richten vom Leben zum Tode!"
Hierauf kniete der Kaplan zu einem stillen Gebete
mtt ihm nieder und flchte den Allbarmherzigcn um
Gnade für dcn nun dem Schwcrte Verfallenen an,
während zugletch die Zuschauer für dcffen Seele
betetcn. Nun begleitete derselbe Priestcr den Ver-
urtheiltcn biS vor daS Schaffot, nahm das Eruci-
fir aus dcffen Händen, nachdem dicser cs zuvor
geküßt, und gab ihm dic Hand züm Abschicde. Die
Gehülfen des ScharfrtchtcrS schnalltcn den Dclin-
quenten auf das Brett, schoben daffelbe vor, —
etn Zug deS Scharfrichters, das Beil fiel, ein
Blutstrom, einigc Zuckungen und der Mörder
hatte vollcndet. Dcr zweitc dcm Beile Vcrfallcnc
! war Josef Tisott; dic Anrede, dic der Gerichts- >

vorstand an ihn richtete, war gleich erschütternd,
wic bei dcm zuvor Hingerichteten: Zosef Tisott!
Die gegcn Euch crkannte Tvdesstrafe muß jetzt voll-
zogen werdcn. Sterbet zur Sühne Gures schweren
Vcrbrechens, im festen Vertraucn auf die Barm-
herzigkeit Gottes, welcher auch Euern unglücklichen
Eltern Trost spcnden «ird. Zu Vtctor Boso
sprach der Vorstand: Victor Boso! Nur wenige
Wortc habc ich noch an Euch zu richtcn! Zhr seid
jetzt von de^ Gerechtigkeit der über Euch verhäng-
ten Strafe überzcugt. Vcrzeihet Eucrn Eltern
und schließt fic in Euer letztcs Gebet ein, auf daß
auch sie der Sttmme deS GewiffcnS ihr Hcrz öffnen
möchtcn! Mit Anton Marcon's Enthauptung
schloß dke schauerliche blutige Sühne; die letztcn
Worte, wclche ObcramtSrichtcr Braun an ihn rich-
tete, find folgende: Anton Marcon! Auch Jhr
habct Bewelse gegeben, daß einc Sinnesänderung
in Euch vorgcgangcn und Reue in Euer Herz ein-
gekehrt ist. Bestätiget dieß in dieser schweren Stunde
und bedcnkct, daß nur ein reuigcr Sünder Erbar-
men vor dem Richter, zu dem Zhr jctzt gerufen
werdet, stnden kann! Eben so rasch «ie bei dem
ersten Delinquenten fiel bei den übrigen drei das
 
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