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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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März
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D 63


Sonntag, LS. MSrz

ZasertioilSgebührea für^ie ZspaltigeWeM-

1863.

* Politische Umschau.

Herzog Ernst von Coburg ist heute in Pa-
ris kingetroffen, im Hotel seines Gesanvtea
abgesticgen und daranf vvm Kaiser und von
dcr Kaiserin empfangen worden.

Das englische Cabinet tritt, nun es einmal
zu handeln. entschloffen ist, mit der ihm eige-
nen Festigreit in ber polnische» Angelegenheit
auf. Lord Napier, dcr englische Gesandte am
Petersburgcr Hofe, hat unumwunden erklärt,
daß seine Regierung, wenn man ihren Bor-
steüungen: nämlich Wiederherstellung der pol-
nischen Bersassung und allgemeine Amnestie,
kein Gehör schenken würde, zunächst ohne
Weiteres sämmtliche auf die Waffentransport-
Angelegenheit in dcn Donaufürstenthümern
Bezug habendc Papiere dem Parlament vor,
legen und zur Noth auch jene Agenten nam-
häft machen werde, welche in Bukarest für
die Canbidatur, sei es des Großfürsten Con-
stantin oder des Herzogs von Leuchtenberg
und beide Male nichl mit den saubersten Mit-
tcln, gewirkl haben.

Die Festlichkeitcn bei vem Einzug der Prin-
zessin von Wales in Lonvon haden außer den
30,000 L., welchc die Citpbehörden bewilligt,
Privaten für Decoralionen eine halbe Million
Pfund gekostct; für Miethe von Sitzen und
Fenstern, um den Zug vorübergehen zu sehen,
wnrden an 250,000 Guineen eingenommen.

Laut Nachrichten aus Meriko haben d'ie
Fkanzosen Guaymas erobert und marschirten
gegen Hermosilla, die Hauptstadt von Sonora,
angeblich, weil General Pesquero daselbst
sranzösische Ansiedler vertrieb.

Der „Osts.-Ztg." schreibt man: Zuverläs-
sigen Nachrichten aus Pciersburg zufolge hat
der Kaiser Alcrander II. sich entschloffen, Ruß-
lanv einc ständische Verfaffung nach Art deS
preußischcn vereinigtcn Landtags von 1847
zu verleihen. Der Entwurf zu dieser Ber-
faffung hat bereits verschiedene Stadien ver
sorgsältigften Prüfung durchlaufen und liegt
gegenwärtig dem Kaiser zur Bestätigung vor.
Man sicht der Verkündigung in Kurzem ent-
gegen.

Deutschland

KarlSruhe, 13. März. raol Allerhöchster Ordre vom
12. d. M. Irelen die aus die D-u-r eiiieS ZahrcS zur
Dteustietstuiig als Ordounanjoffirter Sr. Königi. Hohctl
deS GroßherzogS besehltglen: Odcrtieulenanl ». Aiicdcburg
»°m r. Jnsanicrtercgtmcnt und O eilienlcnant Scuber«
»°m (.1.) Veib-Diagonerrcgimcn« tn thre Abthetlungen zu-
tück. Licutenant Karl »on Gcmmingcn »om (1.) llctb-
Dragoncrregimrnt und Lteutcnant Gras von Sparrc vom

Mit dem Aufhängen foll man fich »icht
übereilen.

Ein Fculllctonist dcr „Preffe" erzählt folgcndes
Wicner Geschichten: Ein junger Mann war cincs
schöncn TageS in eine der einsamften Particn deS
Praters gewandclt, suchte sich «inen paffenden Baum
mit eincm niedercn vorspringendcn Aste'auS, lcgtc
dann Rock und Hut ab, und zog aus dcr Tasche
eine ellenlange Redschnur, deren Ende er in etne
Schlingc umgestaltete. Allem Anschein nach wollte
der junge Mann etnen Act »on Sclbstjustificirung
ausüben, in dem er durch ein Geräusch in eintger
Entfernung gestört ward. Als echter Wicncr, der
seine Neugj.rde auch am Rande dcs Grabes nicht
«ernachlässigt, blickt cr nach dcr Richtung, ficht in
ciner Distanz v»n etwa hundert Schritten zwei Schuh
hoch übcr dcm Boden etwas Mcnschlichcs in dcr
Luft zappeln, eilt darauf los, und findet cinen
Manii, der das bercits »or ctnigen Minuten ge-
than, was er sclbst erst vorbereitete. Rasch jicht
der Selbftmord-Eandtdat sein Meffcr, durchschnei-
det die Lodesschnur am Halse dcs Zappelnden,
dieser fällt herab, und »achdcm cr einige Minuten
sehr energisch nach Lust geschnappt, gclingt es ihm,

2. Dr-gonerrcgtmc»t werden zur Dienstleistnng als Ordon»
»anzosficier Sr. Königl. Hoheit deS GroßherzogS auf die
Dancr klnes Zahre« befchllgt.

Z- Bom Rhei», im März. Die heillose
Lage, in welche das Berliner Cabinet durch
eine unnennbare Politik sich versetzt hat, führte
seine Gcgner in Bersuchung, es durch vera-
torische Angriffe bis zum Aeußersten zu reizcn.
Doch konnten und können auch diesc Gegner,
die vepschicdenen Gauen unb Gebieten Deutsch-
landS angehören, sich die Schwäche ihrer eige-
nen Posilion unmöglich verhehlen. Den bra«
vcn und lüchtigen Männern in Preußen liegt
es wahrhaftig fern zu verlangen, baß dic
Staatsregierung sich der Würzburger Politik
unlerwerfca und wie vor 12 Jahren zu Kreuz
kriechen solle. Sie vermiffen nur schmerzlich
jedes positive Progrämm in der deutschen
Frage und mcinen, daß mil dem bloßen Ent-
schluß, in Frankfurt nicht mehr mitzutagen,
sehr wenig ausgerichtet sei. Schlimm genug,
daß sich Preußen dort auf die bloße D'esenstve
hat zurückdrängen laffen, und statt andern
Regierungen ihrc Stellung zu schaffcn, sich
darauf beschränke» muß, in der vorgefundenen,
die man ihm gemacht, dic drohende Gesähr-
diing abzuwehren. Wo aber ist irgend eine
schöpferische Jdee zu erblicken, welche die un-
erläßliche Mitwirkung der Nativn gewinnen
und deren moralische Macht durch greifende
Erfolge verbürgen könnte? Der tiefe Wiber-
willen aller deulschen Bevölkcrungen gegen
einen übergreifenden Einfluß Preußens, so
lange dieses nur die Ueberliefcrungen des Fcu-
dalwesens und des Militärstaats über seine
Grenzen zu lragen droht, ist nicht ein Phan-
tastebild, ist wahrlich kein baares Phantom,
sonvcrn eine leiber sehr greifbare und aller
Orten in auffaüendster Weise zu Tage tre-
tende Thatsache.

Aber ungeachtet deS dcrmaligen schlimmen
und beklagenswerthen Zustandes in Preußen,
hofft man dort dennoch zum balvigen Sieg zu
kommen. Man war vor 50 Zahren nach den
Catastrophen von Jena unb Tilsit unter dem
schmählichen Joche der Frembhcrrschast noch
weit schlimmer baran und man ist auch da-
mals durch Nachl zum Lichte und mil Energie,
Ausvauer und siltlicher Krast aus der franzö-
sischen Knechtschaft zur Freiheil gelangt. Wie
heldenmüthig und zu großen Opfern bereit
sich dazuMal Ostpreußen erhob, sagt nns die
Geschichte, sagt uns in seinen Erinnerungen
der unvergeßliche Arndt, der die ruhmreiche
Erhebung mit ansah und babei mitwirkte.
Auch dort in Ostpreußen will stch dsrmalen,

fich aufzurichtcn, und wcnn auch noch unfähig zu
sprechen, vcrmag er doch mitZerknirschung den Stras-
sermon anzuhören, «elchen ihm der junge Mann
hält, der, mit der Rebschnur in der Hand, ihm den
Kopf «äscht, daß solch ein alter, grauer Kopf noch
Selbstmordgcdankcn hegen kann. „Ach lieber Herr",
spricht endlich der Altc, „wenn Sie, wic ich, kleinc
Ktndcr hätten und kein Brod, Sie würden —"
„Unsinn!" erwiderte der jungc Mann, scine Brief-
tasche ziehcnd, „hicr ist Geld gcnug auf Brod für
Ste und Zhre Ktnder!" — „Vcrgclts Gott!" ju-
belt der Aite, „abcr wozu brauchen Sic dic Reb-
schnur in Jhrcr Hand?" — „Zch?" stammclte der
Zunge tn ciniger Verlegcnheit, „ich — nun, ehr-
lick gestanden, — ich wolltc daSsclbe thu«, was Sie
gcthan, — aber bct mir ist's ganz was anderS, --
ich habe geliebt, unglücklich geliebt. Die Treulose
hat mich verrathen, betrogen, und da werdcn Sic
begreifen, daß —" — „Unsinn!" spricht nun sei-
ncrseits der Alte, „'s gibt noch tmmer Mädkl ge-
nug, wenn Sie einmal in metne Zahre kommen,
wcrdcn Sie erst bcgrcifcn, daß cs nicht dcr Mühe
werth tst, »m eincs schlechtcn WeibsbildeS willcn
sich das Leben zu nehmen." — Kurz, dte beidcn

tvie in Rheinland und Westphalcn, die Reac-
tion einnisten, erleidet jedvch Niederlage über
Niederlage; sie krümmt und windct sich wie
eine Klapperschlange und kämpft fort voll Ver»
zweisiung. Was bei diesem Kampfe zu Grunde
gehen kann, läßt flch gar nicht berechne», aber
von der Ueberzeugung ist man durchdrungen,
sein Ende sei der Ansang für die Erfüllung
der Wünsche der dcutschen Partei. Für den
Nativnalverein läßt sich jetzt wenig thun ia
Preußen, indem der eigene Kampf aüe Kräfte
absorbirt; man ist aber darum kcinen Augen-
blick uncingedenk der größeren und höheren
Angelcgenheit; sie wird, wenn Preußcns io-
nere Zustände wiever heil und gesund gewor-
den, von selbft auf die Tagesordnung kommen.

Gotha, 8. März. Dieser Tage ward eine
Waffenjendung aus England, resp. Bclgien,
die nach Polen gehen sollte und nicht declarirt
war, von der hiesigen Zollbehörde, die davon
Kunde erhalten, mit Beschlag belegt. Sie
lagern nun bei dem hiestgen Spediteur und
werden einen Transitzoll, irre ich nicht, I THlr.
sür baS Stück — und es stnd ihrer 3500 —
zu entrichten haben.

Berlin, 10. März. Jn der heutigen Sit-
zung ves Herrenhauses beschwert stch eine
Petition bes Hrn. v. Puttkammer-GIo-
witz und Gen. üder dic Aeußerung des Prä-
sidenien Grabow in der Ansprache am 14.:
„Das Haus dcr Abgeordneten sei die alleinige
Vertretung dcs Landes", und will, daß bie-
selbe als verfaffungswidrig crklärt werde.
Die Kvmmission beantragt TageSordnung, da
die Aeußerung seldstverftändlich uur als eine
private Meinung betrachtel werden müffe.
Angenommen. Eine Petition des Bauern
Gießler aus Trächtelborn auf Herbeifüh-
rung der jetzt noch mangclnden Einigkcit der
deutschen Fürsten als Mittel, die Kosten der
Armee zu verminbern, wird glcichfalls durch
Tagesordnung erledigt. Der Webergeseü Grebe
in Berlin biltet: vas Herrenhaus möge da-
hin arbeiten, daß das „verfluchte Bauen deS
Tabaks" verboten werde. TageSordnung. —
Die anderen Petitionen betreffen mehr oder
weniger spezielle Jntereffen.

Berli«, 11. März. Jll der heutigen Si-
tzung bes AbgeordnetenhauscS theilt der Prä-
sivent mit, daß der Zustizminister die Bewilli-
gung des Hauses nachgesucht habe zur gericht-
lichen Verfolgung dcs „Kleinen Reastionär",
welcher wegen Beleidigung des HauseS an
zwei Stellen confiscirt worden, wovon die
cine laulet: „Die Adreffe des Abgeordneten-
hauses an Se. Maj. den König haben unter-

Sclbstmord-Landidaten geriethen in cine hitzige De-
batte über die Rothwcndtgkeit dcs Selbstmordes und
über die Zulänglichkeit Ler Motive dazu. Wäh-
rend dtcser Erörtcrung schrciten fie mechanifch ge-
gen die Stadt zu, verlaffcn den Prater, trcten tn
cin Cafe und setzcn bei eincm Glase Punsch ihre
Debattc fort, tn Folge wclchcr der Aungc, zusälltg
etn wohlhabender Mann, dem Altcn, «tncm herab-
gekommenen, gepfändeten GeschäftSmanne, dic thä-
ttgstc pecuntäre Hilfe zusagt unb ihn sogleich nach
Haufe bcglcttet, wo er nebst einem Famtlienelend,
illustrirt durch eine weinende Frau und sünf hung-
rtge, orgelpfeifcnartig gewachsene kieine Kinder,
auch ctn großcs Kleid, cinc btldhübschc Tochtcr »on
achtzehn Aahren antrifft, die auf unsern Unglück-
lichen eincn so glücklichen Eindruck macht, daß er
dic Rcbschnur vcrwcndet, um Tags darauf ein Pa-
kct Klctdcr und Wäsche zuzuschnüren, das er an die
verarmte Familte schickt, mit der er allgemach in
so nahc Beztehungen tritt, daß gegcnwärtig der ge-
pfändete Geschäftsmann wicder rangirt, sein Rettcr
aber Associe und Bräutlgam dcr hübschen Tochter
ist, wvraus sich die practische Moral ergibt: Mit
dcm Aufhängen soll man sich ntcht übereilcn!
 
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