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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Januar
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M 18. D-nnerstag, 22. Zanuar

ZnsertioaSgebührea für dte Zspaltige Petit-
zeile werdea mit 3 kr. berechnet.

18«3.

Bestellungen auf die „Heidelberger
Zeitung" nebst Beilyge „Heidelber-
ger Familienblätte-" für -as mit 1.
Januar 1883 begonnene 1. Luartal
werden fortwährend angenommen.

Die Expeditiv«.

Die Eröffnungsrede des preuß.

Landtags,

durch den Miiilsterpräsidenteir v. Bismarck ab-
gehalten, ist weit friedlicher abgelauftn, als
zu erwarten stand. (Es bedarf kaum der Er-
wähnung, daß der Leitartikel in Nr. 17 d.
BI. vor derselben abgefaßt war.) Wenn otan
die so unbefangen scheinendenSätze dieser Thron-
rcde durchliest, so wird man kaum merken,
daß der Staat, in dem sic gesprochen wurde,
sich in einer sehr geführlichen Krisis befinvel.
Nachträgliche Genehinlgung der Ausgaben für
1862 soll beantragi werden, die StaatShauö-
haltöetats von 1863 und 1861 svllen vorge-
legt werden, das angeiiouiinene Deficit des
vergangenen uiiv lauseiiden Zahres ist uiit
Mehreliinahnic verrechnct wvrden. Ein Ge-
setzentwurs zur Abänderung unb Ergänzung
des Gesetzcs vom 3t Septbr. 1814 svll der
neuen Milttärorganisation gesetzliche Grund-
lage geben. Die Ncgierung ist überzcngt,
daß auch bie Bunbesverträge von 181S'den
veränderten Verhältniffen der Zeit nichl mehr
entsprechen, unb sie wtrd in der Lage sein, die
Fortdauer bieser Verlräge für unthiinlich zu
haiten, wenn bie deulschcn Bundesgenvffen die
Pflichten, weiche diese Verträge ihnen auflegen,
nicht gewissenhaft ersüllen wollen. Wer die
Tagesgeschichte vöüig ignoriren wollte, oder
gar nicht wüßte, baß ber Minister v. Bis-
marck im vorigen Jahre eine Erbschaft angc-
treten hal, die selbst sein Vorgänger von der
Hepvt verschmäht hat, könnte glauben, daß er
einen vvllig constitutionellen Staalsmann sprc-
chen hörte, welcher im Begriff stänbe, gewiffe
Fragen innerer Geseßgebuiig aus einem völlig
versaffungsmäßigen Wege ihrcr Lösung zuzu-
führen. AUein es bewährt sich aber auch hicr wie-
der ber atte Saß, daß es nichl nur daraus
ankömmt, was man sagt, sondern zugleich, wer
etwas sagt. Das Charakteristische der Situa-
tion liegt cben darin, daß es der nämliche
Minister ist, welchem der Mangel des gesetz-
lich festgestellten Etats zur Last sällt, und tvelcher
jeßt diesen Mangel als eine selbstverständliche
Thatsache kaltblutig verkündet, derselbe Mi-
nistc., welcher bic nicht bewilligten Ausgaben
zu verantwvrten hat, und welcher jetzt, nach-

Eme Spnzierfahrt nach der neuen Welt.

Seit Aahrhunderten durchschneiden ungczählte
Maffen von Schiffen dic Fluthen dcö Atlantischcn
Occans herüber und hinüber,, alljahrlich steucrn
Tausende von Fahrzeugen aus den verschtedcnen
curvpaischen Hafen nach der Küste der Vereinigten
Staaten, und noch in unabschbar fernen Zciten
wird dic Verbindung der bciden Hcmisphären —
wcr weiß in welcher Ausdchnung! — ihren rcgcl-
rcchten Gang nehmen; allein ficherlich hat von all
den unzähligen Schiffcn auch nicht ein einziges gc-
nau dieselbe Bahn durchmesscn wie ein anderes,
und aller Wahrscheinlichkcit nach «ird eine solche
Uebcreinstimmung überhaupt niemals, sclbst ntcht
in Aconen, stattstnden. Wie in der Natur, so ist
es auch mit dem Mcnschen bestellt. Vonben Tau-
sendcn und Abcrtausendcn, welche fich dcn trüge-
rischen Wogen dcs balkenlosen MeereS anvertrauen,
um am andern Eiide dessclben an der Küstc etner
ncuen Wclt zu landen, wird jeder Einzelne andere
Gefühlc, Empfindungen und Gedanken hegen, an-
dere Erfahrungrn machcn, andereErfolgeerzielen,

dem nichtS mehr daran zu ändern ist, die nach-
trägliche Geiiehmigung fordert, ganz so, als
ob es stch um Geldverwendungen handelt, dic
in Folge einer gebieterischen Nothwendigkeit
gemacht worden wären. — Das preußische
Ministerium hat wohl seine guten Gründe,
sowohl öffentlkcher und politischer als priva-
ter und persönlicher Natur, warum es den
bestehenden Conflict selbst von einer so wenig
schroffen Seite darzustellen sucht. Es trat die
Regierung des Staats mit eincm Programm
an, welches das Steuerbewilligungsrccht des
Landtags, diese rechtliche Grnndlage aller Ber-
saffungen, bei Seite schob und für die Kröne
die Befugniß beanspruchke, einen vom Landtage
verworsenen Etat znr Basis ihrer Ausga ben zu
macheii. Die ganze Monarchie ward hier-
durch erschüttert, und selbst streng conserva-
tive Krcise (mit Auönahme natürlich der Feu-
dalen und Junkersraction) wurden mit Bestiir-
zung uud Schrccken ersüllt. Die Maffe ber
^ Bevölkerung erblickte in der Ausstellung jenes
Grunbsatzes nichts Geringeres, als eine lhatsäch-
liche Aushebung der Verfaffung. Und nachbem
nuu mehrere Monate hiubiirch diesem Pro-
gramm geuiäß wirklich gehandelt wvrbeu ist,
trilt Hr. v. Bismarck vor den Laudtag und
spricht von einer Sachc, als ob es stch um
einen kleinen Formsehler handle, den man im
Drange bcr Umstänve nicht vermeiden kann,
iinb sür welchen, ber Ordiiung wegen, nach-
träglich die Znbemnitätserklärung des Abge-
orbnetenhauseö nachzusuchen ift!

Schwerlich wird aber diefts Haus in jenen
sorglosen Ton mit einstimmen. ES wird stch
auch wahrscheinlich nicht in crinüdcuden, weit-
läufigen Debatten über thatsächliche Einzel-
heiten erschöpsen, sondern sofort grundsätzlich
die Frage auswersen, was künftig in Preußen
Recht sein soll, die einseitige Versügung ber
Regierung, oder die gemeinschastliche Versü-
gung der Negierung und der Volksvertretung
über die Geldmittel des Landes. Für eine
grundsätzliche Verläugnung der Verfaffung ist
Zndemnität nicht möglich, und diese Letztere
ist eö, welche das Land bem gegenwärligen
Minister Schulv gibt. Einc Äussöhnung im
Wege ber Güte ist hier kaum zu denken: benn
über das Grundrecht eines StaateS kann es
selbftverständlich nur eine Ansicht geben. Von
zwei Anstchten,, bie sich biö jetzt auswcrsen,
muß nothwenbig bie eine ober die anderc un.
terliegen: entweber hat der Landtag das Be-
willigungsrechk vder er hat es nicht; eine
britke ist nicht möglich. Wenn der Landtag
es nicht hat, so ist Preußen nur dem Namen

und wie eS auf Erden nicht zwei Menschen gtbt,
welche daSselbe glauben, thun und sind, so «ird
auch Jeder, der eine Reise thut, andere Dinge zu
erzählcn habcn. Diesc schr einfache und anspruchs-
lose Ucbcrzeugung wurdc recht lcbhaft tn uns wte-
der rcgc, als wir tn diescn Tagcn dic bcidcn BLnde
der „Reise nach Ccntral-Amcrikä" von Wilhclm
Marr durchlasen, zumal bei den ersten Capiteln,
welche das Lcben auf dem Schiffe und einen kur-
zen Aufenthalt in Ncw-Aork schildcrn. Was ist
ntcht alleS übcr Seereiscn gedruckt und gclcsen «or-
den, und kennt nicht jeder Kunde unserer Leih-
bibliothcken die Emptre-City der Vereinigten Staa-
ten, sammt Brooklyn, Hoboken, Long- und Staa-
ten-Jsland, «ie seine eigeneTasche? Wirgestehen
offen, es kostete unS etnige lleberwindung, daS Buch
in dic Hand zu nchmen, in wclchem wir, wentg-
stenS was Nordamerica und die Reise dahin be-
trifft, nur längst BekannteS mit neuem aber nicht
bcffcrem Flittcrstaat behangcn wicder zu findcn
fürchteten; allein «ir müffen auch der Wahrheit
gemäß bekcnnen, daß unserm Mißtrauen etne sehr
angenehme Enttäuschung auf dem Fußc folgte.

Marr, der Sohn des bcrühmten Schauspielers

nach ekn constitutivneller Staat. Um diesen
Kardinalpunkt dreht sich dahcr die ganze KrisiS.
Jst dieser Punkt entschieden, so bleiben zwar
noch andere wichtige Fragen übrig, aber ste
sind unwescntlich im Vergleiche mit jener, und
ist in solchen eine gegenseitige Verständigung
eher möglich.

* Politrsche Umschau.

Einem Privatschreiben auS Berlin entnimmt
das Wiener „Fremdenblatt", daß in den dor-
tigcn Hoftheatern alles Verdüsternde, nament-
lich alle Sterbescenen vermieden werden müffen,
um nicht einen unangenehmen Eindruck auf
das leidende Gemüth des Königs auszuübcn.

Gesetzentwürfe von größerer Tragweite wird,
nach osficiösen Angaben, das preuß. Ministe-
rium dem Landtage nicht vorlegen, und zwar
weil dieselben „mil Rücksicht aus den unge-
lösten Conflict über die Militärsrage nur zu
fruchtlosen Erörterungen, nichl aber zu legis-
latorischen Resullaten führen köniiten."

Der Turnverein in Teplitz, aus deffen Fried-
hof Johann Gottsrieb Seume ruht, rust zu
dem am 29. Januar nächsthin stattfinbenden
100jährigen Gedurtötage des Dichters auf.
Das dcutsche Ävlk, welches eine so tiefe Ver-
ehrung für seine großen Geister empfindei,
wird gewiß nichk zurückbleibeil, wo es gilt,
das Andenken eines Mannes zu ehren, deffen
Lieoer so manches Herz erfrischt und deffen
„Spaziergang nach Sprakus" so vielc Freunde
gesunden hät.

Die General Corresp. erklärt die Nachrichtr
Se. Majestät Kaiser Franz Zoseph habe aus
Anlaß des aus Oesterreich bczüglichen Paffus
ber Thronrebe den Kaiser Napoleon in einem
eigenhanbigen Schreiden beglückwünscht, ent-
behrt jedweder Begründung.

Die in der Regel gut untcrrichtete „Mon-
tags Ztg." bringt eine Mittheilung, wvnach
man in vielen Kreisen Berlins an dem Glau-
den festhält, daß höchsten Orts zu Gunften
des Liberalismus (?) ein Umschwung einge-
lreten sei, und baß die Kreuzritter keineswegs
siegesgewiß, sondern mit gleicher ängstlicher
Erwartung aufschauen, wie die Männer des
Fortschritts.

Jn osficiellen Kreisen Londons crwartet
man, daß Herzog Ernst die griechische Krvue
annehmen werde.

Deutschland

Karlsruhe, rv. Zan. Das heute «schlcncne großh.
Regbl. Nr. 4 enthält: 1) Dl-nsinachrlchten! Se. Könlgl.

und felbst ein vielversuchter Schriftsteller, weiß so
feffelnd zu erzählcn, daß man mit wahrcm Bcha-
gen seinen Schilderungen folgt. Freiltch ging er
nicht unter drückenden Verhältnisscn oder tn Folge
niederschlagcnder Erfahrungcn zu Schiffe; nicht die
Noth, kein politlsches Compromitttrtstin zwang ihn,
Europa zn vcrlaffen, sondern cs war sein freier
Wille, der ihn vor mehreren Zahren zn der „Re-
cognoScirungStour" nach dcm mittleren Amcrica
trieb, wo damals die Canalisattons- und Colont-
sattonsprojecte für Ccntral-Amerika und die Land-
zunge von Panama wic Pilze aus der Erde schos-
stn und der Blüthestand Californiens allcn diestn
Unternehmungen e!n solider Grundpfeiler im fer-
ncn Westen zu werden versprach. Sein Zweck war,
fich den Strich Erde tn der NLHe zu betrachten,
dcn die Phantasie der Speculation bereitS als die
Hochstraße dcS WeltverkehrS ansah, und fret und
lcdig wst cr war, gedachte er Gctst und Körper auf-
zufrische» dnrch neue Lebensoerhältniffc und Con-
traste, es dem Leben setbst anheimgebekd, »b, «tc,
wo und auf «ie lauge Zcit er jensttt deS Oceans
seinen Anker anSwerfen «ürde. Mchr zur eigenen
Zerstreuung, als zu einem bestimmtcn ltterarischeil
 
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