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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Januar
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Srscheint, MontagS auSgenommen, täglich.
PreiS vierteljährlich 54 kr.


Samstag, S. Zanuar

Bestelluugen anf die „Hekdelberger
Zeirnng" nebst Beilage „Heidelber-
gee Familienblätter" für -as mit 1.
Zanuar 1863 begonnene 1. Quärtal
werden fortwährend angenommen.

Die Expedition.

K Die Parteien in Dentfchland «nd
die Einheitsidee.

Wl'e im Mlttelalter der Ruf: „Hie Welf!"
— „Hie Watblitigeii!" so sind jetzt vie beiden
entgegengeseßten Begriffe: „Großveutsch" und
„Kleindeutsch" das Feldgeschrei zweier Par-
teien in unserem weireren Baterlanbe gewor-
den, welche Beide behaupten, daß in der Ver-
wirklichung ihrer politischen Principien das
Heil des Vaterlandes liege. Während die so-
genannten Kleinbeutschen für einen deutschen
Bundesstaat unter der Führung Preußens
schwärmen, wollen die Großveutschcn durch-
aus nicht zugeben, daß eine anbere Macht als
Öesterreich, deffen Kaiser so lange Zeit die
Träger ber deutschen KönigSkrone gewesen,
die erste und hauptsächlichste Stellung im
deutschen Staatenverein einnehme. Zu Gun-
sten beider Anstchten ist in Flugschriften und
Leitartikeln schon so Vieles geschrieben wor-
den, daß es in Wahrheit Eulen nach Athen
tragen hicße, wen» wir uns lange damit aus-
halten wollten, zu untersuchcn, welche weitern
Gründe stch noch zu Gunsten bcs einen vder
andern aufzählen ließen. Wir wiffen, daß
ein Staat wie daS heutige Oesterreich, beffen
Bewohner der Mehrzähl nach außerdeutschen
Slammes sind, und der eben jetzt erst die An-
sänge eines Versaffungslebens aufweisen kann,
noch nicht das Zeug bazu hat, aus die Hege-
monie über dic übrigen Bundesstaaten, Prcu-
ßen eingeschloffen, Anspruch zu machcn. An-
berseits aber dürsen wir nicht außer Acht
lassen, wic wenig sich ia beutschen Angelegen-
heiten von der jetzigen preußischen Regierung
erwarten läßt. Es ist in dicser Beziehung
auch schon ein rechk merklicher Umschwung in
der öffentliche» Meinung in Ungarn eingctre-
ten. Wir haben beobachtet, daß Viele, welche
uvch vor nicht langer Zeit glaubten, unser
Heil könne nur von Preußen kommen, und
sür welche dic Berliner Regierung Alpha und
Omega war, neuerbings sehr heruntergestimmt
wurden in ihren Hoffnungen. Der Grund
dieser Hoffnungen ist unschwer zu errathen.
Zur Zcit der „neuen Aera" beliebte man iu
B.rlin verschiedene Phrasen auszusprechen,
von bem deutschkn Beruf Preußens u. s. w.,

deren Sinn freilich, wenn man genauer über
ihn nachdachte, sv vieldeutig war, wie die
Worte des belphischen Orakels. Die politi-
schen Hanblungen der neuen preußischen Ne-
gierung ließen ben Hoffnungen der Vaterlands-
freunde so wenig Raum, wie die Thaken aller
vorhergehenden. Ein Grund, warum der'Na-
tionalveretn verhältnißmäßig so geringen Bo-
den sand, liegt eben in dem Umstand, baß er
in seinem ursprünglichen Programm die Noth-
wendigkeit einer preußischen Spitze Deutsch-
lands allzu stark und einseitig betonte. Wir
habe« allerbings auch gesehen, wie wenig tm
Augenblick von Oesterreich in dieser Richtung
gehofft werden kann, und es werden wohl
Viele bedenklich den Kops schütteln, wenn man
ihnen bestreitet, daß entweder Ocsterreich oder
Preußen nothwendig die erste Vivline im Cvn-
cert der denlschen Staaten spielen müffe. Däß
aber die Lösung der deutschen Frage die schwie-
rigste politische Aufgabe ist, die gedacht wer-
ben kann, wird man uns schon eher zugeben.
Einen Bund von Staaten verschiedener Größe,
von deaea im Laufe der Zeit die zwei bedeu-
tendsten stch zu Großmächten bildeten, wäh-
rend die große Mehrzahl ost kaum die Be-
dingungen zu einer staatlichen Eristenz in sich
lrägt, zu einem wcnigstens nach Außen ge-
schloffenen politischen Ganzen zu verschmclzen,
darf wohl mit Rccht einc Herkulcsarbeit ge-
nannt werden. Oesterreich versteht sein Zn-
teresse zu gut, als vaß es je gestatten künnte,
Preußen die alleinige Hoheit über Deutschland
zu überlaffen, während cs aus der auderen
Seite von Preußen nicht zu verlangen ift, daß
es sich zu Oesterreich wie eine Macht zweiten
oder britlen Ranges verhalte. Unter diesen
Voraussetzungen muß wohl nothwendig eine
andere Lösung unserer Einheitsfrage gesucht
werden. Die Hauptsache für uns ist jeßt,
nicht länger wegen einer bestimmten politischen
Form bes zukünstigen Deutschlands herumzu-
zanken, denn eine solche wirv sich im geeig-
neten Augenblicke schon finden. Die Haupt-
sache ist, daß in allen einzelnen Staaten sich
ein wahrhafl constikutionelles Leben ausbilde
unb die lctzten Rcste von Junker- und Pfaffen-
thum verschwinden. Um solches zu bewirken,
müßte vor Allem auf Belebung des Sinnes
dcr Maffen sür poiitische Angelegenhxiten hin-
gewirkt wcrben, waö sür den Nationalverein
cine wichtige und wüidige Aufgabe wäre.
Jst es bei uns s» weit gekommen, dann würde
auch die Lösung ber nationalen Frage nicht
mehr lange aus stch wartcn laffen, denn wenn
in allen deutschen Ländern die Volksvcrtre-

tungen den ihncn von Rechtswegen gehühren-
den Antheil an der Regicrung haben werden,
danu wird man sich über deutsche Uneinigkeit
wohl nicht länger mehr beklagen könncn. Ein
enger verbundenes Dcutschland mit einem li-
beralen Preußen und Oesterreich nebst Parla-
mcnt — eine solche Lösung der deutschen
Frage dürfte doch nicht so unausführbar und
unbcfrikdigead genannt werden.

* Polttische Umschau.

Der „National-Zeitung" wird geschrieben,
im italienischen Ministerium herrsche über
Willisen's Ernennung zum preußischen Ge-
sandten am italienischen Hofc eine solche Ber-
stimmung, daß in demselben davon dic Rede
sei, den italienischen Gesandten von Berlin
abzurufen.

Die „Kreuzzeitung" widerlegt dic Nachricht
des „Mainzer Journ." in Betreff der Forde-
rungen, die Preußen an Oesterreich gemacht
haden sollte. Vorschläge dicser oder ähnlicher
, Art seien nach Wien durchauS nicht gemachl
worden. Wohl aben stndet wegen des Dele-
girtenplanes gegenwärtig zwischea Berlin und
Wien eia Depeschenwechsel statt.

Die „Sternzeitung" widerspricht die Be-
hauptung ber „Weserzeitung": das gauze Mi-
nisterium sei für zweijährige Dlenstzeit und
dcr Kriegsminister bereit, dieses vder jenes Zu-
geständniß an das Abgeordetenhaus zu machen,
unb habe bereits drei Vorlagcn ausgearbeitet,
um dem Köni'g bie Wahl zu überlassen, von
Anfang bis zu Ende vollständig.

Der heute eingetroffene Czas erklärt die
Nachricht, daß Dr. Smolka sein Mandat nie-
bergelegt habe, sür unbegründct.

Graf Rechberg soll sich dem päpstlichen
Runtius gegenüber geäußcrt haben, daß die
österreichischen Regierung die Reformen, welche
der Papst in seinen Staaten einführen will,
sehr günstig ansteht.

Der „Moniteur" gibt die Zahl der Depu«
tirten für den geseßgebenden Körper aus
283 an.

Wie die „France" meldet, kommen sämmt-
liche französtsche Cardinäle nach PariS, um
der Leichenfeier des Erzbischofs von PariS
beizuwohiien. Es sind deren jetzt noch fünf:
der von Chambery, von Lyon, von Besantzvu,
vvn Bordeaur unb von NheimS.

Die „Patrie" macht einer falschen Angabc
der „Univn" gegenüber darauf ausmerksam,
daß der zur constituirenden Versammlung iu
Alhen gewählte Doffios nicht der jungc Mann

Vietvria und Eugenie

Die Königüi Victoria von Englano, die bis vor
wcnigen Tagcn nur die cinfachsten Trauerkleidcr
trug und nicht anders als mit zugezogcnen Wagcn-
fenstern ausfuhr, und die Kaiserin Eugenie, die
dcm Hos der römischcn Cäsarcn in Pracht und Lu-
rus nacheifert, sind Eontraste der höchsten Gcscll-
schaft, dte sich nicht schlagender ersinden laffen.
Schon bei Lebzeiten des Prinzen Albert bildeten
die Hoshaltungen von Windsor und EomPiegne
starkc Gegensätze. Glanz sah man am cnglischen
Hofc nur in den schrccklichen Lagcn einer großen
Hofcour, an c enen die arme Königin Stunden lang
Reihen geputzter Damcn an stch vorüberzichen laffen
nnd jeder, die knirend vor ihr halb in dte Erdo
sank, init eincr Verbeugung dankcn mnßte. Ge-
«öhnlich trug das königliche Familicnlebcn ein gut
bürgerltches Gepräge. Prinz Albert saß während
deS Tags über Rcchnungen gebückt, bezahlte dic
Schnlden früherer Herrscher nnd brachte Sparsam-
keit und Ordnung tn den Haushalt, oder er be-
rieth mit Künstlern und Gelehrtcn, wte Btldung
und Geschmack des VolkeS zu hebcn seien. Hatte

die Königin mit ihrem Gcmahl und ihren Mini-
stern die laufenden Staatsgcschäfte crledigt, fo iei-
tcte sic die Erziehung threr Kindcr. Abends «urde
dann im kleincn Kreise Thee gcnommen und da-
bei wohl ein Künstler, tn früherer Zcit besonders
Lablache, gehört. Womöglich noch einfacher war
daS Lebcn deö königlichcn PaarS auf sctnen Land-
sitzen, untcr denen Bamoral im schottischcn Hoch-
land der belicbtcstc war. Kamen eiumal mchr
Gäste als gcwöhnlich, so brachte man dicjenigen,
welchc im Schloffe nicht Hcrberge erhalten konnten,
tm Wirtsshausc deS nächsten DorfeS unter. Jn der
beffern Jahrcszett ging der Prinz auf dic Jagd,
im Winter lief er auf cinem Teiche des Parks von
Windsor Schlittschuhc. Einmal brach er durch das
Ets und würde ohnc die Königin, die thm das etne
Ende ihres Shawls zuwarf, »erlorcn gewesen scin.

DaS kaifcrliche Paar von Frankreich hat Alles
darauf eingerichtet, zu imponiren und zu blenden.
Der Kaiscr hat sich den Prunkliebenden Ludwig XIV
zum Mustcr genommen und aymt thm in Allem
bis auf die Livree der Dtencrschaft nach. Die fetn-
gebildeten Cavaliere des altfranzösischen Hofes kann
er freilich nicht schaffen, einen Lauzun und Richclieu

würde man an seinem Hofe »ergebenS suchen, und
setne Umgebung erinncrt mehr an dte Aeumguetair«
cku kvi, die Dumas so gut geschildcrt hat. Dte
Kaiscrin sucht den Mangel an feinem Hofton durch
funkelnde Diamantcn zu verdecken. Vor eiijtger
Zett kam ihr eine Anwandlung, die Schaferspiel«
Marie Antoinette's in Trianon zu copiren» und
dcr ganzc Schmuck der Hofdamen bestaud damalS
in Blumen. Die Sachc artctc aus, die Dameu
wurdcn zu wandelndcn Blumenbeeten, Rizza kvnnte
den Winterbedarf dcs Hofcs an Veilchen, Rosen
und Orangenblüthen nicht mehr befricdigen. Sett-
dem ist man zu den Diamantcn zurückgekehrt uud
trägt sie mit mehr Verschwendung als Geschmack.
Ein richtiges Hofkleid muß nicht blos mit Diaman-
ten aufgesteckt, sondcrn so mit ihncn benäht sein,
daß es wie mit blitzenden Thautropfcn bcsprrngt
aussieht. Diamantcn, Saphire und Rubinen bil-
den Kopfputz, und breite Arm- und HalSbänder,
große Brochen uud Ohrringe bestehen auS den cdcl-
ften Steinen und emaillirtem Gvlde. A» Ertra-
stellen werden Phantasie-Geschmeide, Heuschrecken,
Käfer, Schmetterlinge und Vögel angebracht. Der
«eibliche Körper «ird durch diesen Lurns zu einem
 
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